Schlagwort-Archive: Peter Schneider

F. C. Delius: „Erinnerungen mit großem A“ (und ein paar anderen Buchstaben)

Na, da hat Friedrich Christian Delius – häufig gekürzelt als F. C. Delius – aber ein bisschen geschummelt. Die selbstgesetzte Vorgabe für seine „Erinnerungen mit großem A“ (Untertitel) lautete, dass die Bruchstücke aus seiner Biografie allesamt, quasi-lexikalisch, just mit dem Anfangsbuchstaben A überschrieben sein sollten.

Doch einer wie Delius hat sich nicht in ein derartiges Schreibkorsett gezwängt, er ließ mit Freuden fünfe gerade sein. Will er etwas über den Beatle Paul McCartney mitteilen, so läuft das eben unter A wie Abbey Road, geht es um den großen Georg Christoph Lichtenberg, so lautet das Stichwort „Agamemnon“ (weil L. diesen Namen in einem berühmten Aphorismus verwendet hat). Und so weiter, über zahllose Einträge hinweg. Viele stimmen jedoch auch bruchlos überein, was das … Weiterlesen

Veröffentlicht unter Lebenswege, Literatur | Verschlagwortet mit , , , , , , , , , , | Schreib einen Kommentar

„Tristan und Isolde“ in Essen: Peter Schneiders meisterliches Dirigat

Licht-Raum in abgründiger Schwärze: Klaus Grünbergs Bühnenraum für "Tristan und Isolde" fasziniert immer wieder. Foto: Matthias Jung

Licht-Raum in abgründiger Schwärze: Klaus Grünbergs Bühnenraum für „Tristan und Isolde“ fasziniert immer wieder. Foto: Matthias Jung

Hätte dieser Liebestod doch alleine im Orchestergraben stattgefunden! Musikalisch geformt von Peter Schneiders kundiger Hand, aufblühend aus einem delikaten Piano zu fiebrigem Glanz, transparent, geschmeidig und klangvoll, in leuchtender Ekstase auf dem Höhepunkt der dynamischen Entfaltung.

Aber zum Schlussgesang von „Tristan und Isolde“ gehört die Stimme – in Essen diejenige von Evelyn Herlitzius. Und die allseits gefeierte Sängerin brach am Aalto-Theater in der letzten der drei „Tristan“-Vorstellungen dieser Wagner-Jubiläums-Spielzeit den magischen Moment des Verströmens herunter auf höchst irdisches Buchstabieren.

Herlitzius hatte schon die Premiere von Barrie Koskys Inszenierung unter Stefan Soltesz 2006 gesungen. Es war ihre zweite Isolde nach Chemnitz – und die … Weiterlesen

Veröffentlicht unter Oper & Ballett | Verschlagwortet mit , , , , , , , , , , , | Schreib einen Kommentar

Festspiel-Passagen IV: Sensibilität statt Sensation

Im sechsten Jahr hat es sich – um bei Richard Wagners Wortwahl zu bleiben – „ausgerast“. Die Liebe zum Tode hin ist zu einer recht langatmigen Affaire degeneriert. Christoph Marthalers „Tristan und Isolde“-Inszenierung hat für ihre letzten fünf Aufführungen am Grünen Hügel trotz penibler Einstudierung durch Anna-Sophie Mahler keine Kraft mehr. Marthaler selbst ist schon gar nicht mehr gekommen. Das „verzückte und wahnsinnige Begehren nach dem Ewigen und Absoluten“ (Thomas Mann) schrumpft auf die Dimensionen eines kleinbürgerlichen Trauerspiels.

Dabei hatte Marthalers Inszenierung – gegen alle bloß ästhetisch sich erregende Kritik – ihre Meriten. Denn sein sorgsamer Minimalismus und die schnoddrig-spießigen Räume der Anna Viebrock schlossen von vornherein die „erotische“ Romantik aus, die viele in Wagners weltensprengender Liebesgeschichte suchen. Da war … Weiterlesen

Veröffentlicht unter Festivals, Oper & Ballett | Verschlagwortet mit , , , , , , , , | Kommentare deaktiviert für Festspiel-Passagen IV: Sensibilität statt Sensation

