Archiv der Kategorie: Geschichte

Flaschenpost aus finsteren Zeiten – Sebastian Haffners Roman „Abschied“

Ob Männer oder Frauen, alle umschwirren die geheimnisvolle Teddy wie Motten das Licht. Vor den strengen Eltern ist sie von Berlin nach Paris entflohen. Hier haust sie in einer Mansarde, flaniert auf den Boulevards, streift durch Museen, feiert mit Freigeistern und Lebenskünstlern das Jetzt.

Um seiner früheren Geliebten wieder nah zu sein, hat sich Rechtsreferendar Raimund Pretzel ein paar Tage von seinem tristen Berliner Alltag losgeeist und sich auf den Weg nach Paris gemacht, genießt das Glück des Augenblicks und freut sich über jeden Kuss, den er von seiner Angebeteten erbetteln kann. Die Zeit fliegt nur so dahin. So viel gäbe es noch zu erleben in dieser Stadt der Liebe und der Kunst! Doch der Zug, der Raimund zurück nach … Weiterlesen

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Landschaft mit Goldrand: Ausstellung zelebriert „1250 Jahre Westfalen“

Der vergoldete Silberschrein des heiligen Liborius, des Paderborner Dom- und Bistumspatrons, sonst im benachbarten Diözesanmuseum beheimatet, gehört zu den prachtvollsten Schaustücken der Westfalen-Ausstellung des Museums in der Kaiserpfalz. (Foto: LWL / B. Mazhiqi)

Welcher Gedanke liegt wohl nahe, wenn eine große Ausstellung „775 – Westfalen“ heißt? Nun, dann wird der Landesteil wohl 775 Jahre alt werden? Weit, weit gefehlt: Er wird vielmehr stolze 1250 Jahre alt.

Die „775″ steht dabei für die Jahreszahl der allerersten Erwähnung des Namens in einer Urkunde, etwas genauer: in den Reichsannalen jener Zeit, verfasst am Hofe Karls des Großen. Nun ist das unschätzbar wertvolle Zeitdokument in einer frühen, aus der Pariser Nationalbibliothek geliehenen Abschrift (entstanden um 820, in einer Abtei bei Lüttich) im Paderborner LWL-Museum … Weiterlesen

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Im Geniekult vergessen: Vor 200 Jahren starb der Komponist Antonio Salieri

Antonio Salieri auf einer um 1815 entstandenen Lithografie.

Er gehört zu den bedeutendsten musikalischen Figuren im Wien des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Aber die Nachwelt hat aus Antonio Salieri einen zweitrangigen Kleinmeister und Rivalen Mozarts gemacht. Noch in seinem Theaterstück „Amadeus“ – weltbekannt geworden durch Miloš Formans gleichnamigen Film von 1984 – benutzt Peter Shaffer die längst widerlegte Legende, Salieri habe Mozart mit Gift beseitigt.

Der Film erzählt, wie der Italiener das kindlich-amoralische Genie „Amadeus“ durch seelischen Druck langsam ums Leben bringt. Er will damit Gott seine Macht zeigen: Jenem Gott, der sich in Mozarts perfekter Musik offenbart. Ihn, Salieri, dagegen hat er dazu verdammt, als einziger zu erkennen, wie mittelmäßig seine eigenen Kompositionen in Wirklichkeit sind. Und das, obwohl sich … Weiterlesen

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Duell der Giganten: Gil Mehmert inszeniert am Broadway ein Stück über Bernstein und Karajan

Gil Mehmert, der an der Folkwang Hochschule Essen lehrt, setzt Bernstein und Karajan am Broadway in Szene. Foto: Felix Rabas

Gil Mehmert goes Broadway: Der Regisseur, der seit 2003 im Fachbereich Musical an der Folkwang Hochschule in Essen lehrt und in den Theatern im Revier kein Unbekannter ist, hat sich in New York mit einem Stück über zwei Dirigier-Giganten des 20. Jahrhunderts vorgestellt.

Leonard Bernstein und Herbert von Karajan, jedem Musikfreund ein Begriff, trafen sich zum letzten Mal 1988 im legendären Hotel Sacher in Wien. Die beiden Rivalen um Marktmacht und musikalische Meinungen verbrachten eine Nacht in der „Blauen Bar“, mit einem einzigen Zeugen, dem Kellner. Der bemerkt dreißig Jahre später, wie der amerikanische Schriftsteller, Filmemacher und Komponist Peter Danish … Weiterlesen

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Aufklärung, das unvollendete Projekt – opulente Ausstellung in Berlin

Erstdruck der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika vom 4. Juli 1776, gedruckt von Steiner und Cist in deutscher Sprache, Philadelphia, 8. Juli 1776. (© Deutsches Historisches Museum)

In einem der wirkungsmächtigsten Dokumente der demokratischen Staatsphilosophie, formuliert im Jahr 1776, wird festgestellt, „daß alle Menschen gleich erschaffen worden, daß sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt worden, worunter sind Leben, Freyheit und das Bestreben nach Glückseligkeit. Daß zur Versicherung dieser Rechte Regierungen unter den Menschen eingeführt worden sind, welche ihre gerechte Gewalt von der Einwilligung der Regierten herleiten; daß sobald einige Regierungsform diesen Endzwecken verderblich wird, es das Recht des Volks ist, sie zu verändern oder abzuschaffen, und eine neue Regierung einzusetzen, die auf solche Grundsätze gegründet, und … Weiterlesen

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Boualem Sansal muss aus der Haft entlassen werden

Gladbeck 2012: der französisch-algerische Schriftsteller Boualem Sansal im Gespräch. (Foto: Jörg Briese)

Der Nächste bitte! Mit der Gewöhnung an autoritäre Politik werden Angriffe auf die Meinungsfreiheit zur Regel.

