Monatsarchive: Mai 2003

Das schrille Krähen der Apokalypse – Thomas Ostermeiers Berliner „Nora“-Inszenierung gastiert bei den Ruhrfestpielen

Von Bernd Berke

Marl. Brütende Hitze herrscht in der Marler Eisenlagerhalle Victoria 1/2, dieser industriellen Stätte der Ruhrfestspiele. Doch was soll’s. Hier sieht man ein gepriesenes Hauptereignis der Theaterspielzeit: Henrik Ibsens „Nora“ in Thomas Ostermeiers Berliner Schaubühnen-lnszenierung lohnt manchen Schweiß.

Der moderne Klassiker von 1879 ist ein heimliches Stück der Saison. Viele Bühnen, darunter Dortmund, haben das dramatische Prägemuster weiblichen Aufbegehrens ins Programm genommen. Doch die Berliner Fassung im kühlen Bauhaus-Ambiente, das vom vorläufig wachsenden (aber stets bedrohten) Wohlstand kündet, dürfte bei weitem unerreicht sein. Dem frisch ernannten Bankdirektor Helmer (Jörg Hartmann) geht die Karriere so sehr über alles eheliche Maß, dass er Nora jederzeit opfern würde.

Gewaltphantasien wie aus Horrorfilmen

Bei Ostermeier flackern allerlei jetzige, vorwiegend medial aufgepeitschte Krisen-Gespenster … Weiterlesen

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Gesellschaft voller Monster – „Unser täglich Wahnsinn“: Cartoons von Gerhard Haderer in Oberhausen

Von Bernd Berke

Oberhausen. Da muss einer etwas gründlich missverstanden haben: „Schöner Rasen“ heißt die Titelzeile der Zeitschrift, die am Fußboden liegt. Der Kerl, der sie achtlos hingeworfen hat, schaut aus dem Fenster – hinaus auf öden Asphalt und ein PS-starkes Auto. Nicht sattes Grün hat er im Sinn, sondern fulminante Fahrten ohne jede Rücksicht: „Schöner rasen“ eben.

Der österreichische Cartoon-Zeichner Gerhard Haderer, jetzt im Schloss Oberhausen mit einer 160 Exponate starken Retrospektive (Titel: „Unser täglich Wahnsinn“) gewürdigt, lässt durchweg ziemlich gemeine, unverschämte und hässliche Gestalten auftreten. Die Spezies, so könnte man meinen, wird mehrheitlich von „niedrigen Beweggründen“ angetrieben.

Doch da gibt’s auch noch die (gleichfalls unansehnlich gewordenen) Opfer – wie etwa jene Ehefrau, die vor ihrem Gatten kniet und … Weiterlesen

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Lizenz zur Goethe-Zerlegung: Samuel Schwarz inszeniert die „Clavigo“-Tragödie in Bochum

Von Bernd Berke

Bochum. Der Publizist Clavigo gleicht einem Schilfrohr im Winde. Frommt es seiner Karriere beim spanischen Hofe, so ist er flugs bereit, sein Heiratsversprechen zu brechen und Marie zu verlassen. Wird er aber von deren Bruder drangsaliert, so kehrt er eilends zu ihr zurück. Nicht wahre Reue ist’s, sondern letztlich Berechnung. Daher hat auch diese Haltung keinen Bestand.

War nicht auch der „Clavigo“-Autor Goethe ein solcher Wendehals und Fürstenknecht? „Aber ja!“ ruft uns die Bochumer Inszenierung des Schweizers Samuel Schwarz triumphierend zu. Und so schickt man sich an, den Klassiker, der dieses Stück in seiner „Sturm und Drang“-Phase (24jährig, binnen acht Tagen – wow!) hinwarf, zu dekonstruieren. Ist das nun raffiniert und schneidig oder nur frech?

Nur noch … Weiterlesen

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„Ich bereue gar nichts“ – Gespräch mit dem scheidenden Ruhrfestspiel-Intendanten Hansgünther Heyme

Von Bernd Berke und Arnold Hohmann

Recklinghausen. Seit 1990 leitet er die künstlerischen Geschicke der Ruhrfestspiele. Jetzt absolviert Hansgünther Heyme seine 13. und letzte Saison in Recklinghausen. Über das Ende dieser Ära, die Zukunft der Festspiele unter dem Dach der RuhrTriennale und über seine persönlichen Vorhaben sprach die Westfälische Rundschau (WR) mit dem Theaterchef.

