Keine Experimente am Boulevardtheater – Comödie Dortmund startet mit „Doppelt leben hält besser“

Von Bernd Berke

Dortmund. Wohl wahr: Zu einer „richtigen“ Metropole gehört auch ein Boulevardtheater, das sich der mehr oder minder amüsanten Leichtlebigkeit ergibt. Das kürzlich in einem ehemaligen Kino eröffnete Hansa-Theater wird ab jetzt regelmäßig von der „Comödie Dortmund“ bespielt, einem Sproß der „Comödie Bochum“. Am Samstag gab’s die erste Premiere: „Doppelt leben hält besser“ von Ray Cooney. Erwächst da dem Stadttheater Konkurrenz?

Cooney hat sein Stück nach allen Regeln des Genres am Reißbrett konstruiert, genau wie die Lebensplanung seiner Hauptperson: Dieser John Smith (Lutz Reichert) bat seine Schichten als Taxifahrer so geregelt, daß er gleich mit zwei Ehefrauen parallel leben kann – mit Mary (Kerstin Gäthe) in Wimbledon, mit Barbara (Michaela Kametz) in Streatham. Im Terminkalender reichen Kürzel wie „KTB“ („Kuscheltag Barbara“).

Dumm nur, daßJohn eines Tages mit einer Kopfverletzung in die Klinik kommt und dort in seiner Verwirrung nacheinander beide Adressen preisgibt. Beide Frauen haben ihn unterdessen als vermißt gemeldet, was wiederum zwei Polizei-Inspektoren auf den Plan ruft. Doppelt peinliche Symmetrie, die hernach in etliche Schräglagen gekippt wird.

Vom Morgenrock bis zur Tunte vom Dienst ist alles vorhanden

Den lapidarsten Kommentar gab zur Pause ein etwa zehnjähriges Mädchen ab: „Die müssen ja lügen…“ Ja, das müssen sie allerdings. Denn damit die eine Gattin nichts von der anderen erfährt, werden die abenteuerlichsten Gespinste ersonnen und (sexuelle) Identitäten durcheinander gewirbelt. Gleichwohl bleibt das Männer- und Frauenbild, auf dem derlei Wirrnis basiert, durch weg miefig und ungelüftet. Da möchte man Aufjaulen – und lacht dann doch wie blöd.

Alles, was man so kennt, ist vorhanden: liebestolle bzw. hysterische Frauen mit halboffenen Morgenröcken und schreiend geschmacklosen Pantoletten, abgewetzte Möbel zirka aus den 60er Jahren, filzige kleine Zoten (nach dem Sex sind etwaige Kopfschmerzen „wie weggeblasen“) und – haaach! huuuch! – die Schwuchtel vom Dienst, die am Schluß den blanken Allerwertesten vorzeigen darf. Und natürlich die dringliche Grundausrüstung: vier Türen, durch die stets im falschesten Moment die falschesten Menschen hereintappen, sowie zwei Telefone, die immer dann schrillen, wenn’s besonders unangenehm ist.

Regisseur Thomas Klees lugt an keiner Stelle über solche Konventionen hinaus. Die Maschinerie tuckert wie von selbst, sie funktioniert auch ohne großes schauspielerisches Zutun. Die Figuren werden nur plappernd typisiert und möglichst schrill ausgelebt. In manchen Momenten reicht es schon, wenn der/die Betreffende eine Grimasse zieht oder einen Schreikrampf mimt. Mit Routine werden die raschen Lacher erzeugt und einkassiert. Doch der „Abräumer“ ist’s nicht.

Der ganze Jux ist sich selbst genug, er verpufft im Nu. Schnellfertiges Theater für zwischendurch, inhaltlich keine direkte Konkurrenz für die Städtischen Bühnen, sondern eine völlig andere Liga. Aber mehr als eine entspannende Ergänzung will’s ja auch nicht darstellen. Und damit soll es gut sein.

Hansa-Theater/Comödie Dortmund, Hansastraße 7. Bis 7. Februar jeweils Di.-Sa. 20 Uhr, So. 19 Uhr. Kartenpreise 36 bis 51 DM. Karten: 0231/16 55 779.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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