Im Oktober 2012 hatte ich das Glück, Boualem Sansal in die Stadtbücherei Gladbeck einladen zu dürfen und mit ihm zu diskutieren. Das Gespräch dolmetschte Walter Weitz, in deutscher Sprache erschienene Texte Sansals las Schauspieler Martin Brambach. Inspirierende Abende wie dieser gehörten zu den Lichtblicken meiner Arbeit im Literaturbüro Ruhr.

In Algier verhaftet und angeklagt

Umso trauriger war ich lesen zu müssen, dass am 16. November dieses Jahres der bewunderte französisch-algerische Schriftsteller nach einer Rückreise aus Frankreich am Flughafen von Algier verhaftet worden ist. Einige Tage lag sein Verbleib ganz im Dunklen. Nicht … Weiterlesen

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Erzählstoff überall – Judith Kuckarts „Die Welt zwischen den Nachrichten“

Jede(r) möge es für sich bedenken: Welche – mehr oder weniger vagen – Berührungspunkte hatte mein Leben mit der Sphäre der Nachrichten? Und was folgt womöglich daraus? Judith Kuckart schneidet derlei Fragen in ihrem neuen, autobiographisch grundierten Roman „Die Welt zwischen den Nachrichten“ keineswegs umweglos an, sondern vielschichtig, hintergründig, zuweilen auch irrlichternd.

Staunenswert, welche Zeitlinien bis in die westfälische Provinzstadt Schwelm reichten, in der Judith Kuckart am (west)deutschen Einheits-Feiertag (17. Juni 1959) geboren wurde. Da war etwa die Schwelmer Apothekertochter Ina, die öfter auf die kleine Judith aufgepasst hat und sich Jahre später in Berlin (im Gefolge des Attentats auf den Studentenführer Rudi Dutschke) links radikalisiert hat. Noch etwas später war sie auf Plakaten der RAF-Terrorfahndung zu sehen und dürfte … Weiterlesen

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Kolonialzeit – Auch Westfalen war vielfach verstrickt

„Wie lange noch ohne Kolonien?“ – Diese deutsche Propaganda-Marke aus dem Jahr 1925 forderte die Rückgabe der Kolonien nach deren „Verlust“ durch den Ersten Weltkrieg und stellte den Kolonialismus als gleichsam „naturwüchsigen“ Wirtschaftskreislauf dar. Kolonien waren Rohstofflieferanten und lukrative Absatzmärkte.  (Foto/Repro: LWL)

Manche Zeitgenossen mögen gleich abwinken: Was soll denn Westfalen mit Kolonialismus zu tun haben? Berlin oder Hamburg, ja. Aber „wir“? Nun, beim genaueren Hinschauen zeigt sich: eine ganze Menge, bis hinein in lokale Verästelungen – und bis in rassistische Abgründe, die immer noch nachwirken.

Den vielfältigen Beweis tritt eine Ausstellung im Dortmunder LWL-Industriemuseum Zeche Zollern an. Der Titel fällt gleichsam mit der Tür ins Haus und duldet wenig Einspruch, er lautet „Das ist kolonial“. Es ist das zentrale … Weiterlesen

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Der betonierte Horror asiatischer Ballungsräume, oder: Warum das Ruhrgebiet gar nicht so übel ist

Verwechselbare Aussicht: Blick auf einen Teil Tokios (Bild: rp)

Ich bin in Asien gewesen. Kreuzfahrtschiff. Hong Kong und Shanghai, Südkorea und Taiwan, vor allem aber Japan. Mit wenigen Ausnahmen immer in Städten, in großen Städten, Megastädten – Großräume, nüchterner ausgedrückt, in die das Ruhrgebiet drei-, vier-, fünfmal hineinpassen würde. Hochstraßen auf mehreren Etagen, Hochbahnen, Hochhäuser und bei letzteren der unübersehbare Wettbewerb, wer den Größten hat, den größten Wolkenkratzer.

Das, was man sonst in Fernost so sucht, Gärten, Schreine, Historie, mickert irgendwo in der Ecke oder wird von der Stadtautobahn überdonnert. Deprimierender Gedanke des ersten Tages und vieler folgender: Hier möchtest du nicht leben.

Wahrnehmungen eines europäischen Touristen

Natürlich sind diese meine touristischen Wahrnehmungen, gelinde gesagt, ausschnitthaft und oberflächlich. Aber wie … Weiterlesen

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Gegen Diktatur half keine Kunst – Durs Grünbeins Kriegsbuch „Der Komet“

Mit 16 hat Dora bäuerliche Armut und dumpfe Enge ihrer schlesischen Heimat verlassen und ist mit ihrem Freund, dem Metzger Oskar, nach Dresden gezogen. Sie leben bescheiden und erschaffen ihren beiden Töchtern ein kleinbürgerliches Paradies.

Das Geld reicht aus, um in den Tierpark zu gehen und die Kunstschätze der Kulturmetropole zu bewundern. Von Politik halten sie sich fern. Das Gebrüll Hitlers ist ihnen suspekt. Vor dem Schicksal der mitleidlos vertriebenen Juden schließen sie aber die Augen. Und die mit dem Krieg am Horizont aufziehende Katastrophe wollen sie nicht wahrhaben. Obwohl die Front näher rückt und viele deutsche Städte bereits in Schutt und Asche liegen, glauben sie an die Unantastbarkeit und Unverletzlichkeit ihrer glorreichen Stadt.