WR: Spüren Sie so etwas wie Abschiedsschmerz?

Hansgünther Heyme: Eigentlich nicht. Obwohl die künstlerischen Verluste durch die von Gerard Mortiers Gnaden gestoppten Projekte wie „Saul“ spürbar sind. Das hat uns ganz hart getroffen. Insofern ist es auch ein Schmerz: Denn das, was wir in Zusammenarbeit mit Mortiers RuhrTriennale machen wollten, ist fehlgeschlagen. Trotzdem haben wir ein gutes Programm. Und meine Zeit in Recklinghausen war insgesamt gut … Weiterlesen

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Eine Instanz wird geschlossen – Nach 23 Jahren nimmt Dieter Hildebrandt Abschied vom „Scheibenwischer“

Bernd Berke

Ein wenig ist der Abschied vergiftet, wenn Dieter Hildebrandt heute zum letzten Mal den satirischen „Scheibenwischer“ (ARD. 21.00 Uhr) surren lässt. Gern hätte er einen nahtlosen Übergang zu einer vergleichbaren Nachfolge-Sendung gehabt. Doch „die Herren von der ARD“, so Hildebrandt etwas verbittert, hätten dies nicht gewollt.

Statt dessen möchten sie so altgedienten Hildebrandt-Mitstreitern wie Mathias Richling oder Bruno Jonas eine Pilotsendung abverlangen; ganz so, als müssten die den Beweis ihres kabarettistischen Könnens erst noch erbringen. Doch nicht um Fähigkeiten geht es beim geplanten Test, sondern allemal um die Einschaltquote. Wer weiß, ob ohne Hildebrandt auch noch rund 3 bis 4 Millionen Zuschauer dabei sein wollen.

Die große Zeit des TV-Kabaretts ist ohnehin vorüber

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Mitten hinein in ein strahlendes Hier und Jetzt – ein aufregendes Konzert der „Go-Betweens“ in Köln

Von Bernd Berke

Köln. Also gut, lassen wir gleich den Superlativ-Hammer niedersausen: Robert Forster und Grant McLennan sind das beste Songschreiber-Duo seit den seligen Beatles-Zeiten von Lennon und McCartney. Wie bitte? Wer? Nun, die beiden Australier haben 1978 die Formation „The Go-Betweens“ gegründet, welche sich in wechselnden Besetzungen schon damals heimlichen Kultstatus sicherte.

Die zwei sind in den 90er Jahren getrennte Wege gegangen und haben anno 2000 wieder zusammengefunden. Seither steht man mit seinem Lob und Preis längst nicht mehr allein da. Die beiden Frontleute (jeweils Gitarre und Vocals) sind enorm gereift, doch nirgendwo erstarrt. Und eigentlich müssten ihre Ohrwurm-Songs wie „Surfing Magazines“, „Caroline and I“, „Magic“ oder „Make Her Day“ die Charts anführen.

Hochintelligent und auch textlich ausgefeilt

Schon … Weiterlesen

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Patrice Chéreaus Huldigung an die Worte – festliche „Phädra“-Inszenierung zur Eröffnung der RuhrTriennale

Von Bernd Berke

Bochum. Das Wort klingt ja nicht so schön, doch die Eröffnung der RuhrTriennale in der Bochumer Jahrhunderthalle war fürs Revier ein, nun: ein wahres „Event“. Oder halt ein Ereignis. NRW-Ministerpräsidenf Steinbrück und Kulturstaatsministerin Weiss nahmen ebenso in recht knapp bemessenen Sitzschalen Platz wie etwa WDR-lntendant Pleitgen oder auch TV-Plauderer Biolek.

Frankreichs gepriesener Theater- und Filmregisseur Patrice Chéreau, seit seinem Bayreuther „Ring“ (1976) eine Leitfigur der europäischen Szene, gastiert mit seiner Inszenierung von Jean Racines Tragödie „Phèdre“ (Phädra). Der Produktion des Pariser Odéon-Theaters eilt ein Ruf wie Donnerhall voraus.

Ein antikes Portal (ansonsten radikal schmucklose Bühne: Richard Peduzzi) genügt, um in der riesigen Halle eine altgriechische Szenerie zu beschwören. Die Darsteller agieren zwischen zwei Zuschauerblöcken. Man fühlt sich … Weiterlesen

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