Mett-Igel statt Haifisch: In Bochum bringen Schauspiel und Symphoniker zum 100. Geburtstag wenig auf die Beine

Figuren aus der Vergangenheit: Jonathan Peachum (Martin Horn), Hauer-Hendrik (Dominik Dos-Reis), Jenny (Friederike Becht), Celia Peachum (Veronika Nickl), Polly (Romy Vreden) und der Kommissar a.D. Braun (Michael Lippold, v.l. Foto: Jörg Brüggemann)

Kinder, wie die Zeit vergeht. Der Haifisch trägt keine Zähne mehr im Gesicht, Mack the Knife ist nur mehr ein Mackie ohne Messer und verlebt sein Altenteil mit Frau Polly im Ruhrgebiet. Gemeinsam mit den Schwiegereltern Peachum hängen sie in Bochum in der Kneipe „Zur Ewigkeit“ ab. Sie warten auf den Beginn eines großen Festes, denn angeblich wird die Schenke 100 Jahre alt. Die Ewigkeit ist eben auch nicht mehr das, was sie mal war.

Mit dieser Kneipen-Kantate für Bettler, Bergleute und Betrunkene, die jetzt im Anneliese Brost Musikforum Premiere hatte, feiern das Bochumer Schauspielhaus und die Bochumer Symphoniker gemeinsam ihren 100. Geburtstag. Diesen bedeutenden Anlass hat es gebraucht, um nach vielen vergeblichen Anläufen endlich zu einer Koproduktion zusammen zu finden. Statt nun mit vereinten Kräften ein künstlerisches Großprojekt zu stemmen und beispielsweise Ibsens „Peer Gynt“ samt der Schauspielmusik von Edvard Grieg aufzuführen, gab man beim Komponisten Moritz Eggert ein neues Stück in Auftrag, das sich als inszenierte Ereignislosigkeit entpuppte.

Als Geschäftsführerin der Firma „Bergmanns Freund“ muss Polly (Romy Vreden) viel telefonieren (Foto: Jörg Brüggemann)

So wird „Ein Fest für Mackie“ zwar unentwegt angekündigt, kommt aber mangels Geld und Personal nicht in die Gänge. Der einst gefürchtete Gangster (Guy Clemens) will nicht von seinem Turm aus Kohle steigen, auf dem er in Bademantel und weißen Socken sitzt, als sei er ein Bruder der TV-Comedyfigur Dittsche. Da keift und wettert Romy Vreden als Polly Peachum ganz vergeblich.

Das Geld ist futsch, die Kneipe pleite und Pollys Firma „Bergmanns Freund“ findet keine Mitarbeiter mehr. Es ist Schicht im Schacht. Trotz virtuoser Betrunkenheits-Akrobatik, die Michael Lippold als Tiger Brown und Martin Horn als Jonathan Peachum auf ihren Barhockern vorführen, ist das von Schauspiel-Chef Johan Simons persönlich inszenierte Stück ungefähr so attraktiv wie der Mett-Igel, den Celia Peachum (Veronika Nickl) an der Bar zubereitet, die Simons und Oliver Kroll vor das Orchester gestellt haben.

Jonathan Peachum (Martin Horn,l.) und Kommissar Braun (Michael Lippold, r.) sind virtuos versoffen (Foto: Jörg Brüggemann)

Schmerzlich wenig reicht diese Anhäufung von Klischees an den Geist und das Genie von Brecht/Weill heran. Immerhin färbt die Vorlage ein wenig auf die Musik ab. Wo Moritz Eggert sich hörbar an berühmte Nummern wie den „Anstatt dass“-Song oder das Dreigroschen-Finale anlehnt, entwickeln die Bochumer Symphoniker unter der Leitung von Steven Sloane einigen Schmiss. Gekonnt auch die böse Ironie, mit der Eggert manche Musical-Süßlichkeit zentimeterdick aufträgt. Die Texte von Martin Becker passen sich hingegen ganz dem Niveau einer Ruhrgebiets-Spelunke an. „Wat is denn dat jetz für ne Scheiße?“, brüllen die Figuren gegen Ende zunehmend entnervt. Das wüssten wir in der Tat auch ganz gerne.

Aber mögen diese versoffenen Gestalten auch trostlos in das Jahr 5000 stieren: Der laue Beifall des Publikums brandet herzlich auf, sobald der Ruhrkohle-Chor das Steigerlied anstimmt. Die Frage, ob ein derart mageres Produktiönchen dem Ruf und der Bedeutung zweier kultureller Flaggschiffe wie dem Bochumer Schauspielhaus und den Bochumer Symphonikern gerecht wird, muss freilich gestellt werden dürfen.

Zwei weitere Aufführungen am 13. Oktober 2019. Karten/Infos:

https://www.schauspielhausbochum.de/de/stuecke/3114/ein-fest-fur-mackie

(Der Bericht ist in ähnlicher Form zuerst im Westfälischen Anzeiger erschienen.)

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