Dann, in der Nacht auf den … Weiterlesen

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„Mut zu einem ganz neuen Anfang“ – David Grossmans Plädoyer für Frieden im Nahen Osten

Wenige Tage nach dem 7. Oktober 2023, als Terroristen die Grenze zu Israel überwanden, ein Massaker an Juden verübten und zahlreiche Geiseln nach Gaza verschleppten, schwankt David Grossman zwischen Entsetzen und Ohnmacht. Seit Jahren hatte der israelische Autor sich gegen die Besatzung ausgesprochen, Frieden und eine Zweistaaten-Lösung angemahnt.

„Was jetzt geschieht“, schreibt er, sei ein „Alptraum“ und zeige „den Preis, den Israelis zu zahlen haben, weil sie sich jahrelang von korrupten Politikern verführen ließen“, die „das Justizwesen, das Erziehungswesen wie auch die Armee unterhöhlten und bereit waren, uns alle existenziellen Gefahren auszusetzen, um den Ministerpräsidenten vor einer Gefängnisstrafe zu bewahren.“

Doch bei aller „Wut auf Netanjahu, seine Leute und sein Vorgehen“ dürfe man sich „keiner Täuschung hingeben: Die Gräueltaten dieser … Weiterlesen

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Eher widerwillig mitgemacht – Borussia Dortmund zur NS-Zeit

Wie stand es in der NS-Zeit um den BVB? Hat der Verein am faschistischen Unwesen freiwillig oder eher notgedrungen mitgewirkt? Solchen Fragen, die sich keinesfalls „erledigt“ haben, widmen sich Rolf Fischer und Katharina Wojatzek in ihrem Buch „Borussia Dortmund in der Zeit des Nationalsozialismus 1933-1945″.

Sie haben, so gut es angesichts der schwierigen Quellenlage nur ging, das Thema mit dem Rüstzeug der Geschichtswissenschaft eingehend recherchiert und bislang unbekannte Details zutage gefördert. Der BVB, dessen Präsident Reinhold Lunow ein Vorwort geschrieben hat, hat die Untersuchung nach Kräften unterstützt. Gut so.

Wertvolle Pionierarbeit hatte schon 2002 Gerd Kolbe mit seiner Publikation „Der BVB in der NS-Zeit“ geleistet, für die er noch zahlreiche Zeitzeugen befragen konnte. Im Sinne der zunehmend aufgewerteten „Oral History“ … Weiterlesen

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Wie sich die Arbeitswelten wandeln (und was darüber geschrieben wird) – 50 Jahre Fritz-Hüser-Institut in Dortmund

Es waren andere Zeiten: Fritz Hüsers Büro in der Hauptverwaltung der Stadtbücherei Dortmund (damals Hohe Straße 100), sozusagen eine Keimzelle des Hüser-Instituts. (© Fritz-Hüser-Institut)

Wo soll man anfangen und wo aufhören? Wo beginnt die „Arbeitswelt“, wo endet sie? Solche Fragen drängen sich auf, wenn es um die Entwicklung des „Fritz-Hüser-Instituts für Literatur und Kultur der Arbeitswelt“ in den letzten 50 Jahren geht.

50 Jahre – das ist die Zeitspanne seit Gründung der in Dortmund ansässigen Einrichtung, die aus der Büchersammlung des Bibliothekars und vormaligen Werkzeugmachers Fritz Hüser (1908-1979) hervorgegangen ist und kürzlich Jubiläum feiern konnte. 1973 übergab Hüser seine seit den 1920er Jahren entstandene Sammlung, die bis heute auf rund 50.000 Bände sowie etliche literarisch Vor- und Nachlässe angewachsen ist, … Weiterlesen

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Kehrseiten des Expressionismus – eine nachdrückliche Befragung in Dortmund

Kunstgenuss ist in Dortmund keineswegs ausgeschlossen: Ernst Ludwig Kirchners Gemälde „Sertigweg“, 1924/26, Öl auf Leinwand (Sammlung Horn, Stiftung Rolf Horn / Landesmuseen Schleswig-Holstein, Schloss Gottorf, Schleswig)

Der Expressionismus ist museal vielfach durchbuchstabiert worden. Gibt es da noch Neues zu entdecken? In Dortmund wird es versucht.

Der Reihe nach: Die Sammlung Horn bereichert seit 1988 das schleswig-holsteinische Landesmuseum Schloss Gottorf in Schleswig. Nun wird dort umgebaut, deshalb können die Bestände auf Reisen gehen. Die Tournee hat im Kirchner-Museum zu Davos begonnen, wo man sich – wie meist üblich – auf Künstler-Persönlichkeiten konzentriert hat: Heckel, Kirchner, Schmidt-Rottluff, Pechstein, Rohlfs, Nolde, Jawlensky, Kollwitz.

In Dortmund, wo die Sammlung Horn unter dem Titel „Expressionismus – hier und jetzt!“ gastiert, soll diese Kunst hingegen nicht … Weiterlesen

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„Der doppelte Erich“ – wie Kästner sich durch die NS-Zeit lavierte

Erich Kästner scheint, von heute aus betrachtet, zu den Unbezweifelbaren zu gehören. War er nicht eindeutig „links“ und somit unverdächtig, es auch nur ansatzweise mit dem NS-Regime gehalten zu haben? Wenigstens bis in die späten 1960er Jahre galt er quasi als geheiligt, und bis heute scheint sein Andenken gegen Attacken gefeit. Sind seine Bücher nicht schon 1933 auf den schändlichen Scheiterhaufen der Nazis verbrannt worden? Ja, gewiss, so war es. Und doch…

…und doch gibt es jetzt ein bedenkenswertes Buch, in dem etliche Zweifel an seiner Redlichkeit laut werden. Diese Einwände lassen sich wohl nicht so einfach beiseite wischen. Kästner, schon am Vorabend des „Dritten Reiches“ mit Büchern wie „Emil und die Detektive“ (1931) weithin berühmt, ist alle die finsteren … Weiterlesen

