Archiv des Autors: Werner Häußner

Über Werner Häußner

Redakteur, Musikkritiker, schreibt u.a. für WAZ (Essen), Die Tagespost (Würzburg), Der Neue Merker (Wien) und das Online-Magazin www.kunstmarkt.com.

Seelische Zerstörung: Floris Vissers penetrantes Bildertheater für Mozarts „Idomeneo“ in Köln

In der Gummizelle: Kathrin Zukowski (Ilia), Kinderstatist, Anna Lucia Richter (Idamante), Peter Bermes (Idomeneo). (Foto: Sandra Then)

Der alte Mann entkommt seiner Zelle nicht. Auf weiße gepolsterte Wände zeichnet er mit nervösem Strich immer wieder das gleiche Männchen, mit einem Dreizack in der Hand. Beim Familienbesuch rastet er aus, muss mit einer Spritze ruhiggestellt werden.

Floris Visser führt während der Ouvertüre von Wolfgang Amadeus Mozarts „Idomeneo“ die Titelfigur als einen Gezeichneten ein. Kein herkömmliches Regietheater-Irrenhaus-Setting: Denn die Zelle weitet sich, eröffnet einen Hintergrund in hyperrealistischem Licht, mit dem James Farncombe die felsige Strandlandschaft der Bühne Jan Philipp Schlößmanns in überzeichnet scharfe Konturen taucht. Der Naturalismus eines „Schauplatzes“ wird so ausgehebelt; der alte Mann, unschwer als Idomeneo zu identifizieren, beginnt durch … Weiterlesen

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Magie des vollendeten Tons: Joyce DiDonato und das Ensemble „Pomo d’oro“ in der Philharmonie Essen

Joyce DiDonato als Irene in Georg Friedrich Händels„Theodora“ 2021 in der Philharmonie Essen. (Foto: Sven Lorenz)

Kaum merklich schwebt der Ton im Saal, nimmt allmählich Gestalt an, verdichtet sich, klingt erfüllt und leuchtend – und dann schwingt er sich auf das Wort und trägt es in den Raum. Joyce DiDonato stimmt die Klage der verlassenen Königin Dido an.

Der Tod ist ihr ein willkommener Gast: Aeneas, der Held aus dem gefallenen Troja hat sie verlassen, folgt einem vermeintlichen Befehl der Götter. Bei Henry Purcell, dem genialen Musikmagier aus dem alten England, bleiben die Götter außen vor: Der Spruch, der Aeneas zur Abreise nötigt, ist das Blendwerk von Hexen, deren Entzücken das Böse und deren ganze Kunst die Missetat ist.

Dagegen … Weiterlesen

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Musikalisch lohnende Mozart-Rarität: „Ascanio in Alba“ an der Oper Frankfurt

Die künstliche Welt im Zentrum: „Ascanio in Alba“ mit Kateryna Kasper (Venus) und Cecelia Hall (Ascanio). (Foto: Monika Ritterhaus)

Glückliche Menschen, wenn das Sollen und das Wollen in so wunderbarer Übereinstimmung zueinander finden. Für die junge Silvia ist der vorher bestimmte Bräutigam zugleich der Mann ihrer Träume.

Ein Wunder ist das nicht, hat doch keine Geringere als die Göttin der Liebe, Venus höchstpersönlich, das Verhältnis für ihren Sohn Ascanio arrangiert und Amor losgeschickt, um die Träume des Mädchens zu manipulieren, das sich prompt in das Traumbild Ascanios verliebt.

Der Konflikt, der daraus in Wolfgang Amadeus Mozarts „Ascanio in Alba“ entsteht, ist ein milder. Nur kurz währt die Wehmut, als Silvia einen jungen Unbekannten kennenlernt, der dem Mann ihrer Träume gleicht. … Weiterlesen

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Balkanien in Köln: Franz Lehárs „Lustige Witwe“ mit dem Essener GMD Andrea Sanguineti am Pult

Lieber Grisetten als das teure Vaterland: Adrian Eröd alias Graf Danilo in der Kölner „Lustigen Witwe“. (Foto: Matthias Jung)

Jetzt hat auch Köln seine „Lustige Witwe“. Es gibt wohl kein Theater in Nordrhein-Westfalen, in dem in den letzten Jahren niemand im Maxim intim gewesen und die „Weiber“ studiert hätte.

Nun gut, Intendant Hein Mulders wollte für das Ausweichquartier der Kölner Oper und in der (inzwischen erneut gefährdeten) Hoffnung auf rechtzeitige Eröffnung des Hauses am Offenbachplatz 2024 einen zugkräftigen Titel haben. Das ist Franz Lehárs Erfolgsoperette allemal noch – gehört sie doch zum Restbestand der Operetten-Monokulturlandschaft, die mit der „Fledermaus“, der „Csardasfürstin“ und dem „Orpheus in der Unterwelt“ des Kölner Operettenerfinders Jacques Offenbach weitgehend bestellt ist. Von den Dutzenden früherer Erfolgstitel … Weiterlesen

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Auf Augenhöhe: Lydia Steier stellt sich mit „Aida“ der legendären Regie von Hans Neuenfels

„Aida“ in Frankfurt: vorne in der Bildmitte Nicholas Brownlee (Amonasro) und Guanqun Yu (die Aida der Premiere), dahinter Claudia Mahnke (Amneris; in rotem Kleid), umgeben vom Ensemble. (Foto: Barbara Alumüller)

Eben noch besang die ägyptische Gesellschaft Ruhm und Ehre, da wird das Opernhaus dunkel und durch die Schwärze dröhnen Explosionen, Granateneinschläge, Geschützfeuer und tuckernde Panzermotoren.

Lydia Steier lässt in ihrer Frankfurter Neuinszenierung von Giuseppe Verdis „Aida“ den Krieg nicht zum beschaulichen Kostümfest verniedlichen. Sie beschwört ihn mit Geräuschen im Finstern. Beklemmend, unheimlich, und für manchen Zuschauer unbehaglich nahe rückend.

