Ein Weihnachtsmann und Musik, die Leben rettet – Frank Goosen kann’s auch besinnlich

Der Weihnachtsmann ist in der Regel ein unglücklicher nicht mehr ganz junger Mann, der wegen eines abgebrochenen Studiums das Geld braucht. Weiß man doch, das hat sich mittlerweile rumgesprochen. Genauso ist es auch im Supermarkt umme Ecke. Dort hockt Holger, der Ex-Student ohne Abschluss, ohne Perspektive, ohne Freundin, ohne Familie – dafür aber mit kratzigem Kunstbart und Perücke. Und dann muss er sich auch noch von rotznäsigen Blagen erpressen lassen. Kann ein Heiligabend schlimmer beginnen? Wohl kaum.

Aber es kann nur besser werden. Wenn man zum Beispiel auf dem Heimweg vom Weihnachtsmann-Job den echten Weihnachtsmann trifft. Der heißt Udo, sein Bart ist mehr schmuddelig grau als weiß und auch sonst ist er nicht die gepflegteste Erscheinung. Dafür hat er eine Gitarre um den Hals mit sechs silbernen Saiten, auf denen er „Lieder der Aufrechten für die Seelen der Beladenen“ spielt, welche nicht nur Holger zu für ihn eher ungewöhnlichen Aktionen bewegen.

Sechs silberne Saiten Familienfeste und andere Schwierigkeiten – und das Weihnachtsfest ist gemeinhin das schwierigste von allen. So ergeht es eben auch Holger, dem perspektivlosen Studenten. Aber auch der Frau Hutwelker und erst recht dem rotznäsigen Blag Dennis und seiner wunderhübschen Mutter. Wer, wenn nicht der Weihnachtsmann, kann da mit nicht mehr als „sechs silbernen Saiten“ eine Familienzusammenführung der etwas anderen Art bewirken.

Musik, die Leben retten kann – man kann mittlerweile wohl sagen, dass dies ein wiederkehrendes Thema bei Frank Goosen ist. Nicht die Lebensrettung im medizinischen Sinne, aber die Rettung von unglücklichen, vom Leben und widrigen Umständen gebeutelten Seelen. Nicht nur, aber gerade auch an Weihnachten. Es muss ja nicht immer „O Tannenbaum“ sein, selbstredend ist Johnny Cashs „still miss someone“ ein angemessen würdiges Weihnachtslied.

Ruhrgebiets-Chronist Frank Goosen kann’s auch besinnlich und zeigt in seiner Weihnachtsgeschichte „Sechs silberne Saiten“ liebevoll untermalt, dass das Grau eines Ruhrpott-Heiligabends auf jeden Fall von einem woanders leuchtenden Licht übertönt wird – wenn man nur das Herz am rechten Fleck hat.

Goosen wäre aber nicht Goosen, wenn die Geschichte nicht mit einem Augenzwinkern geschrieben wäre. Pathos sucht man vergebens, aber dankenswerterweise auch die Schenkelklopfer. Auf kleine Seitenhiebe auf übliche Verdächtige wird allerdings nicht verzichtet. (Vielen Dank, Herr Goosen, es dank Ihnen verbrieft zu haben, nicht die Einzige zu sein, die sich dauernd über Bono aufregt). Was wie eine ganz normale Pottsche Alltagsgeschichte Goosenscher Couleur beginnt, endet als zu Herzen gehende, froh machende „echte“ Geschichte über Menschen wie du und ich, die an Weihnachten über sich hinaus wachsen.

Frank Goosens Weihnachtsgeschichte erschien erstmalig 2006, nun ist sie neu aufgelegt mit dazu aus dem Nikolaus-Sack gezauberten passenden Illustrationen von Peter Schössow. Schössow ist einer der bekanntesten Illustratoren Deutschlands, bekannt unter anderem für liebevolle Jugendbücher und Untermalungen der „Sendung mit der Maus“. Seine Werke entstehen überwiegend am Rechner, so dass seine Illustrationen immer an an computeranimierte Filme erinnern. Für die „sechs silbernen Saiten“ hat er Bilder entworfen, auf denen stark konturierte, leicht überzeichnete Figuren sich wie auf einer Bühne vor weihnachtlichen Hintergründen bewegen. Figuren, bei denen man sofort spürt, welcher Typ Mensch sie sind und die perfekt zur Geschichte passen. Alles in allem ein feines, kleines Weihnachtsbuch für die, die unter dem Weihnachtsbaum gerne vorlesen und dafür mal etwas ganz anderes suchen.

Frank Goosen: „Sechs silberne Saiten“, illustriert von Peter Schössow. Verlag Kiepenheuer und Witsch, 90 Seiten, 6 €.

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