40 Jahre danach: Abrechnung mit den 68ern – Persönliche Erinnerungen und nachträgliche Analysen zur Revolte

Von Bernd Berke

Vierzig Jahre ist es nun schon her, doch das Thema scheint schier unerschöpflich: Was ist vom Mythos des rebellischen Jahres 1968 geblieben? Was wirkt weiter? Was hat sich womöglich „erledigt“? Mit solchen Fragen befassen sich in diesen Jahr etliche Buchautoren. Eine Auswahl:

Höchst provokant geht Götz Aly zu Werke, ein einstiger Mitstreiter der Revolte. Verglichen mit damals, vollzieht er eine komplette Kehrtwende. Schon der Titel seiner Abrechnung, „Unser Kampf 1968″, der gefährlich an Adolf Hitlers „Mein Kampf“ anklingt, lässt es ahnen. Zwar kann auch Aly bis heute die Anstöße zum Aufstand (verdrängte NS-Vergangenheit, Vietnamkrieg, Springer-Presse) nicht ganz leugnen, doch wendet er ansonsten alles gegen die studentischen Akteure.

Als wolle er sich und seine Generation nachträglich selbst bestrafen, … Weiterlesen

Veröffentlicht unter Bekenntnisse, Buchmarkt & Lesen, Geschichte, Gesellschaft, Lebenswege, Politik und so, Schule, Uni, Bildung, Utopien | Verschlagwortet mit , , , , , , , , , , , , , , | Kommentare deaktiviert für 40 Jahre danach: Abrechnung mit den 68ern – Persönliche Erinnerungen und nachträgliche Analysen zur Revolte

Eduard und die Liebe zu Frauen und Mäusen – Peter Schneiders amüsanter Roman „Paarungen“

Von Bernd Berke

Eduard ist Naturwissenschaftler, also rechnet er nach: Im statistischen Schnitt ist eine Liebesbeziehung in seiner Generation „nach drei Jahren, einhundertsiebenundsechzig Tagen und zwei Stunden“ vorbei.

Eduard ist aber auch eine Spielernatur. Also wettet er mit seinen Kumpanen aus der Szenekneipe „tent“, Theo und André: Wer hält wohl am längsten mit seiner jetzigen Freundin durch? So kommt Peter Schneiders Roman „Paarungen“ in munteren Gang – und führt durch herrlich-schreckliche Liebes-Labyrinthe. Denn es bleibt nicht bei der strengen Monogamie.

Im ganzen Roman wirkt ein „Spaltpilz“. Diesen Namen bekommt eine mysteriöse Figur, die immer mal wieder durch die Handlung geistert und vom Nachtseiten-Romantiker E. T. A. Hoffmann stammen könnte. Zudem spielt das Buch im noch gespaltenen Berlin – und dort … Weiterlesen

Veröffentlicht unter Liebesleben, Literatur | Verschlagwortet mit , | Kommentare deaktiviert für Eduard und die Liebe zu Frauen und Mäusen – Peter Schneiders amüsanter Roman „Paarungen“

Nationalgefühl kann im „Kühlschrank der Geschichte“ auftauen: „Extreme Mittellage“ – Peter Schneider zur deutschen Vereinigung

Von Bernd Berke

Die deutsche Vereinigung hat die politische „Linke“ hierzulande höchlich verwirrt, ja vielfach sprachlos gemacht. Einer der ersten, die versucht haben, die Sprache wiederzufinden, ist Peter Schneider, der schon anno 1973 mit seiner Erzählung „Lenz“ linke Selbstgewißheiten empfindlich ankratzte.

Jetzt, bei seiner „Reise durch das deutsche Nationalgefühl“, befindet sich Schneider, nimmt man den Buchtitel beim Wort, in „extremer Mittellage“, was man auch mit Ratlosigkeit übersetzen könnte. Den Tag der Maueröffnung, den 9. November 1989, erlebte der Berliner nur am TV-Bildschirm – aus 10 000 Kilometern Entfernung, in New Hampshire/USA. Auch dieses flaue Gefühl, eine historische Stunde verpaßt zu haben, hat ihn offenbar an den Schreibtisch getrieben.

Seine Hauptthesen: Die westdeutsche Linke habe sich sozusagen gehörig an die Brust … Weiterlesen

Veröffentlicht unter Buchmarkt & Lesen, Geschichte, Gesellschaft, Politik und so | Verschlagwortet mit , | Kommentare deaktiviert für Nationalgefühl kann im „Kühlschrank der Geschichte“ auftauen: „Extreme Mittellage“ – Peter Schneider zur deutschen Vereinigung