Radikal ist die Inszenierung der amerikanischen Regisseurin auch, wenn es um die (Über-)Zeichnung einer verkommenen, gealtert erstarrten Gesellschaft geht. Da marschieren keine knackigen Soldaten auf, wenn Radamès zum Feldherrn gekürt wird. … Weiterlesen

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Was wäre ich geworden, wenn…? – Uraufführung der Oper „Septembersonate“ von Manfred Trojahn in Düsseldorf

Surreale Treppen auf der Bühne von Heike Scheele: „Septembersonate“ von Manfred Trojahn in der Inszenierung von Johannes Erath in Düsseldorf mit Holger Falk (Osbert Brydon) und Juliane Banse (Ellice Staverton). (Foto: Wolf Silveri)

Spätestens, seit die Romantik die Welten hinter der Welt entdeckt hat, werden die Grenzen zwischen der positivistischen Realität in einer aufklärerisch-rationalen Perspektive und der Fiktion brüchig.

Einer Fiktion, die sich als mächtiger Einfluss auf das offenbart, was gemeinhin als „real“ beschrieben wird. Einer Fiktion, die sich im Begriff manifestiert, jenem denkerischen Instrument, mit dem wir unsere Welt „begreifen“. Aber auch, wenn Gott ein Hirngespinst sein sollte, auch, wenn Heilige und Helden nie leibhaftig gelebt haben, so existieren sie doch, haben auf den Lauf der Ereignisse gewaltigen Einfluss. … Weiterlesen

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Jenseits der Mythen – Interview mit dem Callas-Biographen Arnold Jacobshagen

Vor 100 Jahren, am 2. Dezember 1923, wurde in New York eine der bedeutendsten Sängerinnen der Musikgeschichte geboren: Maria Callas. Zum ihrem 100. Geburtstag sprach Werner Häußner mit dem Autor einer neuen Biographie, dem Kölner Musikwissenschaftler Arnold Jacobshagen, über das Geheimnis der Gesangskunst der Callas und die Mythen um ihre Person.

Als Achtzehnjährige begann Maria Callas 1942 in Giacomo Puccinis „Tosca“ eine beispiellose Karriere. Mit Rollen wie Vincenzo Bellinis Norma und Amina („La Sonnambula“), Gaetano Donizettis Lucia di Lammermoor und Anna Bolena, Giuseppe Verdis Aida und Violetta („La Traviata“), vor allem aber mit der Wiederentdeckung von Opern wie Luigi Cherubinis „Medea“, Gasparo Spontinis „La Vestale“ oder Gioachino Rossinis „Armida“ wurde Maria Callas zur bis heute unerreichten Wegbereiterin des damals vergessenen … Weiterlesen

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Aus dem Leben gerissen: Klavier-Festival-Intendant Franz Xaver Ohnesorg ist tot

Franz Xaver Ohnesorg, + 14. November 2023. (Foto: Mark Wohlrab)

„Mitten wir im Leben sind mit dem Tod umfangen“:  Der alte gregorianische Choral hat sich bitter bewahrheitet, als am Morgen des 15. November die schockierende Nachricht eintraf: Franz Xaver Ohnesorg, Intendant des Klavier-Festivals Ruhr, ist tot.

Man kann es kaum fassen, es dringt erst allmählich vom Verstand ins Herz vor: Der dynamische 75-Jährige, vor zehn Tagen noch brillant plaudernder Moderator einer Benefiz-Jazz-Gala in Duisburg zugunsten der Stiftung Klavier-Festival Ruhr, soll nicht mehr unter uns sein? Kein melodisches „Ohnesorg“ mehr am Telefon, kein charmanter Gastgeber mit der obligatorischen Fliege für sein kommendes, den Abschied vom Klavier-Festival markierendes Benefizkonzert in Essen, zu dem er noch einmal Musiker aus der Elite der Weltkünstler … Weiterlesen

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Fleisch und Geist: Dortmunder Festival „Klangvokal“ geht zurück zu den Anfängen der Oper

„Vox Luminis“ im Reinoldihaus Dortmund beim Festival „Klangvokal“. (Foto: Klangvokal)

Das Festival „Klangvokal“ in Dortmund pflegt über seinen Schwerpunkt im Mai/Juni hinaus eine Serie von Konzerten über das ganze Jahr hinweg. Letzter Höhepunkt war eine halbszenische Aufführung von Emilio de‘ Cavalieris „Rappresentatione di Anima, et di Corpo“. Damit geht das Musikfestival an den Anfang der Operngeschichte zurück.

De‘Cavalieri, ein hochgebildetes Multitalent, schrieb das allegorische Spiel im Jahr 1600 für die Bruderschaft des heiligen Filippo Neri in Rom. Jacopo Peri, der gemeinsam mit seinem römischen Kollegen mit seiner „Euridice“ am Ursprung der Oper steht, rühmt die „wundervolle Erfindungsgabe“ der Musik. In Dortmund sorgte das Ensemble „Vox Luminis“ mit einem vielfarbigen Instrumentarium nicht nur für beredte Rhythmen und variablen Klang, sondern vor … Weiterlesen

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„Achtung, Achtung! Hier ist die Sendestelle Berlin“: 100 Jahre Rundfunk als Massenmedium

Aus frühen Radiozeiten: historische Rundfunkempfänger im Radiomuseum Hans Necker zu Bad Laasphe. (Aufnahme von 2007: Bernd Berke)

Am 29. Oktober 1923 beginnt die Geschichte des Rundfunks als Massenmedium in Deutschland. Auf „Welle 400 Meter“ ist der Sprecher Friedrich Georg Knöpfke zu hören, wie er mit getragenem Pathos „Achtung, Achtung! Hier ist die Sendestelle Berlin, im Vox Haus“ ansagt. In Nordrhein-Westfalen und dem besetzten Ruhrgebiet startet die Radiogeschichte jedoch erst ein Jahr später.

