Kein Verhandeln, kein Verzeihen – so isses, das verflixte Virus!

So ähnlich an vielen, vielen Dortmunder Hauswänden zu finden: Das Virus verbreitet sich eben auch in gesprühter Form. (Foto: Bernd Berke)

Schon seit geraumer Zeit kann ich mir das Grinsen nicht verkneifen, wenn ich die personalisierten Nachrichten vom Börsenindex DAX lese, der im Wirtschaftsjournalismus oft genug tatsächlich als Dachs oder gleich als menschelndes Wesen auftritt.

Mal tänzelt der Dax/Dachs „seitwärts“, mal bricht er nach oben aus, dann wieder klettert er mühsam aufwärts oder vollführt nur „Trippelschritte“. Mal tritt er sogar auf der Stelle, mal „schnuppert er Höhenluft“, schließlich stürzt er vielleicht ab. Und überhaupt sind auch Bulle und Bär nie weit, wenn der Dachs sich einstellt. Effekt: All das erscheint als naturwüchsig, als reine Biologie. Eine meiner Lieblingsformulierungen lautet übrigens: „Dax geht gefestigt ins Wochenende.“ Das hat der possierliche Geselle sich einfach verdient.

Derweil benimmt sich unser aller Corona-Virus offenbar ebenfalls wie ein humanoides Wesen, es ist ja nun – im Gegensatz zur Börse – zumindest auch ein biologischer Organismus. Ihm werden just allerlei menschliche Verhaltensweisen zugeschrieben oder abgesprochen, so jüngst wieder von der Kanzlerin im Bundestag. Ich zitiere mit Auslassungen:

„Das Virus verzeiht keine Halbherzigkeiten (…) Das Virus verzeiht kein Zögern (…) Das Virus lässt nicht mit sich verhandeln…“

Es verzeiht nicht, es verhandelt nicht. Sehen wir es nicht geradezu am Konferenztisch vor uns, mit all seinen stacheligen Ausbuchtungen, in all seiner Krönchenhaftigkeit, patzig und trotzig jeden Vorschlag ablehnend? Fast schon eine putzige Vorstellung, wenn man nicht wüsste, wie ernst es in Wahrheit ist.

Auch sonst haben wir schon manches über das Virus-Verhalten erfahren, beispielsweise: „Es“ macht keinen Urlaub, es kennt keine Ferien, es kennt auch keine Feiertage und keine Staatsgrenzen. Auch war schon zu lesen: „Das Virus trickst uns aus“ oder – neckischer noch – „Das Virus schlägt uns ein Schnippchen“. Und wie sagte Katrin Göring-Eckardt (Grüne) heute bei Anne Will so schön: „Das Virus freut sich über unsere Bedenken.“

Naja, und so weiter. Wir kennen uns da inzwischen ein wenig aus, jedenfalls mit der sprachlichen Darstellung. Ansonsten sind wir schon mal ziemlich ratlos.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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