Geschmacklich aufs Glatteis – Streckenweise unsägliches Musical „Asyl“ in Krefeld

Von Bernd Berke

Krefeld. Selten begibt sich ein Theater so aufs Glatteis wie jetzt die Vereinigten Bühnen in Krefeld/Mönchengladbach: Sie spielen zum bitterernsten Thema Asyl – ein Musical.

Es war bestimmt alles bestens gemeint. Man wollte sich an den landläufigen Musical-Boom anhängen und dabei kritische Inhalte „transportieren“. Lag das nicht nah? Doch nach der Krefelder Uraufführung von „Asyl“ (Text: Olaf Baumann, Musik: Stephan Benger) kann man sich fragen: Was hätte ferner gelegen als dies?

Erzählt wird die Geschichte des jungen Schwarzen Manuel Makumba, der aus afrikanischer Bürgerkriegsnot nach Deutschland flüchtet und um Asyl bittet. Mit einer freiheitlich-demokratischen Samba wird er „willkommen“ geheißen, doch dann lernt er den schmutzigen „Behörden-Blues“ kennen.

„Hungersnot und Pestilenz / kosten deine Existenz“

Der Anfang spielt noch in Afrika. Da ertönt der Song „Hungersnot und Pestilenz / kosten deine Existenz“. Unbekümmerter Reim, fürwahr. Satirisch soll es sein, unfreiwillig zynisch ist es geworden.

Natürlich verfallen nachher die deutschen Amtspersonen sofort in militärisches Gehabe. Derlei Klischees drängen sich wie von selbst auf, denn die rockbetonten Liednummern zählen nur zur Pop-Handelsware Klasse B.

Es gibt auch stimmig-grimmige Szenen: jene etwa, in der Makumba amtlicherseits in einen Müllcontainer gepfercht wird, um den sich alsbald die „linken Freunde“ scharen. Stimm- und gesinnungsstark lassen sie „Multikulti“ hochleben. Ins absurde Tänzchen mischen sich auch türkische Müllmänner.

„Dem Asylanten, dem geht’s gut…“

Wenn jedoch die zunehmend faschistischen Sprüche, mit denen Makumba in Deutschland gepeinigt wird, in ebenso schmissige Rock-Rhythmen gegossen werden wie die grundgute Gegenmischung, so wirkt das – wohl oder übel – als Anreiz zum Mitklatschen, dem manche im Publikum prompt erliegen. Auch sie wollen nichts Böses, es hat sie eben mitgerissen: „Dem Asylanten, dem geht’s gut / Den packt nie die Arbeitswut“. Welch ein Hit.

Mit der Figur des Makumba (stimmlich passabel: Dennis Durant) hat man sich zudem einen edlen Vorzeige-Schwarzen zurechtgebogen. Er ist fraglos der beste Mensch weit und breit. Wie zum Lohne sorgen zwei groteske Amor-Putten mit ihren Pfeilen dafür, daß er und die „Vorstadt-Perle“ Katharina füreinander entflammen…

Je engagierter hier gespielt wird, desto näher gerät man durch schiere Innigkeit an den Rand der Geschmacklosigkeit. Am Schluß freilich, wenn die bräunlichen Horden (in Trainingsanzügen und mit am Hintern „festgewachsenen“ Bar-Säuferhockern) in einer schrecklichen Walpurgisnacht „den Neger abfackeln“ wollen, gewinnt die Inszenierung (Matthias David) momentweise etwas von jener Dringlichkeit, die ihr über weite Strecken fehlt.

Weitere Termine: 1., 9., 12., 14., 18. November. Karten: Theater Krefeld (Theaterplatz 3): 021 51/805-1 25.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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