Wer die Kulturhauptstadt beflügelt – Leitende Akteure der Ruhr 2010 GmbH stellten sich erstmals gemeinsam vor

Von Bernd Berke

Essen. Allzu viel Konkretes können sie naturgemäß noch nicht verraten – die frisch berufenen Leute vom Direktorium der Kulturhauptstadt 2010. Erst ab 1. April walten sie ihrer Ämter. Doch gestern, als sie sich erstmals gemeinsam öffentlich zeigten, konnte man schon mal Atmosphäre schnuppern: Und wenn nicht alles täuscht, so riecht es nach Aufbruch.

Derzeit noch WDR-Intendant, bald schon Vorsitzender Geschäftsführer der Kulturhauptstadt-GmbH: Angesichts dieser neuen Lebenslage bekennt Fritz Pleitgen: „Ich fühle mich, als wäre ich auf einen fahrenden Zug aufgesprungen. Aber ich bin noch gelenkig.“ Er habe überdies bereits gemerkt, „dass die Chemie zwischen uns allen stimmt“ – und blickt als wohlwollender Patriarch in die Runde seiner Mitstreiter bei der Ruhr 2010 GmbH. Der zweite Geschäftsführer, Essens zuletzt etwas beiseite gerückter Kulturdezernent Oliver Scheytt, pflichtet bei: „Seit Anfang Januar bin ich ein glücklicherer Mensch.“

Dieter Gorny stößt mächtig ins Horn

Überhaupt macht sich Euphorie breit. Einmütig und mit leuchtenden Augen versichern die vier neuen Sparten-Direktor(inn)en, die gleich unterhalb der Geschäftsführer angesiedelt sind, wie leidenschaftlich sie ihre neuen Aufgaben ansteuern wollen. Die (just wie Fritz Pleitgen) in Duisburg-Meiderich geborene Deutsch-Türkin Asli Sevindim (Spezialthema: Kultur und Migration) fühlt sich in erster Linie als „Ruhri“. Aus ihrem Munde klingt es nach neuen Horizonten.

Bochums Orchesterchef Steven Sloane (zuständig für die „Stadt der Künste“) kommt direkt aus Chicago und versprüht geradezu amerikanischen Optimismus im Hinblick auf die Kulturhauptstadt Ruhrgebiet. Der Musikmanager Dieter Gorny (Fachgebiet: „Kreativwirtschaft“) trifft verspätet aus Cannes ein und stößt mächtig ins Horn: „Das Ruhrgebiet ist schon jetzt eine einzigartige Metropole. Es gibt in ganz Europa keinen besseren Ort. Deshalb wohne ich immer noch hier.“

Keine „Aufmerksamkeits-Erregungs-Anstalt“

Es scheint, als hätte die Kulturhauptstadt, die Ende 2006 ein wenig kraftlos zu dümpeln schien, gleichsam über Nacht vielfache Flügel bekommen. Man hat das Gefühl: Das jetzige Team, zu dem bald noch weitere Experten stoßen werden, könnte es tatsächlich packen. Falls das Arbeitsklima auch hinter den Kulissen entspannt und begeistert bleibt wie der gestrige Kollektiv-Auftritt vor der Presse, so muss einem darum wohl nicht bange sein.

Fritz Pleitgen („Ich komme nicht als Missionar hierher“) benennt das hehre Ziel: Das Revier müsse im Zuge des Hauptstadt-Jahres 2010 als Kulturregion weltbekannt werden. Nicht mit Getöse, sondern mit Qualität und Substanz: „Wir verstehen uns nicht als Aufmerksamkeits-Erregungs-Anstalt.“ Und: „Unser Kollegium ist keine geschlossene Gesellschaft. Wir wollen alle mitnehmen auf dem Weg nach 2010.“

A April dürften sich die Programme der Kulturhauptstadt nach und nach präziser abzeichnen. Rund 400 Projektvorschläge sind bereits vorsortiert, etwa 30 davon werden bald näher unter die Lupe genommen. Fritz Pleitgen macht Tempo: „Mitte 2008 sollen die wesentlichen Programmpunkte stehen.“

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PROFILE

Ein Team mit vielen Erfahrungen

  • Geschäftsführer derKulturhauptstadt-GmbH Ruhr 2010 sind Fritz Pleitgen und Oliver Scheytt.
  • Die vier Spartenchefs:
  • Dieter Gorny, geboren 1953 in Soest. 1985-1989 Leiter des Rockbüros NRW. 1989-1991 Geschäftsführer der Popkomm-Messe. 1993-2005 Geschäftsführer des Musiksenders Viva.
  • Steven Sloane, geboren 1958 in Los Angeles. Nach vielen Jahren in Israel ab 1988 Kapellmeister an der Oper Frankfurt. Seit 1994 Orchesterchef in Bochum. Zahlreiche Gastauftritte in aller Welt.
  • Karl-Heinz Petzinka, geboren 1956 in Bocholt. 1982 Architekt im Büro O. M. Ungers, Köln. 1994 Gründung des eigenen Architektur-Büros. Bauten: CDU-Bundesgeschäftsstelle (Berlin), Stadttor (Düsseldorf), Hauptverwaltung Deutsche Telekom.
  • Asli Sevindim, geboren 1973 in Duisburg. Moderatorin beim WDR, u. a.„Funkhaus Europa“, „Aktuelle Stunde“, „Cosmo TV“.
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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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