Gerhard Richter und seine Aura

Zunächst einmal ganz nüchtern, klipp und klar gesagt: Gerhard Richter stellt in der Duisburger Küppersmühle aus. Doch kann man so seine Begeisterung bändigen?

Diese Ausstellung hält, was der große Name verspricht. Da ohnehin kundige Kunstfreunde von nah und fern hierher pilgern werden, schenke ich mir mal eine „klassische Rezension“ mit den handelsüblichen Lobpreisungen.

Stattdessen dies: Bei der gestrigen Vorbesichtigung zeigte sich abermals das erstaunliche Phänomen einer inzwischen weitgehend fraglosen Richter-Verehrung, der man sich selbst nur schwer entziehen kann. Gestandene Journalisten und äußerst wählerische Kunstkritiker, die sonst schon mal gern die Nase rümpfen, werden da flugs zu gläubigen Jüngern. So mochte es auch gestern scheinen.

Jedes Wort aus dem Munde des Meisters wird da dankbar lächelnd als quasi-priesterliche Weisheit empfangen. Tatsächlich nehmen einen ja immer wieder seine völlig uneitle Art und sein leiser Humor für diesen Künstler ein. Doch das ist es nicht allein. Offenkundig umgibt ihn eine Aura aus weltweitem Erfolg mit nahezu religiösem Anhauch. Gerhard Richter – eine Art Dalai Lama der Kunstwelt? Einer, auf den sich alle freudig strahlend einigen können? Mh. Wer weiß. Er selbst würde es ungern hören.

Der Rundgang durch die Säle gerät in Richters Gefolge gleichwohl zur kunstfrommen Prozession. Wer immer da in der Gemeinde demutsvoll sinnend einher schreitet, muss dies vor sich selbst und seinen Kolleg(inn)en ein klein wenig ironisieren – aber bitte auch nicht zu sehr. Ein Redakteur fühlt sich an eine halbgöttliche Chefarztvisite bei den Bildern erinnert. Nicht ganz verkehrt. Nur dass Richter sich solche Rollen bestimmt nicht anmaßt. Sie werden ihm zugesprochen, zugemessen. Mal stillschweigend, mal marktschreierisch.

Ich bin schon eine lange Reihe von Jahren im berichtenden Gewerbe. Doch noch nie habe ich eine Kunst-Pressekonferenz erlebt, bei der die versammelte Kulturjournaille (ganz gleich, ob Text oder Bild) schließlich samt und sonders die Katalog-Exemplare signieren lassen wollte. Solch profanes Begehr gilt für gewöhnlich als fachfremd und naiv. Genug davon. Es gibt zu denken. Und natürlich schließe ich mich da selbst nicht aus.

Hier aber doch noch ein paar strohtrockene Fakten zur Ausstellung: Gerhard Richter hat seine Bilder in der Küppersmühle höchstselbst gehängt. Somit ist die von Götz Adriani konzipierte Schau mit ihren bezwingenden Raumfolgen vom Urheber mit Hingabe autorisiert worden. Und sie ist zur facettenreichen Retrospektive angewachsen, denn man sieht hier beispielhafte Gemälde aus allen Schaffensphasen seit 1963. Quellen sind drei große Privatsammlungen: Böckmann (Berlin), Frieder Burda (Baden-Baden) und Ströher (Darmstadt). Welches Museum bietet mehr?

Das Spektrum der rund 80 (teils großformatigen) Arbeiten reicht vom fotorealistischen Bild bis zur furios farbsprühenden Abstraktion. Laut Richter selbst gibt es da eh keinen substanziellen Unterschied, denn all das entstehe just aus Farb- und Form-Elementen. Was also mit gleichen Mitteln geschaffen wird, könne auch mit gleichem Sinn betrachtet werden. Gut denn. So sei es.

Gerhard Richter. Bilder aus privaten Sammlungen. Museum Küppersmühle, Duisburg, Philosophenweg 55 (Innenhafen). 21. Mai bis 23. August. Geöffnet Mi 14-18, Do 11-18 Uhr, Fr nach Vereinbarung, Sa/So/Feiertage 11-18 Uhr. Führungen sonntags 11 und 15 Uhr, Anmeldung Tel.: 0203/3019 4812. Katalog 24 €. Internet: http://www.museum-kueppersmuehle.de

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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