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Lauter schmerzliche Verluste – Dortmund damals und jetzt

Titelseite des Bandes mit der damaligen Brückstraße und der Marienkirche links im Hintergrund, 1920er Jahre. Die Dimension der Verluste wird so recht deutlich, wenn das hier nur eingeklinkte neue Bild in gleicher Größe erscheint wie das alte (im Buch auf der Doppelseite 16/17). Es offenbart sich dann eine städtebauliche Sünde sondergleichen. (Historisches Bild: Sammlung der LWL-Museen für Industriekultur, Westfälisches Landesmuseum / Neue Fotografie: Frauke Kreutzmann, Wartberg Verlag)

Schaut man sich Dortmunder Ansichtskarten aus Vorkriegs- und noch früheren Zeiten an, so könnte man mindestens wehmütig werden. Aller industriellen Verschmutzung zum Trotz, war das alte Dortmund eine vielfach schmucke Stadt mit etlichen repräsentativen oder gar imposanten Bauten und zahlreichen idyllischen Straßen und Plätzen. Daraus bezieht auch der neue Bildband „Dortmund Gestern | … Weiterlesen

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Jenseits der Mythen – Interview mit dem Callas-Biographen Arnold Jacobshagen

Vor 100 Jahren, am 2. Dezember 1923, wurde in New York eine der bedeutendsten Sängerinnen der Musikgeschichte geboren: Maria Callas. Zum ihrem 100. Geburtstag sprach Werner Häußner mit dem Autor einer neuen Biographie, dem Kölner Musikwissenschaftler Arnold Jacobshagen, über das Geheimnis der Gesangskunst der Callas und die Mythen um ihre Person.

Als Achtzehnjährige begann Maria Callas 1942 in Giacomo Puccinis „Tosca“ eine beispiellose Karriere. Mit Rollen wie Vincenzo Bellinis Norma und Amina („La Sonnambula“), Gaetano Donizettis Lucia di Lammermoor und Anna Bolena, Giuseppe Verdis Aida und Violetta („La Traviata“), vor allem aber mit der Wiederentdeckung von Opern wie Luigi Cherubinis „Medea“, Gasparo Spontinis „La Vestale“ oder Gioachino Rossinis „Armida“ wurde Maria Callas zur bis heute unerreichten Wegbereiterin des damals vergessenen … Weiterlesen

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„Achtung, Achtung! Hier ist die Sendestelle Berlin“: 100 Jahre Rundfunk als Massenmedium

Aus frühen Radiozeiten: historische Rundfunkempfänger im Radiomuseum Hans Necker zu Bad Laasphe. (Aufnahme von 2007: Bernd Berke)

Am 29. Oktober 1923 beginnt die Geschichte des Rundfunks als Massenmedium in Deutschland. Auf „Welle 400 Meter“ ist der Sprecher Friedrich Georg Knöpfke zu hören, wie er mit getragenem Pathos „Achtung, Achtung! Hier ist die Sendestelle Berlin, im Vox Haus“ ansagt. In Nordrhein-Westfalen und dem besetzten Ruhrgebiet startet die Radiogeschichte jedoch erst ein Jahr später.

An jenem Oktobertag, Punkt acht Uhr abends, teilt der Direktor der „Funkstunde Berlin“ den 253 Personen, die bereits eine Hör-Lizenz besaßen, mit, „dass am heutigen Tage der Unterhaltungsrundfunkdienst mit Verbreitung von Musikvorführungen auf drahtlos-telefonischem Wege beginnt. Die Benutzung ist genehmigungspflichtig. Als erste Nummer bringen wir: Cellosolo mit Klavierbegleitung, … Weiterlesen

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Entwaffnend: Platons „Apologie des Sokrates“, neu übersetzt

Sonderlich geschickt war es eigentlich nicht, was Sokrates da angerichtet hat. Er hat allerlei Fachleuten in Athen, die sich für ungemein wissend hielten, glasklar vorgeführt, dass sie im Grunde nichts wussten – und damit natürlich mancherlei Eitelkeiten verletzt.

Eigentlich kein Wunder, dass sich viele dieser Kleingeister gegen den umtriebig umher ziehenden und disputierenden Philosophen verbündet haben, Anklage gegen den angeblichen Verderber der Jugend erhoben und schließlich gegen ihn die Todesstrafe durch den berühmt-berüchtigten Schierlingsbecher erwirkten. Dabei war es keine hochfahrende Arroganz, die Sokrates antrieb; auch er selbst wusste von sich, dass er (nahezu) nichts wusste. Nur vielleicht ein klein wenig mehr als seine Gegner.

Vor dem erwähnten Todesurteil durfte Sokrates eine öffentliche Verteidigungsrede halten, seine Apologie. Platon hat sie bekanntlich … Weiterlesen

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Der Veranstaltungsort als Ausstellungsstück: Bonner Bundeskunsthalle widmet sich der Postmoderne

Alessando Mendini: „Interno di un interno (Sofa)“, 1990 (Foto: Collection Groninger Museum, Bundeskunsthalle Bonn)

Sind wir zu früh? Über die „Postmoderne“ – um die geht es hier – ließe sich eigentlich doch erst streiten, wenn man sie gut und ganz im Blick hätte. Dafür müßte man sie aber verlassen haben, sich in einer Art Post-Postmoderne befinden mit sachlich-distanziertem Blick auf das, was bisher geschah.

