Schwarzgelb getränkt

Vor Jahresfrist war hier schon die Rede davon, dass – als Grundzug im Leben – gleich hinter der Erfüllung ein kaum merklicher Anflug der Enttäuschung lauern mag. Damals war die siebte deutsche Fußballmeisterschaft von Borussia Dortmund der Anlass, diesmal ist es die achte, die ein paar Worte hervorruft. Wer hätte das vor drei oder vier Jahren für möglich gehalten?

Wenn man seine ersten Dortmunder Stadionbesuche noch als Kind in der „Roten Erde“ absolviert hat, freut man sich natürlich zutiefst. Doch manchmal hätte man es jetzt gern eine Spur verhaltener. Die Regionalzeitungen im Dortmunder Dunstkreis haben es übertrieben. Sie sind heute von vorne bis hinten schwarzgelb getränkt und komplett durchjubelt. Ein Overkill. Bereits jetzt laufen ziemlich viele Leute (und längst nicht nur Kinder) alltags in BVB-Farben durch die Stadt, als wär’s die normalste Kleidung. Von der Klitsche bis zum Konzern will jede Firma bekunden, dass auch sie mit den Borussen schwerstens sympathisiere. Eine Stadt dreht durch. Vorerst bis zum Pokalfinale am 12. Mai.

Nun warnen – von außerhalb – nicht wenige Journalisten vor den Gefahren der Übersättigung. Da wird geunkt, die Dortmunder Mannschaft sei künftig womöglich nicht mehr „hungrig“ und gierig genug, um einen weiteren Titel anzusteuern. Eine Formel, auf die man sich vielfach geeinigt hat, einer plappert sie dem anderen nach. Wir werden sehen. Wenigstens international muss der BVB ja noch einiges zurechtrücken.

Die Süddeutsche Zeitung aus München hält es (etwa aus schierer Missgunst?) allerdings nicht einmal für nötig, die Entscheidung um die Meisterschaft auf ihrer heutigen Titelseite auch nur zu erwähnen. Souverän ist das nicht. Das Thema bleibt allein dem Sportteil vorbehalten. Diese absurde Abstinenz hat das Blatt, das jüngst abermals die ganze graue Ruhrgebiets-Tristesse auf seiner Seite 3 lang und breit geschildert hat, sozusagen exklusiv. Vielleicht folgt ja noch der übliche Bericht, in dem bescheinigt wird, wie überaus nötig die geschundene Revierseele solche Erfolg im Fußball brauche.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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4 Antworten zu Schwarzgelb getränkt

  1. Spieler7 sagt:

    Danke! Ich bin verhalten optimistisch, aber so leicht, wie sich das mancher vorstellt wird es nicht.

    Vielleicht ist der BVB nächstes Jahr auch ein bisschen länger mit dabei?

  2. Bernd Berke sagt:

    @Spieler 7: Das müssen aber ganz hartleibige Leser gewesen sein. — Danke für die Glückwünsche. Und good luck gegen die Maurermeister von Chelsea.

  3. Spieler7 sagt:

    In Leserkommentaren wurde die Sueddeutsche schon als BVB-Hauspostille bezeichnet. So unterschiedlich ist die Wahrnehmung!

    P.S.: Glückwunsch zur Meisterschaft von einem Bayern-Fan. 🙂

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