Von Bernd Berke
Wuppertal. Als sein heute hoch gehandelter Schüler Georg Baselitz wegen „obszöner“ Bilder hartnäckig bei der Justiz denunziert wurde, sah Hann Trier buchstäblich „Rot“. Da malte er eine Bilderserie, deren Titel „von Staatsanwälten verstanden werden“ (Trier): „Tatort“, „Lokaltermin“, „In Tateinheit mit Rot“, „Indizienkette“ und „Tatverdacht“. Das war 1963/64, lange bevor es den TV-„Tatort“ gab.
Das Wort weist denn auch weit über kriminologische Bedeutungen hinaus. Hann Trier (75), wichtiger Anreger der Nachkriegskunst im Umkreis des sogenannten „Informel“, nennt die Leinwandfläche eines Bildes überhaupt den „Tatort“ des Künstlers. Bevorzugt beidhändig setzt er dieser Fläche zu. Doch er ist kein Vertreter einer begriffslos zupackenden Aktionskunst, sondern im Gegenteil einer Kunst aus dem Geist der Sprache. Dies macht jetzt mit 75 Exponaten eine Retrospektive in Wuppertal deutlich.
Hann Trier spricht, anders als so viele seiner Kollegen, gut und gern über seine Arbeiten. Kennzeichnend, daß er zwischenzeitlich auf Schrift-Bilder verfiel, in denen einzelne Worte und Ausrufe („Oho!“) sich aus dem abstrakten Urgrund erheben. Doch auch indirekt ist „Schrift“ als Bewegung im Bild präsent. Werke aus den späten 50er Jahren wie etwa „Tageszeitung“ oder „Schlagzeilen“ zeigen Muster, die von fern her an ihre thematischen Ursprünge erinnern. Lineaturen der Schrift, die ja selbst eine hochgradige Abstraktion ist, sind hier zu bildlichen Entsprechungen geronnen.
Anders als die meisten Nachkriegskünstler, bei denen sich die trostlose Trümmerzeit als Finsternis der Farben niederschlug, verfügte Hann Trier schon 1949/50 über eine helle, man möchte beinahe sagen „zukunftsfrohe“ Palette. Dies verstärkte sich, als der Künstler 1952 für einige Zeit nach Kolumbien auswanderte und seine farbenfrohen Bilder vor allem auf Tänze („Mambo I“) bezog. Es sieht aus, als habe der Pinsel Tänze voller Lebenslust vollführt.
Von Schrift und Worten ausgehend, hat Hann Trier die Titel immer sehr bewußt und treffend gewählt: „Augenblick“ (1967) ist tatsächlich ein „überfallartiges“ Bild, das man im Nu ansehen muß, „Aus dem Blick verlieren“ (1967) hat wirklich etwas Abirrendes, beim „Sommernachtstraum“ (1970) taucht eine sündig-rote Augenmaske, bei „Ikaros“ (1982) eine stürzende Flugfigur schemenhaft auf.
Zu den faszinierendsten Bildern zählen eine 1987 entstandene Serie über Figuren der Commedia dell’Arte („Pulcinella“, „Pantalone“ usw.) und das Breitformat „Das Wandern“ (1981). Diese Strecke aus lichten Farbwolken muß man in der Tat abschreiten, um die Wege im Innern des Bildes verfolgen zu können.
Hann Trier. Retrospektive 1949-89. Von der Heydt-Museum, Wuppertal, Turmhof 8. – Vom 2. 9. bis 14.10. – Di-So 10-17 Uhr, Do 10-21 Uhr. Katalog 42 DM.