An jenem Oktobertag, Punkt acht Uhr abends, teilt der Direktor der „Funkstunde Berlin“ den 253 Personen, die bereits eine Hör-Lizenz besaßen, mit, „dass am heutigen Tage der Unterhaltungsrundfunkdienst mit Verbreitung von Musikvorführungen auf drahtlos-telefonischem Wege beginnt. Die Benutzung ist genehmigungspflichtig. Als erste Nummer bringen wir: Cellosolo mit Klavierbegleitung, … Weiterlesen

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Arbeitsschweiß und Maschinenrhythmus: „Stahlkocher“ als Thema eines Konzerts in Dortmund

Die Torte trägt einen Smoking, ist eingehüllt in Noten und fußt auf einer Klaviertastatur. Damit es endlich weitergeht, betätigt sich Dortmunds Generalmusikdirektor Gabriel Feltz ausnahmsweise destruktiv. Messer her, energische Schnitte, und schon landen die ersten saftigen Schokoladenkuchenstücke auf den Tellern.

Dortmunds GMD Gabriel Feltz schneidet seine Torte an. (Foto: Werner Häußner)

Das Produkt der Konditorenkunst gilt der Hommage an eine ansonsten durch und durch aufbauende Persönlichkeit: Gabriel Feltz feiert nach dem Zweiten Philharmonischen Konzert der Dortmunder Philharmoniker sein zehnjähriges Dienstjubiläum in der Stadt.

Da wird viel Harmonie bekundet: Oberbürgermeister Thomas Westphal, Theaterdirektor Tobias Ehinger und Orchestervorstand Hauke Hack singen Hymnen auf den rührigen GMD, heben Ideenreichtum, Innovationskraft, Energie und Fleiß hervor, lassen mit launigen Bonmots auch mal schmunzeln. Feltz dankt, … Weiterlesen

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Abschied ohne Nostalgie: Waltraud Meier hat die Opernbühne verlassen

Waltraud Meier auf der Bühne der Berliner Lindenoper. Die große Künstlerin hat ihre Karriere beendet. (Foto: Jakob Tillmann)

Eine der prägenden Künstlerinnen der Opernbühne der letzten Jahrzehnte hat Abschied genommen: In Berlin sang Waltraud Meier zum letzten Mal die Klytämnestra in Richard Strauss‘ „Elektra“. Werner Häußner kennt die Sängerin seit ihrem Debüt in Würzburg 1976 und lässt Stationen einer Karriere Revue passieren, die von 1980 bis 1983 auch nach Dortmund führte. Dort sang Meier erstmals die Kundry in Wagners „Parsifal“. Eine Rolle, die ihr 1983 den Durchbruch in Bayreuth bescherte.

Was soll man zum Bühnenabschied einer Sängerin schreiben, über die in den 47 Jahren ihrer Karriere wohl alles schon in Zeilen gefasst wurde, was öffentlich zu sagen ist? Wozu den … Weiterlesen

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Im Zaubernebel des Klangs: Essener Philharmoniker und Cellistin Raphaela Gromes spielen Konzert einer vergessenen Komponistin

Die Cellistin Raphaela Gromes. Foto: wildundleise

Seit Mitte August schon sind die Essener Philharmoniker wieder auf ihrem Posten. Sie haben die Spielzeit unter einer Dirigentin eröffnet und setzten sie jetzt mit dem Werk einer vergessenen Komponistin fort.

Anna Skryleva, noch bis 2025 Generalmusikdirektorin in Magdeburg, gab im August dem Saisonstart mit Gershwin und Bernstein angemessenen Schwung. Der neue Essener GMD Andrea Sanguineti präsentierte sich im Zweiten Sinfoniekonzert mit einer Rarität aus seiner italienischen Heimat, „Feste Romane“ von Ottorino Respighi, und einem sehr massiven, sehr lauten „Don Juan“ von Richard Strauss. Über ausufernde Lautstärke konnte man sich nun im Dritten Sinfoniekonzert unter Leitung des Geigers und Dirigenten Julian Rachlin nicht beschweren. Die Essener Philharmoniker spielten sich mit Diskretion und Finesse in … Weiterlesen

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Das „Opernhaus des Jahres“ Frankfurt zeigt „Le Nozze di Figaro“ als schwerelose Komödie

Danylo Matviienko (Graf Almaviva) und Elena Villalón (Susanna) in der Frankfurter Neuinszenierung von Mozarts „Hochzeit des Figaro“. Foto: Barbara Aumüller

Im Frankfurter Opernhaus atmet alles Leichtigkeit. Thomas Guggeis, neuer GMD als Nachfolger von Sebastian Weigle dirigiert zum Einstand Wolfgang Amadeus Mozarts so leichtfüßiges wie gewichtiges Meisterwerk „Le Nozze di Figaro“.

Sein blonder Schopf hebt sich über die Brüstung des Grabens. Rötlich schimmern die Haare, rucken im Rhythmus eines Körpers, der dem Orchester Signale setzt. Eine Hand erscheint, dreht sich, winkt, zeigt, kommandiert, schlängelt sich um ein scheinbar ohne Widerstand bewegliches Gelenk. Das diskret alle Nuancen ausspielende Orchester zieht so federnd und flexibel mit, als würde Rossini den Musikern Bögen, Tasten, Klappen, Ventile und Schlägel führen.

Und Tilmann Köhlers Regie kleidet … Weiterlesen

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Wer hat die Nase vorn? „Parsifal“ in Düsseldorf und Hannover

Szene aus dem dritten Aufzug des „Parsifal“ in Düsseldorf mit Daniel Frank (Parsifal) und Sarah Ferede (Kundry). (Foto: Sandra Then)

In Düsseldorf steht er mit leeren Händen im gleißenden Licht, der neue Gralskönig Parsifal. In Hannover bleibt von den Wirrnissen der Ritter- und der Klingsor-Welt ein Kind übrig. Erlösung wird der Welt in beiden Inszenierungen nicht zuteil. Die Sicht auf Richard Wagners „Bühnenweihfestspiel“ ist pessimistisch, bei allen Unterschieden. Und die sind markant, in der szenischen wie in der musikalischen Gestaltung.

