Monatsarchive: September 2025

Groteske Sozialkritik im Asia-Restaurant: In Hagen startet eine neue Intendanz mit Peter Eötvös‘ „Der Goldene Drache“

Spielfreudiges Ensemble (von links): Nike Tiecke, Anton Kuzenok, Angela Davis, Kenneth Mattice, Ks. Richard van Gemert. (Foto: Leszek Januszewski)

Abschied und Neubeginn: Mit dem ehrgeizigen Projekt einer Uraufführung hat Intendant Francis Hüsers in Hagen noch einmal für einen Höhepunkt gesorgt. Auch sein Nachfolger Søren Schuhmacher bekennt sich zum Musiktheater der Gegenwart.

„American Mother“, die Oper der amerikanischen Komponistin Charlotte Bray, einfühlsam inszeniert von Travis Preston und vom Orchester unter dem ebenfalls scheidenden GMD Joseph Trafton auf makellosem Niveau gespielt, setzte einen tief bewegenden Schlusspunkt unter Hüsers achtjährige Intendanz.

Schuhmacher wird sich am 4. Oktober mit einem Klassiker, Verdis „La Traviata“, als Regisseur vorstellen. Seine auf fünf Jahre angelegte Intendanz eröffnet er jedoch mit Zeitgenössischem: „Der goldene DracheWeiterlesen

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Wie Isabel Allende die Vorgeschichte vom „Geisterhaus“ erzählt

Sie ist seit vielen Jahren ein Star der internationalen Literatur. Die Bücher von Isabel Allende, die 1982 mit „Das Geisterhaus“ ein fulminantes Debüt feierte, haben Bestseller-Garantie und sind in mehr als 40 Sprachen übersetzt worden. Ihr neuer Roman, „Mein Name ist Emilia del Valle“, erscheint bei uns in einer Startauflage von 100.000 Exemplaren.

Erzählerin Emilia ist die Tochter einer bibelfesten Irin, die sich auf das Leben als Nonne vorbereitet, dann aber den erotischen Avancen eines chilenischen Aristokraten aus dem Hause del Valle erliegt: ein Luftikus und Lebemann, der sein Erbe in den Bordellen und an den Spieltischen der Welt wegwirft und sich aus dem Staube macht, wenn es Probleme gibt.

Emilia muss mit dem Zorn ihrer Mutter auf den faulen … Weiterlesen

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Eisiger Schauer für Barbarossas Knochen: Verdi und Rossini zur Saisoneröffnung in der Philharmonie Essen

Der Dirigent Riccardo Chailly in der Philharmonie Essen. (Foto: Brescia e Amisano ©Teatro alla Scala)

Erfreulich, dass Riccardo Chailly mit Orchester und Chor des Teatro alla Scala beim Saison-Eröffnungskonzert der Essener Philharmonie einmal nicht den Schlager aller Chorschlager mitgebracht hat. Statt „Va pensiero“ aus Giuseppe Verdis „Nabucco“ eröffnen sie ihr Konzert mit italienischer Opernmusik von Verdi und Rossini mit einer mitreißenderen Hymne als dem „Gefangenenchor“: „Viva Italia“, der Einleitungschor aus Verdis vernachlässigter „La Battaglia di Legnano“.

Man spürt den Kampfgeist des Risorgimento, den Enthusiasmus der italienischen Einigungsbewegung: Ein „heiliger Pakt“, so heißt es, verbinde die Söhne Italiens (die Töchter waren damals nicht gefragt), mache sie zu einem Heldenvolk. Ein eisiger Schauer möge die Knochen des wilden Barbarossa durchfahren!

