Mimimi, Boomer! – Formeln, die jede Diskussion abtöten

Bei manchen Diskussionen stehen einem halt die Haare zu Berge… (Foto: BB)

Hier und jetzt nur ein kurzer Einwurf, was Auseinandersetzungen in „sozialen Netzwerken“ angeht.

Es gibt diese schnellfertigen, zigtausendfach vorgeprägten Formeln, mit denen Argumente nicht nur ersetzt, sondern sogleich niedergebügelt werden. Ein paar dieser immer und immer wieder verwendeten Wortmarken, die bei manchen Leuten mutmaßlich auf Sicherungs-Taste liegen, lauten beispielsweise so:

„Mimimi“ (soll heißen: stell dich nicht so an, heul nicht oder auch triefend ironisch: heul doch!)

„Boomer“ (soll den Widerpart einer Alterskohorte zuordnen, die generell den Anschluss verloren und daher auch nichts mehr zu sagen hat respektive die Schnauze halten soll)

„Alte weiße Männer“ (haben nach der üblichen Lesart auf Erden alles versaubeutelt und sollten am besten bald sterben gehen)

Sehr beliebt ist auch die Geißelung eines sogenannten „Whataboutism“, will heißen: Regt sich eine andere Meinung, wird sie in Bausch und Bogen verworfen. Auf eine Behauptung darf man demnach nicht mit einer Gegen-Behauptung („Und was ist mit…“? / „And what about….?“) antworten. Das entspricht ungefähr dem kindischen Ansinnen: „Ich habe aber zuerst behauptet!“ Drum darf es fortan nur noch um diese erste Behauptung gehen und um keine andere. So lässt sich jede Diskussion schnell abtöten. Austausch von Meinungen? Fruchtbare Debatten? Ausgehaltene Widersprüche? Nichts da!

Derlei wohlfeile Ausrufe sind geeignet, Gesinnungsgenoss*innen auf den Plan zu rufen, die sofort eifrig beipflichten und weitere Invektiven anhäufen. Es sind somit auch beliebte Zutaten zum einen oder anderen gepflegten Shitstorm. Und immer lauert im Hintergrund die Neigung, die Gegenposition am liebsten komplett vernichten oder wenigstens dem vollständigen Vergessen überantworten zu wollen.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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