Ein paar Worte über „Pa“, der nicht mehr da ist

Bei Facebook haben ihn alle nur „Pa“ genannt. Anfangs dachte ich, das Kürzel bezeichne ihn als typische Vaterfigur. Und im Grunde war es ja auch so. Er hatte tatsächlich etwas Väterliches. Doch die beiden Buchstaben waren eine Kurzform seines Vornamens Paul.

Wie ich darauf komme? Weil es mich beschäftigt, nein: erschüttert, dass Pa gestorben ist. Weil mir nichts bleibt, als es schreibend zu vergegenwärtigen. Die unfassbare Nachricht ist heute früh eingetroffen, auch via Facebook. Einer seiner drei Söhne hat ihn aufgefunden. Es ist zum Heulen.

Pa hätte einen solchen Vergleich mit sanftem Spott bedacht, aber ich habe ihn mir immer auch ein wenig als „Herbergsvater“ vorgestellt. Er war jedenfalls einer, der Gruppengeist zu stiften wusste wie nur ganz wenige; einer, um dessen imaginäre Lagerfeuer sich im sonst manchmal so asozialen Netzwerk viele versammeln konnten – sei’s im Zeichen des Fußballs (er betreute seit etlichen Jahren geradezu hingebungsvoll eine vielköpfige Tipprunde); sei’s in Gefilden der Rockmusik, auf deren Feldern er profunde, weit ausgreifende Kenntnisse besaß. Er konnte einem so wertvolle Hinweise geben, wie es kein Algorithmus  der Welt vermocht hätte. Hätte er eine Radiosendung gehabt, so hätte man sie unbedingt hören müssen. Musik war bei ihm stets mit den Fährnissen des Lebens verwoben, seichtes Zeug mochte er nicht.

Seine Menschlichkeit erwuchs nicht zuletzt aus Leidenserfahrung. Aus dieser Erfahrung heraus hat er nach Kräften anderen Leuten geholfen, durch Zuhören, Zuspruch und mehr. Dass er selbst kein leichtes Lebensschicksal hatte, war zu erfahren und zu spüren, wenn man einander hin und wieder persönliche Botschaften geschrieben hat – jenseits des freundlich scherzenden, aber doch meist nicht so verbindlichen Gruppenwesens im Netzwerk. In (seltenen) Telefonaten kam eine weitere Dimension hinzu: seine beruhigende, sozusagen weltweise Stimme mit dem tief „geerdeten“ bayerischen Tonfall.

Einige Leute, die ihn – wie ich selbst – „nur“ übers Netz, aber nicht von Angesicht gekannt haben, sagen mehr oder weniger dasselbe. Etwa in diesem Sinne können wir uns alle einigen: Trotz der räumlichen Distanz und der virtuellen Beschränkungen hat man immer seine Warmherzigkeit gespürt – auch durch seinen gelegentlich knorrigen oder schnoddrigen Humor hindurch. Nein, herzig, gefühlig und oberflächlich sentimental war er nicht, aber herzlich und mitfühlend. Ein durch und durch feiner, grundanständiger Kerl. Man hätte so gern irgendwann noch ein zünftiges Weißbier mit ihm getrunken.

Pa, der als aufrechter Nach-Achtundsechziger in der bayerischen Provinz – fern vom Getriebe der Städte – gelebt hat, litt oft geradezu verzweifelt unter den politischen Zeitläuften, zumal unter populistischen und schlimmeren Umtrieben. Vielleicht hat ihn auch das ein Gutteil Lebenskraft gekostet. Aber wir können es nicht wissen.

Pfüat di, Pa.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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Eine Antwort zu Ein paar Worte über „Pa“, der nicht mehr da ist

  1. Andrea Greinacher sagt:

    pa war noch nicht sehr lange mein facebook – freund. doch ich mochte ihn sehr. wir haben uns immer mal bei einem gemeisamen freund geschrieben und irgendwann kam seine freundschaftsanfrage, weil er neugierig war. wir haben unsere krankheitsgeschichten per pn ausgetauscht. er hat so viel musik gepostet und ich habe mir alles angehört und manches wirklich gut gefunden, obwohl ich aus einer anderen zeit stamme und einen anderen musikgeschmack habe. mit meiner musik ging es ihm ähnlich. er hat noch am tag vor seinem tod den üblichen spass geschrieben und als unser gemeinsamer freund mich nachts über sein ableben informierte, war es sehr schmerzhaft.wir haben dann einige erinnerungen, teils ausgetauscht, teils gemeinsame erzählt. da, wo es immer so nett mit pa war, ist es heute traurig, denn er fehlt einfach. danke für diesen bericht über einen freund

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