Schlagwort-Archive: Kenneth Mattice

Sehnsüchte und Selbsttäuschungen: Mit Peter Eötvös‘ Oper „Tri Sestri“ nach Tschechow wächst das Theater Hagen über sich hinaus

„Drei Schwestern“: Dorothea Brandt (Irina), Maria Markina (Mascha), Lucie Ceralova (Olga). (Foto: Leszek Januszewski)

Bis in die siebziger Jahre hinein waren sie in Mode und in jedem gepflegten Haushalt anzutreffen: Runde Deckchen, gehäkelt oder bunt bedruckt, schmückten Tischchen, Vitrinen, Buffets. Die Familie Prosorow macht es sich in Friederike Blums Inszenierung der Oper „Tri Sestri“ von Peter Eötvös im Theater Hagen auf einem solchen Accessoire der Gemütlichkeit bequem.

Eine mehrdeutige Chiffre mitten in der kargen Raffinesse von Tassilo Tesches Bühne. Sie steht für den trügerischen Schein des Äußerlichen, für den vergeblich gesuchten Schutzraum vor den Stürmen der Welt und der eigenen Gefühle, für Sehnsüchte und Selbsttäuschungen. Andrej, der gescheiterte Bruder der „Drei Schwestern“, wird sich darin einhüllen wie in einen Schutzmantel.… Weiterlesen

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Facetten der Einsamkeit – von Haydn bis Marilyn Monroe: Gelungener Opern-Doppelabend am Theater Hagen

Auch am Theater Hagen erzwang die Corona-Pandemie eine umfassende Revision der Pläne zunächst für die erste Hälfte der Saison 2020/21.

Eine Ikone des 20. Jahrhunderts greift ein Opern-Doppelabend am Theater Hagen auf: Marilyn Monroe. (Foto: Klaus Lefebvre)

Die Spielzeit-Vorschau, ein hübsches rotes Kästchen, enthält für jedes Projekt aus den Sparten ein loses Blatt, das ausgetauscht werden kann, wenn Intendant Francis Hüsers und sein Team infolge der Corona-Schutzmaßnahmen umplanen müssen. Für die Zeit bis Dezember war das bereits der Fall: Die Schlachtschiffe des Repertoires stehen im Trockendock bereit, zu einem späteren Zeitpunkt gefahrlos auszulaufen. Der Ersatz, klein, kurz und flexibel, macht aber ebenfalls Freude. Krisen fördern zuweilen Kreativität: Wie wäre es sonst zu einem Doppelabend mit Joseph Haydns „L’Isola disabitata“ und … Weiterlesen

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Das lachende Glück lässt auf sich warten: Franz Lehárs Operette „Der Graf von Luxemburg“ in Hagen

Das ist ja sowas von Neunzehnhundertachtzig! Roland Hüve nimmt sich am Theater Hagen Franz Lehárs einstigen Erfolg „Der Graf von Luxemburg“ vor und macht daraus genau den Operettenjux, der damals einem Publikum jenseits altmodischer Unterhaltungsbedürfnisse das Vergnügen an der Gattung vermiest hat. Liri, liri, lari, der ganze Spaß geht tschari – aber alles der Reihe nach.

Melancholie auf der Mondsichel: Kenneth Mattice als Graf von Luxemburg in Hagen. Foto: Klaus Lefebvre

Melancholie auf der Mondsichel: Kenneth Mattice als Graf von Luxemburg in Hagen. Foto: Klaus Lefebvre

Dabei signalisiert der Anfang, es könnte sich jemand etwas gedacht haben: Der titelgebende Graf René schaukelt auf einer Mondsichel und der blonde Tod grüßt den Nachdenklichen, bevor der Karneval von Paris explodiert – oder explodieren sollte. Denn schon dieses erste Bild ist brav aufgestellt, der Chor gestikuliert wie in … Weiterlesen

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Operetten-Passagen (11): Jacques Offenbachs „Pariser Leben“ – goldener Flitter in der grauen Nässe von Hagen

"Pariser Leben" von heute: Richard van Gemert (Gardefeu), Veronika Haller (Christine von Gindremarck), Boris Leisenheimer (Clochard). Foto: Klaus Lefebvre.