Viel eindringlicher … Weiterlesen

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Garantie auf Gänsehaut: Das Gesangsoktett VOCES8 sprengte beim Düsseldorf Festival das Kartenangebot

Die „Königin der hohen Töne“ tritt zurück: Andrea Haines, Sopranistin des weltberühmten Vokalensembles VOCES8, wird in diesen Tagen von der Texanerin Savannah Porter abgelöst. Haines wirkte beinahe am längsten an der nunmehr 20-jährigen Erfolgsgeschichte der Formation mit, übertroffen nur von Gründungsmitglied Barnaby Smith. Beim Düsseldorf Festival ergab sich jetzt die wohl letzte Gelegenheit in Deutschland, sie live zu erleben.

Lange Schlangen bildeten sich vor der derzeit eingerüsteten Johanneskirche in der Altstadt, eine der Stationen der aktuellen Europatournee von VOCES8 (sprich: ˈvo:tʃes eɪt). Die Kartennachfrage war so stark, dass die Organisatoren des Festivals das Ensemble baten, sein Konzert zweimal hintereinander zu geben (17 Uhr und 20 Uhr).

Festival-Intendantin Christiane Oxenfort begrüßt das Publikum in der Johanneskirche. (Foto: Albrecht Korff).

Hocherfreut berichtete … Weiterlesen

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Auf der Suche nach einer geträumten Melodie: Marc L. Voglers „Klangstreich“ in der Jungen Oper Dortmund

Der Komponist Marc L. Vogler wuchs in Gelsenkirchen auf. (Foto: Christian Palm)

Finn ist nur eine kleine Note, aber mit einem großen Traum. Im Reich der Wünsche und Imaginationen hat sie eine wunderschöne Melodie gehört, die sie nicht mehr loslässt. Davon erzählt „Klangstreich“, eine Oper für Menschen ab vier Jahren, geschaffen von einem 27 Jahre alten Komponisten, uraufgeführt während des Theaterfestes als Auftragswerk der Jungen Oper Dortmund.

Eigentlich gehört die Note in ein Geburtstagslied; da springt sie einfach raus. Das Lied hat jetzt ein Loch. Aber die kleine Note Finn macht sich auf den Weg. Sie begibt sich auf die Suche nach ihrer eigenen, ihrer geträumten Melodie. Und dazu braucht sie Hilfe.

Marc L. Vogler, letzter Schüler von Manfred … Weiterlesen

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Kliffhänger mit einem Schuss Sakralkitsch: Ruhrtriennale zeigt die Performance „Falaise“

Weiß auf Schwarz: Mit „Falaise“ (Klippe) hat das Kollektiv Baro d’evel ein Gegenstück zu seiner Produktion „Là“ geschaffen. (Foto: François Passerini/Ruhrtriennale)

Sie sind immer kurz vor dem Absturz. Krallen sich mit den Fingerkuppen fest, an Vorsprüngen in der senkrechten Wand. Kraxeln weiter, zwängen sich durch Löcher, die sie zuvor mit den Füßen durch Wände gestoßen haben. Denn auf dieser Bühne sind die Kulissen aus Gips. Was nach Felsen aussieht, bröckelt, bröselt, gerät als Geröll ins Rutschen. Wo ist da noch Halt? „Falaise“ (Klippe), eine Performance des französisch-katalanischen Kollektivs Baro d’evel, zeigt eine Welt kurz vor dem Kollaps – und acht Menschen, die sich durchhangeln.

Die Ruhrtriennale, die das Stück in der Kraftzentrale des Duisburger Landschaftsparks als Deutsche Erstaufführung zeigt, hat … Weiterlesen

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Bis die Kriegsgewalt bröckelt – Alexander Kluges Bilderatlas „Sand und Zeit“

Da haben wir also wieder ein Buch vom inzwischen 93-jährigen Polyhistor Alexander Kluge, der stets die entferntesten Dinge produktiv zusammen bringt und hellsichtig Funken aus seinen Blickwechseln schlägt.

Diesmal beginnt die fruchtbringende Gedankenreise bei den akuten Verheerungen im Gazastreifen, wo vieles nicht einfach „nur“ zerstört wurde, sondern schier zu Sandkörnern zerriebene Wüstenei geworden ist. Vielfach erwogen wird in der Folge, ob dem allfälligen Krieg und der Gewalt Einhalt zu gebieten sei – ganz gleich, zu welchem Zeitpunkt und an welchem Ort des geschundenen Erdenrunds.