Wenn die Bonner Bundeskunsthalle nun in einer großen Ausstellung eben jene Postmoderne zum Thema macht: „Alles auf einmal: die Postmoderne. 1967 – 1992“, mag der Grund auch eher schlichter Natur sein. Sie sind nicht eher fertiggeworden. Eigentlich war diese oder eine doch recht ähnliche Veranstaltung geplant für das Jahr 2022, in dem nämliche Bundeskunsthalle 30 Jahre … Weiterlesen

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Vom Dosenaufreißer bis zum Propeller – Schau zur Archäologie der Moderne in Herne

In Herne wie ein Kleinod präsentiert: Dosenring vom Woodstock-Festival, 15. bis 18. August 1969. (Leihgeber: The Museum at Bethel Woods, Bethel (USA) / Foto: Bernd Berke)

Was glitzert denn da in der Vitrine? Ein ziemlich kleines Objekt. Wahrscheinlich kostbar. Mal näher rangehen. Nanu? Das ist ja ein ringförmiger Dosenaufzieher der gewöhnlichsten Sorte (mutmaßlich für Coca oder Pepsi); noch dazu angerostet, aber präsentiert wie ein Kleinod oder gar Kronjuwel. Dazu muss man allerdings wissen, dass das alltägliche Stück zu den materiellen Hinterlassenschaften des legendären Woodstock-Festivals (1969) gehört und vielleicht Rückschlüsse auf das Ereignis zulässt, das eine ganze Generation mitgeprägt hat. Und wer zeigt so etwas?

Nun, wir befinden uns im LWL-Museum für Archäologie und Kultur in Herne. Das Haus zählt zu … Weiterlesen

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Diese oft bizarre Republik – Robert Lebecks Fotoband „Hierzulande“

Fast so rätselhaft wie einer seiner Thriller: mysteriöser „Fingerzeig“ für Alfred Hitchcock in der deutschen Bahn – das Cover von Robert Lebecks Foto-Bildband „Hierzulande“. (© Robert Lebeck / Steidl Verlag)

Es beginnt 1955 mit Momenten einer (nachträglichen) „Geburtsstunde“ der Bundesrepublik Deutschland, die den Krieg „endgültig“ hinter sich zu lassen glaubte. Der Fotograf Robert Lebeck (1929-2014), damals gerade 26 Jahre alt, lieferte für die Zeitschrift „Revue“ Aufnahmen der letzten deutschen Kriegsgefangenen, die aus russischen Lagern zurückkehrten.

Ausgemergelt, sichtlich erschöpft, in einheitliche Wattejacken gekleidet, so kamen sie mit notdürftigen Holzkoffern ins fremd gewordene Heimatland. Und nun schaue man, wie sie ihre Familien wiedersehen, welche Freudentränen da fließen, welches Befremden sich jedoch auch allseits zeigt und wohl nicht offen zu zeigen wagt. Schließlich: … Weiterlesen

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Fröhlicher Feminismus der Frühzeit: Stummfilme beim Dortmunder Frauen Film Fest

„Aufräumen“, dass die Bude wackelt: anarchisch-chaotische Szene aus dem französischen Stummfilm „Cunégonde reçoit sa famille“ (1912). (Frauen Film Festival IFFF Dortmund + Köln / Filmmuseum EYE, Amsterdam)

Vor rund 110 bis 120 Jahren sah die Frauenbewegung im Kino noch etwas anders aus. Da war es wohl schon ein gewisses Wagnis, wenn eine Frau – gern gemeinsam mit Freundinnen – den Männern ein Schnippchen schlug. Oft ging’s dabei frisch, fröhlich und frei zu. Diesen Eindruck vermitteln jedenfalls die ausgewählten Stummfilme, die beim Internationalen Frauen Film Fest IFFF in Dortmund (diesmal wieder Hauptort) und Köln (Nebenspielstätte) gezeigt werden. Ein paar Beispiele fürs muntere Treiben der historischen „Komplizinnen“, wie sie beim Festival heißen:

Die Herrschaften sind fort, vor allem der reiche Sack von … Weiterlesen

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Berliner Baustellen-Blues: Pergamonmuseum schließt für einige Jahre

Licht und Schatten: Detail des Berliner Pergamonmuseums. (Foto: © SPK / Stefan Müchler)

Während draußen auf den Berliner Straßen die Nazis marschierten und Hitlers Machtergreifung herbei prügelten, suchte der junge Kommunist und angehende Schriftsteller Peter Weiss oft Zuflucht im damals neu erbauten Pergamonmuseum. Vor allem der Pergamonaltar hatte es ihm angetan. Immer wieder studierte er das gigantische Bauwerk aus dem 2. Jahrhundert vor Christi, das einst zur Residenz der mächtigen Könige von Pergamon gehörte und unter dubiosen Umständen in die deutsche Hauptstadt geschafft wurde.

Die auf dem Fries dargestellten Szenen vom ewigen Streit zwischen den Menschen und Göttern sowie die mühsam in den Stein gehauene künstlerische Kreativität waren für ihn Ausdruck der geschichtsbildenden Kraft des Klassenkampfes und der lichten Zukunft … Weiterlesen

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Die Sammlung um und um gewendet: „REMIX“ im Dortmunder MKK

Besonderheit in der MKK-Kunstsammlung – Caspar David Friedrich: „Winterlandschaft mit Kirche“, 1811 (© MKK, Madeleine-Annette Albrecht)

Dortmunds Museum für Kunst und Kulturgeschichte (MKK) will verstärkt Emotionen ansprechen. Darauf deuten jedenfalls Texte des städtischen Hauses zur Ausstellung „REMIX“ hin. Zitat: „Wen schaut sie an, die schöne Italienerin, die Theobald von Oer malte? Was geht der geheimnisvoll nachdenklichen Leontine des Anselm von Feuerbach durch den Kopf?“

Aha, sie wollen uns also bei den menschlichen Gefühlen packen, auf dass die Kunst noch einmal andere Spannung gewinne; selbst dann, wenn man einzelne oder etliche Bilder schon kennen sollte. Dann noch ein flottes englisches Titelwort darüber gesetzt – und beinahe fertig ist die neu aufgemischte Schau „REMIX. 800 Jahre Kunst entdecken“.