Die Premiere in Düsseldorf bringt den viel gelobten „Parsifal“ aus Genf an den Rhein, in einer minimalistischen Regie von Michael Thalheimer, der in der letzten Spielzeit einen faszinierenden Verdi-„Macbeth“ an der Deutschen Oper herausgebracht hat. Auf der Drehbühne (Henrik Ahr) … Weiterlesen

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Abschluss einer Ära: Hermann Max nimmt Abschied vom Festival Alte Musik in Knechtsteden

Hermann Max und seine Ensembles beim Eröffnungskonzert des Festivals Alte Musik Knechtsteden. (Foto: Michael Ratsmann)

Das mit den Kränzen, die den Mimen von der Nachwelt nicht geflochten werden, galt lange auch für ausübende Musiker. Erst Platten, Bänder und Speicher halten fest, was sonst ein flüchtiges Opfer der unaufhaltsam verrinnenden Zeit gewesen ist.

Hermann Max, der mittlerweile 82jährige Doyen der historischen Aufführungspraxis, hat mit vielen Rundfunk- und über 60 CD-Aufnahmen die Entwicklung seiner Klangästhetik dokumentiert, noch vor den ersten Anfängen des 1992 von ihm gegründeten Festivals Alte Musik Knechtsteden  bis in die Gegenwart – mit einem Passionsoratorium von Gottfried Heinrich Stölzel im Jahr 2021. Die Nachwelt hat also die Chance, die von Friedrich Schiller bedauerten fehlenden Kränze zu flechten.

Nun … Weiterlesen

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Unauflösliche Märchenwelt: Oper Köln eröffnet die Spielzeit mit „Die Frau ohne Schatten“

Daniela Köhler (Kaiserin) und Irmgard Vilsmaier Der(Amme). (Foto: Matthias Jung)

Dem früheren Intendanten des Aalto-Theaters Essen, Hein Mulders, ist mit der Strauss-Oper „Die Frau ohne Schatten“ zum Spielzeitauftakt ein markantes Statement gelungen. Die Inszenierung von Katharina Thoma hat jedoch Leerstellen, die auch von der hervorragenden Orchesterleistung unter Marc Albrecht nicht verfüllt werden können.

Das üppige Orchester, die häufigen Verwandlungen, die Länge und die fünf extrem anspruchsvollen Hauptpartien: Richard Strauss‘ und Hugo von Hofmannsthals „letzte romantische Oper“ über ein Zwischenwesen aus dem Geisterreich, das keinen Schatten wirft, ist ein dicker Brocken selbst für große Bühnen. Im Staatenhaus, der Spielstätte der Oper Köln bis zur hoffentlich baldigen Wiedereröffnung des Hauses am Offenbachplatz, sind häufige Verwandlungen oder ein technischer Bühnenzauber nicht zu realisieren. … Weiterlesen

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Mit Lust in die neue Spielzeit: Daniel Hope eröffnet den Konzertreigen der Essener Philharmonie

Daniel Hope und Ryszard Groblewski beim Eröffnungskonzert der Philharmonie Essen. (Foto: Sven Lorenz)

Was für eine sympathische Idee, die Spielzeit der Essener Philharmonie mit Mozart und mit einer Uraufführung zu beginnen.

Da haben wir musikalisch den „inspirierenden Dialog“, den sich die neue Intendantin Marie Babette Nierenz für die Philharmonie als Teil der Stadtgesellschaft wünscht. Da haben wir die künstlerische Exzellenz, die einen Konzertsaal dieser Größe und diesen Renommees füllt. Und wir richten den Blick auf ein musikalisches Genie, das mit früher höher geschätztem Pathos, aber nicht zu Unrecht als „apollinisch“ bezeichnet wurde: Wenn es denn einen Gott gibt, dann hat er in Musik wie der „Jupiter“-Sinfonie seinen tönenden Abglanz auf Erden gefunden.

Mit dieser C-Dur-Sinfonie, die den Höhepunkt der musikalischen … Weiterlesen

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„Wenn man einmal in Bayreuth war, ist man süchtig danach“: Altistin Karolin Zeinert aus Düsseldorf singt im Chor der Festspiele

Karolin Zeinert vor dem Bayreuther Festspielhaus. (Foto: Werner Häußner)

Die Düsseldorfer Altistin Karolin Zeinert singt mittlerweile in ihrer 11. Spielzeit im Chor der Bayreuther Festspiele. Im Interview erzählt sie, wie sie in Bayreuth ihre professionelle Laufbahn begonnen hat und warum es so faszinierend ist, im Chor der Festspiele mitzuwirken.

Wie hat’s bei Ihnen begonnen mit Bayreuth?

Ich habe immer gerne im Chor gesungen. Mit fünf habe ich damit angefangen, bin dann in meiner Heimatstadt Gera auf ein chororientiertes Gymnasium gegangen und wollte immer Choristin werden. Ich habe dann das Studium begonnen, war nach vier Semestern beim RIAS Kammerchor als Praktikantin und habe festgestellt: Chorsingen ist wirklich meins. Dann habe ich an verschiedenen Theatern Produktionen mitgemacht. Nach dem Abschluss meines Studiums … Weiterlesen

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Rudi Stephans einzige Oper „Die ersten Menschen“ in Frankfurt: Tobias Kratzer entdeckt ein aktuelles Endzeitstück

BegBegehren am Ende der Zeit: Ambur Braid (Chawa) und Ian Koziara (Chabel)ehren am Ende der Zeit: Ambur Braid (Chawa) und Ian Koziara (Chabel). Foto: Matthias Baus.

Begehren am Ende der Zeit: Ambur Braid (Chawa) und Ian Koziara (Chabel). (Foto: Matthias Baus)

Die Frau steht am Fenster und schaut hinaus auf sanft geschwungene Hügel, grüne Hecken, blühende Rapsfelder unter blauem Himmel. Im Raum waltet werkelnd ein Mann, pflegt ein Beet unter einer UV-Lampe. Ein Stromaggregat ist zu erkennen, neben der Wohnküche eine Kammer mit Dosen und Einmachgläsern. Bis zu 200.000 Prepper bereiten sich Schätzungen zufolge in Deutschland auf einen Zivilisationskollaps vor; auf der Bühne der Oper Frankfurt blicken wir in Rudi Stephans Oper „Die ersten Menschen“ auf eine Familie, die in ihrem Bunker eine solche Katastrophe überlebt hat.

