Literaturhaus ist im Ruhrgebiet noch ein Luftschloß

Von Bernd Berke

Gladbeck/Unna. Berlin hat eins. Hamburg hat eins. Frankfurt hat eins. Und dann ist da noch jene Metropole namens Ruhrgebiet mit ihren rund fünf Millionen Einwohnern: Sie hat keins. Nämlich kein Literaturhaus als Zentrum für Autoren und Leser.

Das Thema, schon seit vielen Jahren hin und her gewälzt, gerät derzeit mal wieder verstärkt in die Diskussion. Bei der Jahresversammlung des in Gladbeck ansässigen „Literaturbüros Ruhrgebiet“ stand es jetzt ganz oben auf der Tagesordnung. Dort war man sich schnell einig: Das Revier braucht unbedingt ein Literaturhaus. Doch einstweilen, so hieß es, sei es noch ein „Luftschloß“.

Weit weniger zögerlich gab sich ein Mann, den man als Mutmacher nach Gladbeck gebeten hatte. Uwe Lucks, Geschäftsführer des als vorbildlich geltenden Hamburger Literaturhauses, servierte den Literaturförderern des Reviers eine ganze Reihe praktischer Tipps aus echt hanseatischem Kaufmannsgeist. In Hamburg, so Lucks, habe man das Literaturhaus bewußt kommerziell aufgezogen. Man erziele nennenswerte Einnahmen aus der Weitervermietung, sogar für Hochzeiten im stilvollen Rahmen der alten Villa. Gerade deshalb bleibe der Kernbereich, die Literatur, von Zwängen unberührt. Man könne sich also auch Minderheitenprogramme und Flops erlauben. Zu den rund 80 eigenen Veranstaltungen im Jahr zählen hochkarätige Lesungen, Vortragsreihen und Diskussionen. Außerdem versucht man, die Tradition von Literatencafés wiederzubeleben.

Ähnliches schwebt auch den Leuten im Revier vor. Doch im Gegensatz zu ihnen hat der Hamburger Lucks gut Lachen, denn auf dem Weg über eine Stiftung spendete der Hamburger Verleger Gerd Bucerius Millionenbeträge für das dortige Literaturhaus. Lucks‘ bündiger Rat: „Präsentieren Sie den Politikern ein Wunsch-Haus, präsentieren Sie ihnen Mäzene und ein vernünftiges Konzept.“ Mit reichlich „Vitamin B“ (sprich: Beziehungen) werde sich der Rest dann rascher finden.

Verstreute Autorenszene, keine großen Belletristik-Verlage

Leicht gesagt, schwer getan. So optimistisch sich das Hamburger Beispiel auch anhörte – im Vorstand des Gladbecker Literaturbüros wurden Bedenken laut. Im Revier sei die Autorenszene verstreut, es gebe hier keine großen Belletristik-Verlage, und die Kirchturmpolitik der hiesigen Städte stehe einer zentralen Einrichtung wie einem Literaturhaus entgegen. Schwerlich werde eine Stadt zahlen, wenn das Haus im Nachbarort stehe. Mit Wohlgefallen hörten die Gladbecker vom entschieden unternehmerischen Denken in Hamburg, denn ein Literaturhaus im Revier solle keine Kuschel-Herberge für frustrierte Autoren werden.

Unterdessen versucht man beim Westfälischen Literaturbüro in Unna, das Thema Literaturhaus auch im östlichen Revier „warmzuhalten“. Man hat der Regionalkonferenz (Dortmund, Hamm und Kreis Unna) ein Konzept vorgelegt, das im Herbst auf politischer Ebene behandelt werden soll. Auch ein passendes Gebäude (Fachwerkhaus in Unna) hat man bereits ausgesucht.

Monika Littau, Literaturberaterin im Büro Unna: „Eigentlich hat ja Dortmund hier die lebendigste Literatenszene.“ Doch Unna scheine sich mehr ins Zeug zu legen als der große Nachbar. Falls es denn wahr wird, will man auch hier (nach Hamburger Modell) Mieteinnahmen erzielen, eine Buchhandlung und einen örtlichen Verlag mit aufnehmen. Vielleicht, so Frau Littau, könne dann endlich die ständige Abwanderung von Revierautoren in verlagsreiche Großstädte gebremst werden.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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