Helles Malz, Aroma-Hopfen, weiches Wasser: Vor 175 Jahren erfand der Bayer Josef Groll in Böhmen das Pilsener Bier

Mit dem Bier, das unsere Vorfahren vor mehr als 5000 Jahren schon im vorderen Orient brauten, haben unsere modernen Industriebiere kaum mehr etwas gemeinsam. Doch der Grundprozess des Vergärens mit Wasser, Malz, Hefe sowie würzenden und konservierenden Beimischungen – heute fast ausschließlich Hopfen – ist gleich geblieben. Eines der erfolgreichsten Biere der Neuzeit, das Pils, wurde vor genau 175 Jahren im böhmischen Pilsen von einem bayerischen Braumeister erfunden.

Vor 175 Jahren zum ersten Mal ausgeschenkt: Das Pilsner Bier ist nach wie vor die beliebteste Biersorte in Deutschland. Foto: DBB

Vor 175 Jahren zum ersten Mal ausgeschenkt: Das Pilsner Bier ist nach wie vor die beliebteste Biersorte in Deutschland. Foto: DBB

Josef Groll aus Vilshofen in Niederbayern wurde damals nach Pilsen geholt, um im neu erbauten Bürgerlichen Brauhaus ein qualitätsvolles Bier zu brauen. Am 5. Oktober 1842 setzte er seinen Sud erstmals an, am 11. November, dem Festtag des heiligen Martin, wurde das neue Bier ausgeschenkt – und überzeugte die Pilsener Bürger auf Anhieb. Dass er eine folgenreiche Bier-Erfindung gemacht hatte, dürfte Josef Groll damals noch nicht bewusst gewesen sein.

Schlankes Bier mit goldgelber Farbe

Noch heute ist die historische Sudpfanne im Museum auf dem Gelände der riesigen Brauerei von „Pilsner Urquell“ erhalten. Josef Groll braute sein Bier nicht wie die Pilsner Hausbrauer vorher mit obergäriger, sondern mit untergäriger Hefe. Sie heißt so, weil sie sich nach dem Gärvorgang am Boden des Gärbottichs absetzt.

Josef Groll auf einem Foto vor 1887.

Josef Groll auf einem Foto vor 1887.

Das untergärige Brauverfahren ist erst seit dem 15. Jahrhundert bekannt. Es braucht niedrige Temperaturen und war deswegen nur in den Wintermonaten oder mit dem aufwändigen Einsatz von Natureis möglich. Groll hatte in der väterlichen Brauerei bereits mit der untergärigen Methode experimentiert, die sich in Bayern seit Beginn des 19. Jahrhunderts zunehmend verbreitete.

Für sein neues Bier verwendete Groll ein nur leicht gedarrtes, sehr helles Malz und den aromareichen Saazer Hopfen. Entscheidend für den Geschmack ist auch das weiche Wasser Pilsens. Das feine, spritzige Bier mit seiner goldgelben Farbe und seiner weißen Schaumkrone, der bitter-aromatischen Hopfennote und seinem abrundenden, leicht karamellartigen Malzton kam außerordentlich gut an. Groll selbst verlor bereits 1845 seinen Posten, angeblich wegen seiner rüpelhaften „bairischen“ Manieren, sein Bier jedoch begann einen Siegeszug durch die ganze Welt.

Ein historisches Etikett für das Pilsner Urquell. Bild: Asahi Brands Europe

Ein historisches Etikett für das Pilsner Urquell. Bild: Asahi Brands Europe

Verbesserte Kühl- und Lagermethoden und die Ausbreitung der Eisenbahn begünstigten die Verbreitung. Das „Pilsner Bier“ – zunächst nur eine Herkunftsbezeichnung – wurde zum Exportschlager, erreichte 1863 Deutschland und später Großbritannien und Nordamerika. 1913/14 wurden erstmals über eine Million Hektoliter gebraut. Heute produziert Plzeňský Prazdroj rund zehn Millionen Hektoliter und exportiert in 60 Länder. Seit 2016 ist die Brauerei im Besitz eines japanischen Konzerns.

Durchbruch in Berlin und im Ruhrgebiet

Sehr bald fanden sich Nachahmer des erfolgreichen neuen Biertyps, zunächst in Nordböhmen, dann in Sachsen. In Bayern war wohl die Fürther Brauerei Geissmann der Vorreiter, der zum ersten Mal „Bayrisch Pilsner“ anbot. Vor allem in Franken fasste das Pilsener schnell Fuß.