Nach draußen geht der Weg über einen Schacht, der nur mit Schutzmaske erklettert wird. Die Naturidylle in den Fenstern … Weiterlesen

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Mit Hopfen und Malz ins Operettenglück: Ausflug zu einer ungewöhnlichen Novität in Mecklenburg

In Daniel Behles neuer Operette am Landestheater Neustrelitz siegen am Ende die Liebe – und das Bier! (Foto: Theresa Lange)

Die Operette ist tot? Nö, sie könnte vor Lebensfreude sprühen, aber sie wird seit Jahren ausgehungert. In Neustrelitz ist jetzt eine nagelneue Operette zu sehen. Ihr Thema: das Bier. Also auf zu einem Ausflug nach Mecklenburg.

Die arme Operette. Sie ist ein Opfer von Sparwut, die Operettenensembles abgebaut hat, von Intendanten, die sie aus den Spielplänen tilgen, von mahlerisiert ehrgeizigen Generalmusikdirektoren, die sie höchstens als Metier ihrer stabwedelnden Unteroffiziere geringschätzen, und von humorlosen Regisseuren. Was die schlampige Routine der siebziger und achtziger Jahre nicht umgebracht hat, erledigen Darsteller, die sie vibratosatt zur „kleinen Oper“ entstellen oder mit Musicalgequäke hinrichten. Das … Weiterlesen

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Phil Glass mit viel Kaffee: Víkingur Ólafsson beendet seine Zeit als Porträtkünstler der Philharmonie Essen

Der Pianist Víkingur Ólafsson. (Foto: Sven Lorenz)

Mit einem Solo-Abend in der Mischanlage der Kokerei Zollverein und einem Auftritt mit den Essener Philharmonikern mit Wolfgang Amadeus Mozarts c-Moll-Klavierkonzert (KV 491) hat Víkingur Ólafsson seine Zeit als Porträtkünstler der Philharmonie Essen beendet.

Sechs Mal war der Isländer in der laufenden Spielzeit zu Gast: Mit dem Concertgebouw Orkest als Orchesters „in Residence“ spielte er das a-Moll-Konzert von Edvard Grieg, mit der Tschechischen Philharmonie erklang Robert Schumanns Konzert in der gleichen Tonart. Ólafsson begleitete den Liedsänger Matthias Goerne und widmete sich mit dem Philharmonic Orchestra aus dem norwegischen Bergen Maurice Ravels G-Dur-Konzert.

Die persönlichste Note jedoch trug sein Solo auf Zollverein. Eingepackt in einen Pullover in geometrischen Sechziger-Jahre-Mustern, entlockte er dem Flügel die … Weiterlesen

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Leidensweg eines unschuldigen Menschen: Bachs „Matthäuspassion“ in Dortmund und Essen

Das Freiburger Barockorchester spielte im Konzerthaus Dortmund. (Foto von 2019: Freiburger Barockorchester)

Auf ihre je eigene Weise haben zwei Aufführungen von Johann Sebastian Bachs „Matthäuspassion“ in Dortmund und in Essen ihren Beitrag zur „Recreation des Gemüths“ geleistet. Was sagen die geistlichen Werke heute einem weitgehend säkularisierten Publikum?

Ob Buß‘ und Reu‘ noch das Sündenherz entzwei knirschen? Was hat die protestantische Schuld- und Sühnetheologie noch mit uns zu tun, die sich in den Texten zu Johann Sebastian Bachs „Matthäuspassion“ äußert? Jener Christian Friedrich Henrici, Picander genannt, hat ja nicht nur den Bibeltext zusammengestellt, sondern in den Arien reflektierende Einschübe geschaffen, in denen sich ein gläubiges Individuum dem heilsgeschichtlichen Ereignis stellt: Christus, das Lamm Gottes, leidet „auf unsre Schuld“, trägt unsere Sünden … Weiterlesen

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Schmerzlicher Verlust: Der Bonner Operndirektor Andreas Meyer ist überraschend gestorben

Andreas K. W. Meyer, Aufnahme aus dem Jahr 2012. Foto: Christian Hahn

Die Nachricht ist schockierend: Einer der profiliertesten Dramaturgen in der europäischen Opernlandschaft ist tot. „Mit großer Bestürzung“ teilte das Theater Bonn am Ostermontag den Tod seines Operndirektors Andreas K. W. Meyer mit. Meyer verstarb mit 64 Jahren infolge von Herzversagen am Karsamstag, 8. April 2023.

Andreas K. W. Meyer war keiner von denen, die sich an den Top-Positionen der Aufführungsstatistik entlanghangeln und ihre Spielpläne basteln, garniert mal mit einer Rarität, mal mit einer Uraufführung. Er schaute genau hin und durchforstete die Geschichte der Oper nicht unter der fragwürdigen Annahme, der historische Rezeptionsprozess habe in einer quasi natürlichen Auslese das Beste überleben und das weniger Gute in den Archiven … Weiterlesen

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Sehnsüchte und Selbsttäuschungen: Mit Peter Eötvös‘ Oper „Tri Sestri“ nach Tschechow wächst das Theater Hagen über sich hinaus

„Drei Schwestern“: Dorothea Brandt (Irina), Maria Markina (Mascha), Lucie Ceralova (Olga). (Foto: Leszek Januszewski)

Bis in die siebziger Jahre hinein waren sie in Mode und in jedem gepflegten Haushalt anzutreffen: Runde Deckchen, gehäkelt oder bunt bedruckt, schmückten Tischchen, Vitrinen, Buffets. Die Familie Prosorow macht es sich in Friederike Blums Inszenierung der Oper „Tri Sestri“ von Peter Eötvös im Theater Hagen auf einem solchen Accessoire der Gemütlichkeit bequem.