„Pariser Leben“ von heute: Richard van Gemert (Gardefeu), Veronika Haller (Christine von Gindremarck), Boris Leisenheimer (Clochard). (Foto: Klaus Lefebvre)

Zu ihrer Zeit waren Jacques Offenbachs Operetten topaktuell – und deswegen klappt es mit der Modernisierung meistens nicht. Zwischen laschem Historismus und bemühter Zeitgenossenschaft führt eine tückische Straße geradewegs in Belanglosigkeit, glitschig glatt gepflastert mit schalen Humor-Versuchen.

Offenbach zu inszenieren gehört in die Königsklasse, und an Figuren wie die Großherzogin von Gerolstein mit ihrer Entourage oder König Bobèche in den Gedärmen seiner Macht scheitern Regisseure unter Umständen erbärmlicher als an Parsifal oder Elektra. In Hagen ist nun unter der Hand von Holger Potocki einer der geglückteren Offenbach-Abende zu erleben.

Das Glück mag darin liegen, dass Potocki jede Form von Historismus meidet … Weiterlesen

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Einsam auf der Höhe der Kunst: Ernst Kreneks „Jonny spielt auf“ am Theater Hagen

Jonny (Kenneth Mattice) schwebt ein - und spielt auf. Foto: Klaus Lefebvre

Jonny (Kenneth Mattice) schwebt ein – und spielt auf. Foto: Klaus Lefebvre

Nein, eine optimistische Oper ist Ernst Kreneks „Jonny spielt auf“ nicht. Auch wenn der Komponist selbst in seinem Bandgeiger aus Amerika eine Figur des Urwüchsigen, Ursprünglichen und Freien gesehen hat. Roman Hovenbitzer inszeniert am Theater Hagen – im Vorgriff auf den 25. Todestag des Komponisten – die fast neunzig Jahre alte Erfolgsoper äußerlich als Künstlerdrama, im Kern aber als ein Stück über gespaltene Welten und Selbsttäuschungen.

Max, der Komponist, ersteigt einen Gletscher, bewegt sich auf der Bühne von Jan Bammes in einem weiß erstarrten, zerklüfteten Gebirge aus gestapelten Partituren vor einer abweisend geschlossenen, riesigen Eiswand. Er steht auf der Höhe seiner Kunst, aber erstarrt und einsam. Die Begegnung … Weiterlesen

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Versöhnung im Sterben: Charles Gounods „Faust“ gelingt am Theater Hagen

Rolf A. Scheider (Méphistophéles) und Marylin Bennett (Marthe). Foto: Klaus Lefebvre

Rolf A. Scheider (Méphistophéles) und Marylin Bennett (Marthe). Foto: Klaus Lefebvre

Charles Gounods „Faust“ stand lange unter Kitschverdacht, vor allem bei literarische Gebildeten in Deutschland: Die Konzentration des komplexen „Faust“-Stoffes auf die Liebestragödie, die Abkunft von einem französischen Boulevard-Stück, der Transfer der musikalischen Diktion aus der „Großen Oper“ und die Spuren der tragischen Frauen Donizettis – all das rückte Gounods Werk in abschätziges Zwielicht, ausgedrückt auch durch den lange gebräuchlichen deutschen Titel „Margarethe“.

Seit einer Generation hat sich die Rezeption gründlich verändert, „Faust“ wird nicht mehr länger unsinnigerweise an Goethe gemessen, Gounods Musik unvoreingenommen betrachtet und geschätzt. Dafür haben die Regisseure erhebliche Probleme mit den religiösen Bezügen in der Oper des überzeugten Katholiken Gounod. Der Erlösungsschluss als befremdendes Element will … Weiterlesen

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