„Krawomm, Tatatat, Zischzasch“ – der deutsche Afghanistan-Einsatz als Comic

Seit 10 Jahren verteidigen deutsche Truppen unsere Freiheit am Hindukusch. Doch der Einsatz der Bundeswehr ist hierzulande umstritten und wird mit jedem toten Soldaten in Frage gestellt. Ob das Buch, das jetzt unter dem Titel „Wave and Smile“ erschienen ist, eine Argumentationshilfe in der Debatte um das Für und Wider des Bundeswehr-Einsatzes sein kann, scheint auf den ersten Blick zweifelhaft. Denn der Autor und Zeichner Arne Jysch thematisiert den Afghanistan-Krieg mit den Mitteln der Graphic Novel und der Ästhetik von Comics.

„Wave and Smile“ („Winken und Lächeln“), das war lange Zeit die Strategie der ISAF-Truppen in Afghanistan, wenn sie ihre militärischen Camps verließen und sich unters afghanische Volk mischten: Das hat sich als ziemlich naiv und tödlich erwiesen, denn die Taliban sind längst nicht besiegt. Im Gegenteil. Die Sicherheitslage hat sich dramatisch verschlechtert, auch im nördlichen Afghanistan, in der Region um Kunduz, also dort, wo die Geschichte der Graphic Novel spielt und die Bundeswehr stationiert ist, die sich heute nur noch in gepanzerten Wagen und schwer bewaffnet vor die Tür wagt und ein ständiges Ziel von terroristischen Attacken ist. Schon der Titel „Wave and Smile“ ist ein ironischer Abgesang auf die verlogene Kriegsstrategie und ein erster Hinweis, dass da etwas schief läuft mit der Bundeswehr in Afghanistan.

Arne Jysch hat sich eine dramatische, von Tod und Terror, von Liebe und Verrat handelnde Geschichte ausgedacht. Die drei Hauptpersonen, Hauptmann Chris, Hauptfeldwebel Marco und Fotoreporterin Anni, erdulden die Tristesse und Einsamkeit des Alltags im Bundeswehrcamp in Kunduz und werden bei ihren Einsätzen in blutige Kampfhandlungen verwickelt. Bei einem Gefecht wird Marco von den Taliban entführt, Chris traumatisiert und zur Heilung nach Deutschland geschickt. Doch dort wartet nur die Scheidung von seiner Frau auf ihn und die quälende Frage, was aus seinem Freund geworden sein mag. Also entschließt sich Chris, als Privatperson nach Afghanistan zurückzukehren und auf eigene Faust und mit Hilfe von Fotografin Anni nach Marco zu suchen.

Jysch erzählt in der Bildsprache eines realistischen Comics: die Zeichnungen der Soldaten, der Waffen, der Saufgelage im Camp und des Verhaltens Kampf wirken authentisch, jede Figur hat eine eigene Kontur, man merkt deutlich: Jysch hat sich Rat geholt bei Fotografen und Filmemachern. Auch hat er wohl viele Informationen bekommen von der Presseabteilung der Bundeswehr. Die immer wieder eingeflochtenen Debatten über die Kampfstrategien und Kriegsziele versuchen ein möglichst großes Argumentationsspektrum abzudecken und verzichten auf billige Phrasen. Der Comic versammelt ca. 1000 einzelne Bilder, bietet knallige Sprechblasen, deftige Wortfetzen und Lautmalereien. Vor allem wenn geschossen wird und Bomben krachen, fliegen riesige Buchstaben mit viel Krawomm, Tatatat und Zischzasch durchs Bild.

Aber eine Auftragsarbeit oder ein Gefälligkeitsbuch ist es nicht, denn der Einsatz der Bundeswehr und die Gesamtstrategie der ISAF wird in all ihren Widersprüchen und Ungereimtheiten geschildert. Wer sich als potentieller Rekrut am Ballern labt, kommt zwar auf seine Kosten, muss aber mit ansehen, dass er als Soldat für politisch zweifelhafte Zwecke missbraucht und verheizt wird. Und wenn Hauptmann Chris einem an seiner Mitarbeit interessierten Amerikaner entgegnet: „Nein, Ihren Krieg, den dürfen Sie ohne mich verlieren“, ist die Anti-Kriegs-Botschaft des Comics auch mehr als deutlich. Jysch hat kein geschmackloses Rekrutierungspamphlet verfasst und gezeichnet, sondern einen durchaus kritischen, wenn auch nicht klischeefreien Comic zum Krieg in Afghanistan. Auf welche Leserschaft er abzielt, ist allerdings ein kleines Rätsel.

Arne Jysch: „Wave and Smile“. Carlsen Verlag, Hamburg. 208 S., 24,90 €

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