Er kann’s noch! – Gerhard Polt und die Well-Brüder in Dortmund

Er kann’s noch. Und wie! Wenn er – scheinbar leutselig – von seinem Nachbarn (mit leicht verächtlichem Tonfall: „ein Künstler“) erzählt, der sich nicht an die im Viertel geltende Grillverordnung hält, dann muss man zwar lachen, aber es könnte einem auch kalt den Rücken herunterlaufen, so gemütlich-gefährlich wirkt dieser überwachwütige Mann.

Weisheit und Witz: Gerhard Polt. (Foto: Mario Riener)

Weisheit und Witz: Gerhard Polt. (Foto: Mario Riener)

Ja, wir reden von Gerhard Polt, der jetzt im feinen Rahmen des Dortmunder Konzerthauses mit famoser musikalischer Begleitung auftrat. Die drei „Well-Brüder aus’m Biermoos“ beherrschen nicht nur alle möglichen Instrumente von der Querflöte bis zum Alphorn, sie überschreiten auch spielerisch manche Gattungsgrenzen zwischen gehobener Folklore, Jazz und Klassik. So dargeboten, ist das bajuwarische Musikidiom durchaus satisfaktionsfähig – auch international, etwa im ebenbürtigen Dialog mit schottischem Folk.

Wie soll man Polt eigentlich nennen? Einen Comedian? Ist er nicht. Einen Satiriker? Naja, vielleicht auch. Einen Volkskünstler im besten Sinne? Das schon eher. Polt ist eben Polt und sucht Seinesgleichen. An der eigentlich müßigen Benennungsfrage beißt man sich eh die Zähne aus.

Solche Sätze über finstere Gepflogenheiten muss man jedenfalls erst einmal hinbekommen: „Das Köpfen ist doch ein alter Hut…“ Oha!

Wie scheinbar arglos er dann von der Leber und gleichsam vom Leberkäs weg redet. Wie er den gütigen Großvater gibt, der seinem Enkel („Bubi“) die rechte „Demokratie“ beibringen will, die selbstredend von strikter Leitkultur und Schlimmerem geprägt ist. Die möglichen Folgen sind am Ende sogar dem Opa nicht mehr ganz geheuer: Was bastelt der Bub da drüben eigentlich mit seinem Freunden? Es wird doch nichts Brennbares oder Explosives sein?

Gerhard Polt (2. v. li.) und die hochmusikalischen Well-Brüder. (Foto: HP Hösl)

Gerhard Polt (2. v. li.) und die hochmusikalischen Well-Brüder. (Foto: HP Hösl)

In all dem erweist sich Polt als Meister der haarfein unterschiedenen Tonfälle, auch wenn diese selbst schon mal grob ausfallen. Der ins Groteske ausgreifende Duktus eines indischen Bischofs, der in der bayerischen Diaspora den fast schon verschwundenen Katholizismus wiederbeleben soll, steht ihm ebenso zu Gebote wie ein afrikanischer Wechselgesang, der ihn zum überraschend grazilen Tanz animiert. Fast scheint es so, als ob er frohen Sinnes schwebe.

Ist Gerhard Polt (Jahrgang 1942) etwa milder, gelassener und toleranter geworden? Manchmal könnte es einem so vorkommen. Zwar gibt’s im Programm ein paar „Spitzen“ gegen die Herren Seehofer und Söder, doch die muten relativ harmlos an. Man muss ja auch nicht allweil „draufhauen“, das Subtilere geht wahrscheinlich mehr unter die Haut und ins Hirn. Beispielsweise mit der Nummer, in der Polt als – mh, nun ja – irgendwie ein bisschen arg korrupter Landrat vorstellig wird.

Um das Publikum eingangs einzustimmen, haben sich Polt und die Well-Brüder (via Google?) mit ein paar Dortmunder Gegebenheiten vertraut gemacht. Sie wollen halt der „Perle am Ufer des Phoenixsees“ gerecht werden, streuen ein paar fußballerische Bemerkungen ein und versichern aber so was von glaubhaft, dass das Dortmunder Publikum deutlich besser sei als jenes in Gelsenkirchen.

Später haben wir dann – mindestens ebenso glaubhaft – gelernt, dass der ruhmreiche Händel einst durchs vielfach angepriesene oberbayerische Örtchen Hausen (Heimat der Well-Brüder) gereist sei und daselbst flugs eine „Feuerwehrmusik“ komponiert habe, die nun zum 125jährigen Jubiläum der Freiwilligen Feuerwehr zu Gehör gebracht wird. Ein Schlawiner, dieser Händel. Oder hat jemand Einwände?

Langer und herzlicher Beifall.

Und wohin kommen sie noch auf ihrer Tournee? Hier kann man nachschauen: https://polt.de/termine/

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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