Adriaen Isenbrandt „Gebet am

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Papst Benedikt XVI. ist tot: Kritische Erinnerung an eine prägende Gestalt

Joseph Ratzinger, der emeritierte Papst Benedikt XVI., ist tot. Er starb am heutigen Festtag eines heiligen Papstes, Silvester. Die Gedenkartikel und Nachrufe, für einen 95-Jährigen längst vorbereitet, werden sich in den nächsten Tagen häufen und uns in ein neues Jahr begleiten. Joseph Ratzinger als Denker, als Theologen, als Kirchenmann und als Papst zu würdigen, ist eine kaum zu bewältigende Aufgabe. Daher nur ein paar wenige, persönliche Gedanken.

Der 2013 zurückgetretene Papst Benedikt XVI., aufgenommen am 10. Juni 2010. (Foto: Mark Bray/Flickr – Creative Commons). Link zur Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/

Natürlich gehörte Joseph Ratzinger für einen theologisch ausgebildeten und lange Jahre kirchlich tätigen Journalisten wie mich zum Alltag: Seine „Einführung in das Christentum“ war Standardlektüre, um seine Stellungnahmen als Konzilstheologe, als Erzbischof … Weiterlesen

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„Irgendwann werden wir uns alles erzählen“ – Daniela Kriens Roman jetzt endlich auf der größeren Bühne

Das Alte ist in sich zusammengebrochen, das Neue hat noch keine feste Form. In Stein gemeißelte Gewissheiten und Ideologien sind zerbröselt. Wo eben noch alles klar war und die Zukunft rosig schien, herrschen jetzt chaotische Unübersichtlichkeit und nervöse Angst. Manche lecken ihre Wunden, andere wissen nicht, wie es weitergeht.

Maria, die bald 17 wird, die Liebe entdeckt und vor einem kurzen Sommer der Anarchie steht, ist hin und her gerissen zwischen heller Euphorie und dunkler Depression, lautem Aufbruch zu neuen Ufern und schmerzlichem Verlust von Heimat und Herkunft. Ihr Vater hat sich vor Jahren in die Sowjetunion abgesetzt und wird den Kollaps des Kommunismus gut verdauen. Die volkseigene Fabrik ihrer Mutter hat den Fall der Mauer nicht überstanden. Seitdem döst … Weiterlesen

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Zornige Suada – längst nicht nur gegen die Finanzbehörden: Elfriede Jelineks „Angabe der Person“

Seit Elfriede Jelinek den Literaturnobelpreis erhielt, hat sie sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Es schien, als sei sie in ihrem Werk verschwunden und sie lebe nur noch in ihren Texten. Umso überraschender, dass es Claudia Müller gelang, die scheue Autorin mit der Kamera zu begleiten und das filmische Porträt „Die Sprache von der Leine lassen“ zu realisieren. Kaum ist der Film in den Kinos, legt Elfriede Jelinek nach und veröffentlicht einen neuen Text: „Angabe der Person“. Der Verlag kündigt an, das Buch sei die „Lebensbilanz“ der Autorin. Stimmt das?

Tatsächlich benutzt Jelinek einmal das Wort „Bilanz“ und schreibt: „Ich ziehe Bilanz, obwohl es dafür zu früh ist.“ Sie meint aber damit nicht, dass sie ihr Leben bilanzieren will. Dann müsste … Weiterlesen

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Pläne im Museum Folkwang: Digitale Abenteuer, Ideen für Krisenzeiten

In der digitalen Welt: Rafaël Rozendaal „much better than this, 2006″, Multimedia-Installation, Times Square, New York City, 2015. (© Rafaël Rozendaal / Upstream Gallery, Amsterdam)

Das Jubiläumsjahr neigt sich dem Ende zu: Essens Museum Folkwang besteht seit 100 Jahren und hat den Anlass vielfältig begangen, u. a. mit der opulenten Kunstschau „Renoir, Monet, Gauguin“, aber auch mit etlichen Festivitäten und Aktionen im Stadtgebiet, worauf Folkwang-Direktor Peter Gorschlüter besonderen Wert legt – ebenso wie auf Nachhaltigkeit, die sich neuerdings in Photovoltaik auf den Flachdächern des Museums manifestiert.

Derart viel „Wumms“ (sagt man heute manchmal so) wird es 2023 wohl nicht geben können. Derweil erfordert es einige Phantasie, um sich Details zum einen oder anderen Projekt überhaupt vorzustellen.

Da wäre etwa eine … Weiterlesen

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„Nun zähl auf, was es gibt“: Durs Grünbeins Gedichtband „Äquidistanz“

Speziell durch Berlin lässt es sich nicht einfach so arglos gehen oder gar unbeschwert flanieren. Viel zu groß ist die Geschichtslast, die hier eigentlich alle Wege beschwerlich macht. Mit diesem (hernach vielfach variierten und verdichteten) Befund beginnt Durs Grünbeins neuer Gedichtband „Äquidistanz“.

Da heißt es etwa im ersten Zyklus:

Schattiger Waldweg, sprich: zu welchem KL, Außenlager, Nebenlager, Arbeitsdienstlager, Waffendepot, Folterkastell führst du mich?

In der folgenden Strophe, ganz bündig:

und immer kreuzt eine Vergangenheit den Weg.

Kriege, Diktatur und Teilung haben tiefe Spuren hinterlassen, die hier überall zu finden und kaum zu verwischen sind. Auch die heutige Stadtlandschaft erweist sich – im Gedicht „Der Ort“ – als unwirtliches Brachland:

Keine Heimat: Für die Ausgestoßenen bloß eine Anhäufung von Steinen.