Eine mehrdeutige Chiffre mitten in der kargen Raffinesse von Tassilo Tesches Bühne. Sie steht für den trügerischen Schein des Äußerlichen, für den vergeblich gesuchten Schutzraum vor den Stürmen der Welt und der eigenen Gefühle, für Sehnsüchte und Selbsttäuschungen. Andrej, der gescheiterte Bruder der „Drei Schwestern“, wird sich darin einhüllen wie in einen Schutzmantel.… Weiterlesen

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Schamlose Klangfarben: Der Dirigent Klaus Mäkelä triumphiert mit Berlioz in der Essener Philharmonie

Klaus Mäkelä und das Orchestre de Paris in der Essener Philharmonie. (Foto: Sven Lorenz)

Klaus Mäkelä ist einer jener Shooting-Stars, die in der Klassik-Szene gerade willkommen sind. Denn die alte Garde der Dirigenten tritt allmählich ab und in der mittleren Altersgruppe sind charismatische Figuren rar.

Da steht er also zum ersten Mal am Pult der Essener Philharmonie, der 27 Jahre alte Finne Klaus Mäkelä, weltweit bei großen Orchestern gefragt und in vier Jahren Chefdirigent des Amsterdamer Concertgebouworkest. Man fragt sich: Ist es das Marketing, das die Aura erschafft? Oder baut der Ruf auf Ausstrahlung und Können auf? Bei seinem Kölner Debüt mit Mahlers Sechster am Beginn der Spielzeit 2022/23 hätte man Mäkelä gewünscht, mehr Zeit und Reife mitbringen zu können. … Weiterlesen

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Unsterblicher Mythos: Der künftige Essener Orchesterchef Andrea Sanguineti dirigiert Berliner „Don Giovanni“

Finale von Mozarts „Don Giovanni“ in der Deutung von Roland Schwab an der Deutschen Oper Berlin mit Mattia Olivieri (Don Giovanni), Lidia Friedman (Donna Elvira) und Tommaso Barea (Leporello). (Foto: Bettina Stöß)

Dem Mythos „Don Giovanni“ hatte sich Roland Schwab 2010 in Berlin genähert. Die Arbeit des Regisseurs, der am Aalto-Theater Essen mit Verdis „Otello“ und Puccinis „Trittico“ bildmächtige Inszenierungen geschaffen hat, stand an der Deutschen Oper wieder für vier Vorstellungen auf dem Kalender. Am Pult: der designierte Essener GMD Andrea Sanguineti.

Der Mythos Don Juan ist unerschöpflich. Nicht einmal über Faust wurde so viel gedacht und geschrieben wie über den vom spanischen Mönch Tirso de Molina in die literarische Welt erhobenen „Burlador de Sevilla“. Viriler Verführer, lustbetonter Eroberer, amoralisches … Weiterlesen

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Kontrollierte Verstörung: Tomáš Netopil rundet seinen Essener Mahler-Zyklus ab

Die Essener Philharmoniker bei der Generalprobe zu Gustav Mahlers Dritter Sinfonie unter dem Dirigat von Tomáš Netopil. (Foto: Volker Wiciok)

Es wäre so schön gewesen: Schon bei seinem Amtsantritt hatte sich der Essener Generalmusikdirektor Tomáš Netopil mit Mahler vorgestellt. Hätte es Corona nicht gegeben, wäre die Dritte Sinfonie der Abschluss eines Zyklus über die letzten zehn Spielzeiten geworden.

Die Erste war zum Einstand 2013 ein Versprechen für die Zukunft, das der in Přerov im Osten Tschechiens geborene Dirigent immer überzeugender einzulösen wusste. Jetzt, da sich seine Zeit in Essen zum Ende neigt, hätte er bis auf die riesenhafte Achte alle Sinfonien Mahlers mit seinem Orchester erarbeitet. Doch die Siebte, im Februar 2021 geplant, blieb auf der Strecke; die Dritte eigentlich … Weiterlesen

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Schlüssige Psychologie: Verdis „Rigoletto“ in Wuppertal

Bereit zur Entführung der Tochter Rigolettos: die verkleideten Funktionäre von Mantua. (Foto: Wil van Iersel)

Die Hofnarren von heute sind die Berater und Medienmacher, die Duodzefürsten von damals findet man heute in Vorständen und auf Vorsitzendenposten. Dort lassen sie ihre grauen Männer nach Gusto tanzen. Im Wuppertaler „Rigoletto“ verformt Timofey Kulyabin, der mittlerweile im Exil lebende russische Regisseur, Mantua zu einem Zwergstaat der Nachsowjetära.

Das dunkel holzgetäfelte Machtzentrum, in diesem Fall eine Parteizentrale, erinnert mit protzigem Schreibtisch und Schummerlicht an den verblassten, altmodischen Repräsentationsstil, den jeder kennt, der zum Beispiel einmal in Josip Broz Titos Feriendomizil „Villa Bled“ in Slowenien genächtigt hat. Wie man in diesem Ambiente mit Frauen umgeht, macht schon die erste Szene klar. Dem Leitwolf gehören alle, … Weiterlesen

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Papsttochter am Aalto-Theater: Donizettis „Lucrezia Borgia“ öffnet den Blick auf psychische Extreme

Marta Torbidoni, die gastierende Premierensängerin, als Lucrezia Borgia in Ben Baurs atmosphärisch gelungenem Bühnenbau. (Foto: Bettina Stöß)

In Bergamo, dem Geburtsort Gaetano Donizettis, gibt es in jedem Herbst ein Festival, bei dem sich kaum gespielte Opern als überraschend gegenwärtig erweisen. So im Herbst 2022 zum Beispiel Donizettis „L’aio nell‘ imbarazzo“ („Der Hauslehrer in Verlegenheit“), eine skurrile Studie über extreme – heute würde man sagen – Verhaltensauffälligkeiten. Hin und wieder haben Opern Donizettis abseits des Mainstreams aber auch in Deutschland eine Chance.

Das Aalto-Theater Essen zeigt als zweite Premiere der Intendanz von Merle Fahrholz eine noch von ihrem Vorgänger Hein Mulders programmierte und wegen der Corona-Pandemie verschobene, selten zu sehende Donizetti- Oper: „Lucrezia Borgia“.