Zum deutschlandweiten Durchbruch verhalfen dem neuen Biertyp allerdings die Preußen: In Berlin, später auch in den großen industriellen Brauzentren im Ruhrgebiet verbreitete sich der schlanke, helle Biertyp mit seiner bitteren Hopfennote rasch. Das „Pils“ wandelte sich von der Herkunfts- zur Sortenbezeichnung. Die Pilsener Brauer versuchten, diesen Prozess zu verhindern. Doch ihre Unterlassungsklage gegen eine Münchner Brauerei hatte keinen Erfolg: 1899 genehmigte ein Gericht die Sortenbezeichnung „Pilsener“.

Wichtiger Bestandteil des Pilsner Urquells ist der Saazer Aromahopfen. Foto: Asahi Brands Europe

Wichtiger Bestandteil des Pilsner Urquells ist der Saazer Aromahopfen. Foto: Asahi Brands Europe

Im Norden Deutschlands, aber auch im Ruhrgebiet und in Westfalen ist „dat Pilsken“ nach wie vor das gängigste Bier, obwohl sich fast alle Brauereien mittlerweile mit mehr Vielfalt auf den veränderten Geschmack der Biertrinker einstellen.

In Deutschland kommen nach Angaben des Deutschen Brauer-Bundes etwa 53 Prozent des Bierausstoßes von gut 96 Millionen Hektolitern (2016) als Pils auf den Markt. Damit liegt das Pils weit an der Spitze vor dem Export (rund 9 Prozent) und dem Weizenbier (rund 8 Prozent). In Bayern dagegen ist Pils nur eine Biersorte unter anderen – hier haben das Münchner Helle, das traditionelle dunkle Bier, das Weizenbier, das Märzen und Spezialbiere wie das Nürnberger Rotbier oder das Bamberger Rauchbier ihre treue Anhängerschaft.

Vilshofen würdigt den Bier-Pionier

Josef Groll starb am 22. Oktober 1887 in Vilshofen. Lange war über sein Leben kaum etwas bekannt, nun rückt sein Heimatort den Bier-Pionier wieder etwas mehr ins Licht der Öffentlichkeit: Im Juli 2017 eröffneten dort die „BierUnterwelten“ in einem erst vor kurzem wiederentdeckten Felsenkeller mit einem 90 Meter langen Gewölbegang. Zu einem Ausstellungsraum restauriert, informiert diese Unterwelt über alles rund um die Wirtshauskultur, die städtische Brauereigeschichte und den berühmten Sohn Vilshofens, Josef Groll. Der Rundgang endet in der Wolferstetter Brauerei, in der ein Teil der früheren Groll’schen Brauerei aufgegangen ist und die mit einem „Josef Groll Pils“ an den Braumeister erinnert.

Holzfässer im Brauereikeller in Pilsen. Foto: Asahi Brands Europe

Holzfässer im Brauereikeller in Pilsen. Foto: Asahi Brands Europe

In Pilsen lässt sich das Prazdroj heute noch unfiltriert und nicht pasteurisiert aus dem riesigen Holzfass im historischen Lagerkeller genießen. Auch in der Bierstube „Na parkanu“ beim Brauereimuseum wird der traditionsreiche Gerstensaft in dieser ursprünglichen Form ausgeschenkt – und die Pilsener sind stolz, den Geschmack so erhalten zu haben, wie ihn Josef Groll 1842 entwickelt hat.

Bis heute, so heißt es, wird ein Abkömmling des Hefestamms verwendet, den Groll damals mitgeführt hat. Allerdings gibt es in Pilsen noch eine andere Tradition: Ihr zufolge soll Groll schon 1840 als Lohnbrauer in Pilsen tätig gewesen und seinen Sud eingebraut haben. Die Hausbrauerei Groll Pivovar erinnert an diese Geschichte – ob Wahrheit oder Legende, wird sich wohl nie mehr entscheiden lassen.

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Über Werner Häußner

Redakteur, Musikkritiker, schreibt u.a. für WAZ (Essen), Die Tagespost (Würzburg), Der Neue Merker (Wien) und das Online-Magazin www.kunstmarkt.com.
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