Das … Weiterlesen

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Impressionismus und Fotografie – zwei Wege in die Moderne

Fotografie im Geiste des Impressionismus – Peter Henry Emerson: „Seerosenpflücken“, 1886 (Platindruck, 19,5 x 29 cm). Staatsgalerie Stuttgart, Graphische Sammlung, erworben 1989, Sammlung Rolf Mayer. (© Foto: bpk / Staatsgalerie Stuttgart / Peter Henry Emerson)

Es gab nicht viele deutsche Museen, die impressionistische Kunst lange vor dem Ersten Weltkrieg gesammelt haben, als sie noch nicht kanonisiert war. In Berlin, Hamburg, München und Bremen waren sie immerhin frühzeitig dabei – und wohlgemerkt in Wuppertal, wo das örtliche Kunsthaus vor 120 Jahren (genau: am 25. Oktober 1902) bürgerschaftlich gegründet wurde.

Mit dem Pfund der frühen Ankäufe (u. a. Werke von Sisley, Signac, Cézanne, Monet) lässt sich noch heute wuchern, und so bestreitet man jetzt abermals überwiegend aus Eigenbesitz eine Ausstellung zum Themenkreis. … Weiterlesen

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Die „Hitlerwerdung“ Adolf Hitlers – Feridun Zaimoglus riskanter Roman „Bewältigung“

Als Romangestalt bleibt der Autor namenlos. Zunehmend scheint es so, als hätte eine fremde Macht von ihm Besitz ergriffen, so dass er gar kein Individuum mehr sein kann; als hätte er sich selbst verloren. Dahinter steht ein furchtbar monströses Projekt: Er hat sich vorgenommen, einen Roman zu schreiben, dessen Hauptperson Adolf Hitler ist. Genauer: Es geht um die frühen Jahre nach dem Ersten Weltkrieg, sozusagen um die „Hitlerwerdung“ Hitlers.

Besagter Autor hat Dutzende von Büchern durchgearbeitet, die das „Phänomen“ Hitler erschließen sollen. Er hat sich auf Recherche-Reise begeben – nach Bayreuth, wo Winifred Wagner den späteren „Führer“ angehimmelt hat; nach München, wo er einige Lieblingsorte Hitlers aufsucht; nach Dachau; zum Obersalzberg.

Mehr und mehr muss der Autor sich Hitler als … Weiterlesen

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Alles bergen, was nicht vergessen werden soll: „Papyrus. Die Geschichte der Welt in Büchern“

Als Marcus Antonius in Ägypten ankam, war Rom zwar das Zentrum des größten Reiches im Mittelmeerraum. Aber eigentlich war es nur ein Labyrinth aus schlammigen Gassen. In Alexandria gab es hingegen Paläste, Tempel, Denkmäler – und eine Bibliothek, in der das Wissen der Welt gespeichert und dem Vergessen entrissen wurde.

Marcus Antonius, vom Wunsch beseelt, seiner Geliebten Kleopatra, die Sinnlichkeit und Kultur auf einzigartige Weise verkörperte, ein besonderes Geschenk zu machen, entschied sich für etwas, was die ägyptische Herrscherin nicht mit gelangweilter Mine zur Kenntnis nehmen konnte: Er ließ ihr 200.000 Bände für die Bibliothek zu Füßen legen, denn: „In Alexandria waren Bücher Treibstoff für Leidenschaften.“

Auch das Internet ist eine Bibliothek

Die spanische Autorin Irene Vallejo kennt viele solcher … Weiterlesen

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„Wie eine Straßenköter-Mischung“ – Jugendstil und Artverwandtes im Dortmunder Kaiserviertel

Detail einer Jugendstil-Fassade in der Dortmunder Kaiserstraße. (Foto: Bernd Berke)

Nein, ein typischer Ort des Jugendstils sei Dortmund nicht, sagt Stadtführer Wolfgang Kienast gleich zu Beginn: „Wir sind hier nicht in Darmstadt und haben keine Mathildenhöhe.“ Auch das benachbarte Hagen habe in hochkarätiger Hinsicht mehr zu bieten, Stichwort Hohenhof. Doch immerhin befassen sich vier verschiedene Dortmunder „Stadtspaziergänge“ mit dem Jugendstil und artverwandten Richtungen. Nanu?

Die lehrreichen Rundgänge führen durch Hörde (erst seit 1928 zu Dortmund gehörend), ins Kreuzviertel, ins Kaiserviertel – und in die wegen sozialer Verwerfungen oftmals verrufene Nordstadt. Staunenswert genug: Just dort gibt es das größte zusammenhängende Jugendstilviertel von ganz Nordrhein-Westfalen. Wolfgang Kienast nennt auch einen Grund: Als nach dem Zweiten Weltkrieg die Abrisswut grassierte und die ach … Weiterlesen

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Größe und Grenzen: Oper über Kardinal Galen und seinen Widerstand im Dritten Reich in Münster uraufgeführt

Andreas Beckers Bühne für „Galen“ am Theater Münster macht Bedrohung und Zerstörung in der Symbolik des Raumes erfahrbar. (Foto: Oliver Berg)

Nur ein Name steht da: Galen. Kein Titel, keine Beschreibung. Wäre „Der Löwe von Münster“ nicht ein viel attraktiverer Titel gewesen? Aber der Schriftsteller Stefan Moster und der Komponist Thorsten Schmid-Kapfenburg nannten ihre Oper einfach nur „Galen“.