Hauptperson ist die uneheliche Tochter Papst Alexanders … Weiterlesen

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Papst Benedikt XVI. ist tot: Kritische Erinnerung an eine prägende Gestalt

Joseph Ratzinger, der emeritierte Papst Benedikt XVI., ist tot. Er starb am heutigen Festtag eines heiligen Papstes, Silvester. Die Gedenkartikel und Nachrufe, für einen 95-Jährigen längst vorbereitet, werden sich in den nächsten Tagen häufen und uns in ein neues Jahr begleiten. Joseph Ratzinger als Denker, als Theologen, als Kirchenmann und als Papst zu würdigen, ist eine kaum zu bewältigende Aufgabe. Daher nur ein paar wenige, persönliche Gedanken.

Der 2013 zurückgetretene Papst Benedikt XVI., aufgenommen am 10. Juni 2010. (Foto: Mark Bray/Flickr – Creative Commons). Link zur Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/

Natürlich gehörte Joseph Ratzinger für einen theologisch ausgebildeten und lange Jahre kirchlich tätigen Journalisten wie mich zum Alltag: Seine „Einführung in das Christentum“ war Standardlektüre, um seine Stellungnahmen als Konzilstheologe, als Erzbischof … Weiterlesen

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Satire in antikem Faltenwurf: Offenbachs „Schöne Helena“ mischt in Hagen Schmackhaftes und schlecht Verdauliches

Der Chor des Theaters Hagen spielt eifrig mit: Anton Kuzenok (Paris) schafft es am Ende doch, sich die „schönste Frau der Welt“ zu ergattern. (Foto: Björn Hickmann)

In Hagen ist es wieder bühnenfrisch zu besichtigen, das Dilemma der Offenbach-Rezeption. Gegeben wird „La belle Hélène“, von Simon Werle auf Deutsch übersetzt und von dem aus Wien stammenden Regisseur Johannes Pölzgutter mit ein paar neuen Texten bereichert.

„Die schöne Helena“ also entführt in ein kräftig parodistisches antikes Griechenland, in dem die Helden der Atridensage degenerieren zu Gesellschaftstypen des Jahres 1864. Die Hürde zum Heute ist eine doppelte: Paris, Menelaos, Achill, Ajax, Orest und Kalchas, das sind Namen, die einem wohlerzogenen Europäer von damals selbstverständliches kulturelles Grundwissen waren. Heute sind sie eine Sache … Weiterlesen

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Im Dunstkreis russischer Propaganda: Teodor Currentzis dirigiert Verdis „Messa da Requiem“ im Konzerthaus Dortmund

Teodor Currentzis nimmt im Konzerthaus Dortmund den Beifall entgegen. Rechts ist der Sänger Matthias Goerne zu sehen. (Foto: Holger Jacoby)

Darüber lässt sich keine übliche Konzertkritik schreiben: In Dortmund tritt ein Dirigent auf, der sich bisher erfolgreich um eine eindeutige Distanzierung von Wladimir Putins Angriffskrieg auf die Ukraine gedrückt hat, sich mit seinem Ensemble aber nach wie vor von Sponsoren mit Putin-Nähe fördern lässt.

Teodor Currentzis bringt ins Konzerthaus  statt der angekündigten konzertanten „Tristan und Isolde“-Aufführung Giuseppe Verdis „Messe da Requiem“ mit. Ein Statement gegen den Krieg? Der Abend in Dortmund sieht nicht so aus: Die bürgerliche Kunstreligionsfeier geht ungebrochen vor sich; im Programmheft ist kein Wörtchen zu lesen, das der Aufführung irgendeine über den Event selbst hinausgehende Bedeutung geben … Weiterlesen

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Begegnung musikalischer Kulturen: Das Essener Festival „NOW!“ öffnet neue Horizonte

Alexej Gerassimez, in Essen-Werden geboren, war Solist in Tan Duns „The Tears of Nature“ in der Philharmonie Essen. (Foto: Alexej Lund)

15 Ur- und deutsche Erstaufführungen, ein weiter Blick auf außereuropäische Musik von Indien über Afrika bis Indonesien, ein Schwerpunkt auf Korea und spannende Experimente, die europäische klassische Instrumente mit solchen aus anderen Kulturen kombinieren: Die 12. Ausgabe des Essener Festivals „NOW!“ kann eine respektheischende Bilanz vorlegen.

Die „Neuen Horizonte“, die das Motto versprach, wurden tatsächlich erreicht. Eigentlich wäre jede einzelne der so sorgsam kuratierten 17 Veranstaltungen wert, ausführlich betrachtet zu werden. Das Herauspicken von „Highlights“ ist nicht gerecht, denn wenn das eine Konzert mit Opulenz und Aufwand aufwartet, punktet das andere mit konzentrierter Intimität oder außergewöhnlichem Programm. Und so … Weiterlesen

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Cra Cra, Bum Bum, Din Din! Gioachino Rossinis „Italiana in Algeri“, historisch informiert aufgeführt in Berlin

Quicklebendiger Belcanto im nackten Mauerwerk der Kino-Bühne im Berliner Theater im Delphi. Auf dem Bild von links: Miloš Bulajić (Lindoro), David Oštrek (Mustafa Bey), Polly Ott (Elvira), Hannah Ludwig (Isabella), Manuel Walser (Taddeo). (Foto: Anna Tiessen)

Historisch informiert – das kannte man bis vor wenigen Jahrzehnten nur im Bezug auf alte Musik. Pioniere wie Gustav Leonhardt und Nikolaus Harnoncourt erweiterten das Wissen um historische Spielweisen und Aufführungspraktiken enorm. Inzwischen ist auch die Zeit der Romantik bis hin zu Johannes Brahms und Richard Wagner ins Blickfeld gerückt.

