Die Liebe zur alten Maschinenhalle: Marie Zimmermann stellt sich als künftige Intendantin der RuhrTriennale vor

Von Bernd Berke

Düsseldorf. So etwas fällt heutzutage richtig auf: Marie Zimmermann (50), die künftige Chefin des Kulturfestivals RuhrTriennale, ist passionierte Kettenraucherin. Als sie sich gestern in Düsseldorf der Presse vorstellte, zündete sie sich etliche Glimmstengel an.Viel Rauch um nichts?

Im Gegenteil: Man ahnt, dass sie einiges bewegen könnte im Revier. Sie kommt nicht mit fertigen Weltbildern oder dröhnenden Gewissheiten daher, sondern entwickelt neue Einsichten offenbar im behutsamen Dialog. Überdies scheint sie eine gute Zuhörerin zu sein und (gesellschaftspolitisch akzentuiert) über die Grenzen der Kulturszene weit hinaus zu denken. Weitere Basis-Qualifikation für die Region: Auch mit Fußball kennt sie sich aus. Na, bitte.

Von Wien ins Revier

Sie steht vor einer großen Herausforderung: Von 2008 bis ins erhoffte Kulturhauptstadt-Jahr 2010 soll sie die Geschicke der Triennale leiten. Über größere Zeiträume mag sie noch nicht nachdenken. Man wird sehen. Im Frühjahr 2007 will sie von Wien, wo sie derzeit den Schauspielbereich der Wiener Festwochen leitet, ins Ruhrgebiet ziehen.

Spekulationen, Marie Zimmermann werde die Intendanz einer etwaigen Europäischen Kulturhauptstadt Essen/Ruhrgebiet gleich mit übernehmen, erübrigen sich. Im Fall des Falles werde die Triennale zur „Hauptstadt“ wesentliche Beiträge leisten. Doch die langjährige Theaterdramaturgin, die nicht selbst Regie führt, stellt auch klar: „Hier muss ein präziser Kreidestrich gezogen werden.“ Sprich: Sie steht für eine klare Abgrenzung der Kompetenzen. Erst müsse jede Institution für sich wirken, dann kämen Gemeinsamkeiten. Dies gelte auch fürs Verhältnis zu den Ruhrfestspielen.

Die besondere Melodie der Region

Die Spielstätten der Triennale, zumeist frühere Industrie-Bauten, haben es ihr schon jetzt angetan. Einige dieser Orte hätten eine geradezu majestätische Aura. Spezielle Liebe auf den ersten Blick: die Maschinenhalle Zweckel in Gladbeck.

„Ich bin eine enthusiastische Regionalistin“, bekennt Zimmermann. Sie werde sich im Revier auf „sucherische Heimatkunde“ verlegen, sich ausgiebig umsehen. Sie nehme das Ruhrgebiet als „lebendige, teilweise auch bedrängte“ Gegend wahr. Die besondere „Melodie“ der Region solle künftige Triennale-Produktionen prägen. Und dann zitiert sie eine Buchweisheit, die auch auf hiesige Breiten anwendbar sein könnte: „Die Desillusionierung ist die haltbarste Form der Erkenntnis.“ Vom Aufbruch reden wir später einmal.

Auch die Freie Szene einbeziehen

Natürlich ist es noch zu früh, um konkrete Einzelheiten zu nennen. Doch will sie erstmals auch der Bildenden Kunst Auftritte bei der Triennale verschaffen – vielleicht in kreativer Verknüpfung mit Theater und/oder Musik.

Obwohl sie keine direkte Erfahrung mit Musiktheater hat, möchte sie diese Sparte weiter pflegen. Sie verlässt sich dabei keineswegs auf frühe hausmusikalische Praxis (als Jüngste von sechs Geschwistern), sondern vor allem auf fachkundige Berater. Gut möglich, dass Marie Zimmermann Projekte aus der „Freien Szene“ rekrutiert, hohes Niveau vorausgesetzt. Sie ist bekannt für Aufgeschlossenheit in diese Richtung.

Doch das Festival (Etat: 38 Millionen Euro pro Dreijahres-Turnus) könne keinen Ausgleich für jede finanziell gebeutelte Truppe schaffen: „Die RuhrTriennale ist nicht das Bankhaus der Szene, und bin nicht die Schnittmenge aus Mutter Teresa und dem Weihnachtsmann.“

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HINTERGRUND

Erfahrung mit anderen Theaterfestivals

  • Die RuhrTriennale wurde 2002 gegründet.
  • Ein Festivaldurchgang umfasst je drei Spielzeiten.
  • Bisherige Intendanten:. Gérard Mortier (2002-2004) und Jürgen Flimm (2005-2007).
  • Die künftige Triennale-Chefin Marie Zimmermann wurde 1955 in Simmerath (bei Aachen) geboren.
  • Sie studierte Germanistik, Philosophie und Soziologie, war freie Journalistin.
  • Über die Leitung einer Pressestelle (Stadtwerke Aachen) kam sie als Pressesprecherin zur Landesbühne Esslingen – Beginn ihrer Theaterlaufbahn.
  • Sie hat u. a. die Festivals „Theaterformen“ (Hannover/Braunschweig) und „Theater der Welt“ (Stuttgart) geleitet.

 

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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