Damit wären die beiden Pole des Bandes „Sand und Zeit“ schon einmal benannt. Das zu Sand zermalmte Land kehrt später – gründlich verwandelt – im Kinder-Sandkasten und sodann in „Sandkasten-Spielen“ der Militärstrategen wieder. Auch werden einzelne … Weiterlesen

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„Die Besessenheit“ – Annie Ernaux‘ Selbsterforschung zur Eifersucht

Die französische Literaturnobelpreisträgerin Annie Ernaux sieht sich als „Ethnologin ihrer selbst“. Ihre Romane und Erzählungen kreisen immer um ihr eigenes Leben, berichten von schmerzlichen Kindheitserinnerungen, privaten Nöten, erotischen Obsessionen: eine oft quälende, aber immer ungemein aufschlussreiche Lektüre. Leider werden ihre Bücher zumeist mit großer Verspätung ins Deutsche übersetzt: „Die Besessenheit“ (Originaltitel „L’occupation“) ist bereits 2002 in Frankreich herausgekommen.

In klaren Sätzen und fast klinischen Worten beschreibt Annie Ernaux, wie sie von der Wucht einer Eifersucht ergriffen wurde, die sie an den Rand der Selbstauflösung und Selbsterniedrigung führte. Jeder Gedanke drehte sich um eine Frau, von der sie zunächst nichts wusste, außer dass sie die neue Geliebte ihres Liebhabers ist: „Das Sonderbarste an der Eifersucht ist, dass man eine Stadt oder … Weiterlesen

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Hinüber ins Ungewisse – Mariette Navarros Roman „Am Grund des Himmels“

Zu (beinahe) 100 Prozent und viele Jahre lang hat die Erzählerin „funktioniert“, in der gläsernen Karrierewelt der globalen Hochhäuser, hier wahrscheinlich in einem ziemlich degenerierten Viertel von Paris. Nun aber will sie ein für allemal ausbrechen aus diesem sterilen Irrsinn mit seinen Mechanismen des kläglichen Dazugehörens.

Durch eine Dachluke begibt sich Claire eins Abends – „nach Dienstschluss“ – in gefährlich schwankende Höhen über der Stadt, wo starke Winde wehen und der Abgrund erschreckend nah ist. Desertieren aus all dem Gewöhnlichen, gut und schön. Aber was geschieht danach, wie kann man sich droben und außerhalb halten? Und überhaupt.

Ihre bescheiden und sparsam gebliebenen Eltern haben gefragt: Denkt ihr da oben auch an Leute wie uns? Bisher gewiss nicht. Claire hat sich … Weiterlesen

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Köstlich ohne Wenn und Aber – Gesammelte Kolumnen von Max Goldt

Gar manches in Max Goldts neuem Buch „ABER?“ kommt einem, sofern man seine Schöpfungen öfter goutiert, womöglich bekannt vor – sei’s aus Hörbüchern (Live- und Studio-Mitschnitte) oder aus den irrwitzigen Cartoons und Comics, die das Duo Katz & Goldt reihenweise hervorbringt.  Hier kann man es in anderer Form nachschmecken. Und es bleibt köstlich.

Hohe Auszeichnung schon, dass die Testimonials, die Goldts Kolumnen-Schaffen auf dem Umschlag preisen, von Daniel Kehlmann und Durs Grünbein stammen, also aus der allerersten Garde der kunstreich auf Deutsch Schreibenden. Kehlmann fühlt sich durch Goldts perfekte Syntax mitsamt der feinsinnigen Ironie an Thomas Mann erinnert. Hört, hört!

Nun denn: Auf solch erhellende Weise Frauenfußball und „Ehe für alle“ oder auch Frisösen, Lesben und Tierpflegerinnen zu einem herzhaften … Weiterlesen

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