Von Wattestäbchen und anderen Tücken – Frank Goosen beim Festival Ruhrhochdeutsch

„Richtig erwachsen bisse erss, wenn de en ganzet Paket Wattestäbchen brauchss, um die Kotze Deiner Blagen aussem Kindersitz zu pulen“. Ein Freund klarer Ansagen und plastisch-drastischer Geschichten, die so krass wie wahr sind, sollte man schon sein, wenn man zum Festival Ruhrhochdeutsch geht. Seit Ende Juni steht wieder das schöne historische Spiegelzelt vor den Dortmunder Westfalenhallen.

IMG_20150808_184904Schon zum sechsten Mal bietet das Dortmunder Theater Fletch Bizzel dort einen umfassenden Querschnitt, vor allem durch die ruhrische Kabarettszene. Wiederkehrende Ensembleauftritte wechseln sich ab mit Gastauftritten lokaler Helden. Am vergangenen Wochenende philosophierte Frank Goosen über Durst und Heimweh, wobei der Durst wohl bei Temperaturen gefühlt wie kurz vorm dritten Aufguss überwogen hat. Für Goosen war es trotz fußballerischer Differenzen ein Heimspiel.

„Durst und Heimweh“ heißt sein neues Kabarett-Programm. Durst soll ja schlimmer sein als Heimweh, aber am schlimmsten ist für Goosen beides zusammen. Und zusammen kommt beides gerade für Ruhrgebietsmenschen meist, wenn man(n) sich auf Reisen begibt. Nun ist man ja gerade im Ruhrgebiet ständig unterwegs, Stillstand gibbet bekanntermaßen nur auffe 40. Müsste Herrn Goosen eigentlich sehr entgegen kommen, denn wie er gleich zu Beginn erklärte, fühlt er sich eh am wohlsten auf den Autobahnen des Reviers. „Flüsse und Berge trennen doch nur, Autobahnen verbinden“. Natur an sich ist ja eh völlig überbewertet, die ist ja nicht mal von Hand gemacht wie so eine ordentliche ruhrische Autobahn.

Zum Glück für den Zuschauer spielen Goosens Geschichten aber nicht nur auf der Autobahn. Aber vom Reisen erzählen sie. Seine Geschichten spielen überall und jederzeit, durch alle Lebensabschnitte. Los geht es mit den ersten Ferien, die bei Goosens vor allem mit „de Omma anne See“ führten. Nach Helgoland zum Beispiel, wo er die Grundregeln des Goosenschens Universums lernte: „Watt der Junge will, datt kriechta auch“. Logischerweise nicht ganz einfach für nachfolgende Reisebegleitungen. Bei den Klassenfahrten mit den üblichen weithin bekannten, über alle Generationen hinweg ähnlichen Nebenwirkungen ging es noch so halbwegs, aber der erste Urlaub mit Freunden und unterschiedlichen Vorstellungen war da schon schwieriger. Dies im übrigen ein Interrail-Urlaub, die nicht immer subtilen Erinnerungen teilt er wohl mit vielen seiner Generation.

Und dann der erste Beziehungsurlaub…. – nirgendwo zeigt sich mehr Konfliktpotential. Über all diese Stationen geht es im Programm zurück zu dem einzigen Urlaub, den man zweimal im Leben macht: dem Familienurlaub. In fortgeschrittenem Alter dann am anderen Ende der Befehlskette und vor der schwierigen Aufgabe stehend, einen Kompromiss zu finden zwischen Kinder-Bespaßung und Massentourismus-Allergie. Nicht nur Familie Goosen findet diesen Kompromiß zuverlässig im Staate Dänemark und deswegen war mir die Exkursion ins Dänenland, mitsamt den Tücken seiner ausgefeilten Mini- und Fußballgolfplätze auch eine ganz besondere Freude. Wirklich außerordentlich bedauerlich, dass wir nicht mehr in den Schulferien in den Urlaub müssen. Die Goosensche Performance im fliederfarbenen Strandstuhl des Grauens würde ich nur zu gerne einmal sehen.

Für uns traf es sich bei diesem Programm, dass wir an diesem Abend Urlaubsziel waren. Wir hatten Besuch von Freunden aus Bayern, die Herrn Goosen bisher „nur“ anhand seiner Bücher kannten und mehr als einverstanden damit waren, mit einem Live-Auftritt des Revier-Chronisten gleich mal die volle Dosis Ruhrpott verabreicht zu bekommen. Es passte gut, dass Frank Goosen zwischendurch immer wieder den „Jungen vonne Bochumer Alleestrasse“ durchschimmern ließ: „Da kommt mein wahres Niveau wieder durch“. Unsere Gäste waren begeistert, selbst an der Stelle, als es gegen bayrisches Klosterbräu-Bier ging, denn „Menschen, die keinen Geschlechtsverkehr haben, kann man ja prinzipiell nicht trauen.“ (Zugegeben, Herr Goosen hat es ein klein wenig weniger vornehm formuliert).

Dafür kann man den Programmen des Frank Goosen sicherlich immer trauen. Dem Buchautor sowieso, aber auch den Kabarettisten mit direktem Draht zum Publikum, den hat der gelernte Tresenleser einfach drauf. Für ihn braucht es nur ein wohlgesinntes Gegenüber, eine Bühne ohne störendes Gedöns und der Bochumer nimmt den ganzen Saal gestenreich, oft genug freihändig ausse Lameng realitätsnah erzählend mit, diesmal eben auf die Reisen seines Lebens.

Frank Goosens Termine und anderes auf seiner Homepage
Das Festival Ruhrhochdeutsch geht noch bis in den Oktober, weitere Infos auf Ruhrhochdeutsch.de

P.S. @ Herrn Goosen: Falls Sie den Gag mit dem Komasaufen doch nicht aufgeschrieben haben – ich glaub, ich krieg das noch hintereinander…

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1 Antwort zu Von Wattestäbchen und anderen Tücken – Frank Goosen beim Festival Ruhrhochdeutsch

  1. Spieler7 sagt:

    Tolle Nachbetrachtung einer großartigen Veranstaltung!

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