Nur bei einem der bedeutendsten Komponisten des 19. Jahrhunderts, Gioachino Rossini, und im romantischen Belcanto von Bellini bis Verdi hat diese Bewegung bisher kaum Resonanz erzielt. Eine Produktion in Berlin will das ändern: Im … Weiterlesen

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Totale Maskerade: Giuseppe Verdis „Un ballo in maschera“ am Aalto-Theater Essen wieder aufgenommen

Szene mit Chor und Solisten des Aalto-Theaters aus Giuseppe Verdis „Un ballo in maschera“. (Foto: Saad Hamza)

Gustav III. von Schweden, das historische Vorbild von Giuseppe Verdis Riccardo im „Maskenball“, war ein Opern- und Theaternarr. Dietrich Hilsdorf hat in seiner Inszenierung für das Essener Aalto-Theater daraus eine virtuose Konstruktion abgeleitet. Alles, bis aufs bittere Ende, ist Maskerade.

Jetzt erlebte die aus dem Jahr 1999 stammende Arbeit Hilsdorfs eine szenisch sorgfältig einstudierte Wiederaufnahme. Kompliment an Marijke Malitius: Die Intentionen des Regisseurs sind wiedererkennbar, der Abend hat szenische Spannung und wirkt unverbraucht packend wie eh und je.

Zum lebendigen Eindruck trägt das Dirigat von Elias Grandy, gastierender GMD aus Heidelberg, nicht unwesentlich bei. Er lässt das Orchester atmen und achtet auf … Weiterlesen

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Kunst schlägt Couture: Das Concertgebouworkest Amsterdam beginnt Residence in der Philharmonie Essen

Martin Fröst (Klarinette), Alain Altinoglu (Dirigent) und das Concertgebouworkest in der Philharmonie Essen. (Foto: Sven Lorenz/TuP)

Wir kennen das noch aus so mancher Altherrenkritik: Wenn Damen aufs Podium traten, war die Garderobe mindestens so rezensabel wie die künstlerische Leistung. Das war manchmal eine hinterlistige Methode der indirekten Kritik, oft aber bloß purer Ausdruck von Sexismus.

Der genugtuenden Gerechtigkeit halber sei’s gesagt: Der Anzug des Klarinettisten Martin Fröst mit seinen weiß konturierten Kanten war so stylish, dass er eine Erwähnung wert ist.

Doch auch in diesem Fall muss die Couture hinter die Kunst zurücktreten: So viel spielerische Souveränität auf der Klarinette soll jemand erst einmal nachmachen! Was Fröst wie selbstverständlich aus seinem Instrument in den seltsam lückenhaft besetzten Saal der Essener … Weiterlesen

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20 Jahre Konzerthaus Dortmund (I): Symbol für den Wandel im Ruhrgebiet

Drei Intendanten prägten bisher die Erfolgsgeschichte des Dortmunder Konzerthauses (von links): Benedikt Stampa, Raphael von Hoensbroech und Ulrich Andreas Vogt. (Foto: Björn Woll)

Am 8. September 2002 wurde das Konzerthaus Dortmund förmlich überrannt: 40.000 Menschen wollten am „Tag der offenen Tür“ das neue Gebäude besichtigen. Die stolze Bilanz nach 20 Jahren: Dreieinhalb Millionen Besucher in rund 4.000 Veranstaltungen.

Doch Intendant Raphael von Hoensbroech will darob nicht die Hände in den Schoß legen: Die Aufgabe, neue Publikumsschichten in den Bau im Dortmunder Brückstraßenviertel zu locken, sieht er noch nicht als erfüllt an. Zufrieden zeigt er sich bei der Pressekonferenz anlässlich der Eröffnung der 21. Spielzeit mit dem Ticketverkauf: Schon jetzt sei der Umsatz des Jahres 2019 erreicht – allerdings bei leicht … Weiterlesen

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20 Jahre Konzerthaus Dortmund (II): Beethovens „Apotheose des Tanzes“ fehlt der scharfe Blick auf den Rhythmus

Wenn schon die spritzige Eingangsfloskel zwischen Klavier und Trompete so nadelspitz akkurat gelingt, kann eigentlich nichts mehr schief gehen in Dmitri Schostakowitschs Konzert für Klavier, Trompete und Streichorchester op.35.

Andris Nelsons dirigiert das Gewandhausorchester Leipzig. (Foto: Björn Woll)

Der junge japanische Pianist Mao Fujita – eingesprungen für die erkrankte Yuja Wang – und der Trompeter Gábor Richter sticheln dieses ironische Zitat aus Beethovens „Appassionata“ so gekonnt in den Raum, dass für die folgenden drei Sätze kein Zweifel an ihrer Klasse aufkommt.

Der 23-Jährige am Flügel beginnt sein Eingangssolo eher lebensfroh beschwingt als im beiläufigen Improvvisando, steigert sich dann fulminant in die typischen atemlosen Repetitionen und schrägen Gassenhauer-Melodien, verliert sich im Lento – Moderato zu den delikat abgestimmten Streichern des Gewandhausorchesters … Weiterlesen

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Mit Brahms in den Kosmos der Liebe: Magdalena Kožená in der Philharmonie Essen

Die Liebe, die von Johannes Brahms besungen wird, ist selten so jauchzend-berauscht wie in „Meine Liebe ist grün“. Oft hängt sie einer still schmerzlichen Sehnsucht nach, beschwört verzweifelt Festigkeit und Ewigkeit, schwimmt ratlos in Tränen. Wer also Brahms‘ Liebeslieder singt, wird sich dieser Ambivalenz stellen müssen – im Wort und im Klang der Stimme.

Magdalena Kožená hat für ihren Liederabend in der Essener Philharmonie vierzehn der gewichtigen Miniaturen zusammengestellt, die ein Spektrum der Liebe auffächern – Widerhall des Schwärmens in der Natur („Nachtigall“), resignierte Trostlosigkeit („Verzagen“), Ahnungsvolles und Geisterhaftes („Meerfahrt“), Sehnsuchtsvolles und auch ein wenig Schnippisches („Vergebliches Ständchen“). Diesen Kosmos durchschreitet sie mit kühlem Ton. Sie spielt kaum mit dem Wort, meidet es, Schlüsselbegriffe tonmalerisch hervorzuheben, trägt lyrische Farben nur … Weiterlesen

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