Gesichter und geheime Kräfte des Gesteins

Von Bernd Berke

Arnsberg. Vorwiegend steinig geht es jetzt im Arnsberger Kunstverein zu. Wenn man mitten in der neuen Ausstellung steht, hat man vor sich eine steinerne, nur auf den ersten Blick unscheinbare Bodenskulptur von Ulrich Rückriem.

Seitwärts sieht man ein vierteiliges Großfoto in Schwarzweiß. Die Hamburger Künstlerin Claudia Rahayel, 1957 im Libanon geboren, hat sich mit der Kamera im Steinbruch bei Anröchte umgetan. Ein- und dieselbe Ansicht des zerklüfteten Bruchs findet sich nun viermal gegeneinander gedreht und gespiegelt. Da kehrt das Gestein sein „Gesicht“, ja, seine Fratzen hervor.

Wendet sich der Besucher um, erhält er den Durchblick aufs Original: Anröchter Dolomit, aus dem Rahayel eine dynamisch ausladende, schrundig-schalenförmige Skulptur gebaut hat. Auch hier öffnet sich der Stein, gibt Kräfte seines bewegten Innenlebens preis.

Dritter im Bunde ist Eckhard Karnauke, gleichfalls Jahrgang 1957 und wie Rahayel ein Schüler des vierfachen documenta-Teilnehmers Rückriem. Eine seiner Foto-Arbeiten hängt gleich am Eingang: eine formal ausgetüftelte Abfolge ernster, konzentrierter Gesichter, unterbrochen von annähernd kopfförmigen schwarzen Scheiben auf Spiegeln. Es ist Nebensache, daß es sich um Gesichter von Galeriebesuchen handelt. Man kommt jedenfalls nicht umhin, diese andächtigen Mienen sogleich wahrzunehmen – als passende Einstimmung auf diese stille Ausstellung, die im letzten Raum mit meditativen Stein-Zeichnungen von Rückriem endet.

Der Name Ulrich Rückriem ist in Arnsberg immer noch ein Reizwort. 1987 gab es einen heftigen Gesinnungsstreit zwischen Kunst- und Heimatverein. Es ging um eine Steinskulptur, die der renommierte Rückriem auf einen Innenstadtplatz stellen sollte. Doch daraus wurde nichts, denn die „Heimatlichen“ blieben abgeneigt – und brachten die Mehrheit hinter sich.

Heute erhebt sich an der bewußten Stelle der gläserne Aufzugsschacht einer Tiefgarage. Ganz gleich, wie man zu Rückriem steht: Sein Werk wäre gewiß ein Zeichen gewesen, was man von dem Schacht nicht behaupten kann.

Insofern ist es eine winzige Provokation des Kunstvereins, wenn nun Rückriem in Arnsberg präsentiert wird. Doch die Herausforderung hält sich in Grenzen, denn die Arbeiten befinden sich ja nun wohlverwahrt im Hause statt auf offener Straße.

Kunstverein Arnsberg: Eckhard Karnauke, Claudia Rahayel, Ulrich Rückriem. Königstraße 24. (02331) 2 11 22. Bis 23. August. Mi-Fr. 17-19 Uhr, So 11-13 Uhr.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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