Der Bischof von Münster, entschiedener Gegner der Nazis und ihrer Ideologie, berühmt geworden durch seine Predigten gegen die Euthanasie, sollte als Mensch auf der Bühne auftauchen, nicht als Amtsträger, nicht als Subjekt der Verehrung. Am Theater Münster wurde die Oper uraufgeführt; nach über drei Stunden, die wie im Flug vergehen, bleibt das Auditorium lange Sekunden still, bis der Beifall einsetzt.

Golo Berg, … Weiterlesen

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Als die Revolte noch ganz jung war – Rückblick auf ein Gespräch mit F. C. Delius

Friedrich Christian Delius am 16. März 2012 bei einer Podiumsdiskussion auf der Leipziger Buchmesse. (Foto: © Wikimedia Commons: Amrei-Marie – Link zur Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)

Der Schriftsteller Friedrich Christian Delius ist am 30. Mai mit 79 Jahren in Berlin gestorben. Aus diesem Anlass noch einmal die Wiedergabe eines kurzen Gesprächs, das ich auf der Frankfurter Buchmesse 1997 mit ihm führen durfte:

Die Werkliste des Friedrich Christian Delius (54) ist lang. Das Spektrum reicht von herzhaften Attacken auf Konzerne („Unsere Siemens-Welt“, 1972) bis zum Romanzyklus über den „Deutschen Herbst“ des Jahres 1977. In „Der Sonntag, an dem ich Weltmeister wurde“ (1994) schilderte Delius die Gefühle eines kleinen Jungen zur Zeit der Fußball-WM 1954. Sein Roman „Amerikahaus und der Tanz um die … Weiterlesen

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Am atomaren Abgrund: Buch über die Kubakrise 1962

Es waren wahrlich dramatische Tage – damals, im Oktober 1962. Wir („My Generation“) waren damals Grundschulkinder und haben kaum etwas von der Kubakrise mitbekommen. Die Medienwelt war noch längst nicht so unabweislich allgegenwärtig.

Man erschrickt noch 60 Jahre im Nachhinein zutiefst, wenn man sich das alles heute vergegenwärtigt; erst recht in Zeiten des europäischen Krieges in der Ukraine. Es ist, als wären wir wieder näher an „1962″ herangerückt.

Schon damals stand die Welt am atomaren Abgrund. Für die Vereinigten Staaten galt als Leitlinie noch nicht die später abgestufte „flexible response“, sondern das Prinzip der „massive retaliation“, also gleich der Griff ins ganze apokalyptische Arsenal.

Bloße Chronistenpflicht?

Rainer Pommerin (Jahrgang 1943), pensionierter Oberst und Geschichtsprofessor, schlägt nicht den großen Bogen einer … Weiterlesen

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Abbilder der Verhältnisse – im „Atlas des Unsichtbaren“

Sinnreiche Visualisierung komplexer Sachverhalte ist eine Kunst, auf die sich nicht viele verstehen. Im Netz geht neuerdings der Auftritt „Katapult“ steil, der auch verwickelte Dinge auf möglichst simple optische Umsetzungen „herunterbricht“ – mit wechselndem Geschick: Manches, aber längst nicht alles gelingt. In den „Atlas des Unsichtbaren“ sollte man sich hingegen einigermaßen vertiefen. „Auf einen Blick“ erlangt man hier nicht viel.

Die Autoren James Cheshire und Oliver Uberti versprechen laut deutschem Untertitel recht vollmundig „Karten und Grafiken, die unseren Blick auf die Welt verändern“. Die Kapitelüberschriften („Woher wir kommen“, „Wer wir sind“, „Wie es uns geht“, „Was uns erwartet“) erweisen sich als wenig trennscharf und taugen nicht zur Sortierung. Also heran an die vielen Einzelheiten, die eben nicht in solche Schubladen … Weiterlesen

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Historie in der Horizontale: „Was im Bett geschah“

Wenn man nur lange genug über ein Thema nachsinnt, scheint der Stoff schier uferlos zu werden. Beispielsweise das Bett und alles Drumherum. Was lässt sich da nicht alles erzählen! Es lassen sich damit zahllose Bücher füllen, beispielsweise das im Titel etwas anzüglich klingende „Was im Bett geschah“ (im Original noch eine Spur aktiver: „What We Did in Bed“), das als „Eine horizontale Geschichte der Menschheit“ firmiert.

Nadia Durrani und Brian Fagan kommen aus der Archäologie und fangen zwar nicht bei Adam und Eva, wohl aber bei unseren frühen Vorfahren vor einigen Tausend Jahren an, die verwertbare Funde hinterlassen haben. In der Vorzeit, so erfahren wir, haben Menschen wohl auf Bäumen geschlafen, andere wiederum in Hockstellung auf dem Erdboden. Wir lernen … Weiterlesen

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Ein Beitrag, der jetzt gestrichen werden muss

Seit den monströsen Kriegsverbrechen von Buschta (oder Buchta oder Butscha – sucht euch die Schreibweise aus, es ist zweitrangig) „gehen“ Texte wie der folgende, eilig gestrichene eigentlich nicht mehr, es verbietet sich jede auch noch so eingehegte Launigkeit. Da wir aber andererseits keine (Selbst)-Zensur ausüben wollen, bleiben die Ende März verfassten Zeilen noch notdürftig erkennbar.

Überhaupt vergeht einem schon seit einiger Zeit ganz gründlich die Lust auf kulturell oder feuilletonistisch angehauchte Betrachtungen. Obwohl gerade die Künste, sofern sie den Namen verdienen, ein dauerhaftes Gegengewicht sein und bleiben könnten… Ars longa, vita brevis.

Ceterum censeo: Jetzt endlich selbst das russische Gas abdrehen – und sei es „nur“ als starkes Zeichen ohne entscheidende Wirkung!

Was waren das noch für selige … Weiterlesen

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