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Balancieren am Absturz: Bravouröses Ensemble und faszinierende Bühne in Kurt Weills „Street Scene“ in Münster

Gefährdete Existenz: Garrie Davislim als Sam Kaplan in Kurt Weills "Street Scene" am Theater Münster. Foto: Oliver Berg

Gefährdete Existenz: Garrie Davislim als Sam Kaplan in Kurt Weills „Street Scene“ am Theater Münster. Foto: Oliver Berg

Der Tag kriecht dahin wie jeder andere: Hitze und Arbeit, Tratsch und Müßiggang, ein bisschen Liebe und ein bisschen Streit, etwas Sehnsucht und etwas Leid. Alltag eben, oder eine „Street Scene“, wie Kurt Weill seine „American Opera“ genannt hat. Er bleibt bei diesem neutralen Titel seiner Vorlage, einem mit dem Pulitzer Preis ausgezeichnetem Stück von Elmer Rice, einem der einst führenden Dramatiker der USA. Am Theater Münster hat Hendrik Müller Weills Musiktheater-Experiment neu inszeniert.

Ein beliebiges Haus, eine beliebige Straße, kein Reichtum, aber auch kein Elend, und Menschen aus aller Herren Länder, von Schweden und Irland bis Italien und Mexiko. Blitzlicht-Szenen lassen … Weiterlesen

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Erhellendes Experiment: Ulrich Peters verschneidet in Münster Verdis „Don Carlo“ mit Schnittkes „Requiem“

Einsamer König (Stephan Klemm) im Raum des Todes. Foto: Oliver Berg

Einsamer König (Stephan Klemm) im Raum des Todes. Foto: Oliver Berg

Giuseppe Verdi war kein Freund der Kirche. Mit beißendem Hohn kritisierte er klerikale Doppelmoral, mit bitterer Schärfe zerlegte er die politische Rolle des Vatikans in Italien. Aber er hatte Priester unter seinen engsten Freunden, respektierte die Frömmigkeit seiner Frau Giuseppina Strepponi und äußerte sich nach allem, was wir wissen, nie gegen das christliche Glaubensbekenntnis.

So liegt es nicht fern, in der Figur des Großinquisitors in seiner Oper „Don Carlo“ eine szenische Verkörperung von Verdis Antiklerikalismus zu sehen. Kaum ein anderer Komponist hat eine kirchliche Figur mit derart verstörend fahlen Klängen eingeführt; in kaum einer anderen Oper wird in wenigen Sätzen die unmenschliche Ideologie eines in sich erstarrten Systems so … Weiterlesen

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Massenet im Focus (II): „Thaïs“ in Bonn als Studie zu Hysterie, Begierde und Religion

Bildgewaltig, aber nicht konsequent genug genutzt: Rifail Ajdarpasics Bühne für Jules Massenets "Thais" am Theater Bonn. Foto: Thilo Beu

Bildgewaltig, aber nicht konsequent genug genutzt: Rifail Ajdarpasics Bühne für Jules Massenets „Thaïs“ am Theater Bonn. Foto: Thilo Beu

Sexualität, Psychoanalyse, Religion: Die geistigen Strömungen des 19. Jahrhunderts konnten diesem Spannungsfeld nicht entkommen. Faszination und Erschauern begleiteten es. Die katholische Kirche in Europa formulierte ihr tiefes Misstrauen gegen die gerade aufbrechenden Strömungen der Psychoanalyse, verschanzte sich hinter der Bekräftigung moralischer Konzepte und Urteile, die Jahrhunderte lang gegolten hatten. Die Moderne glaubte dagegen an einen Weg aus einer drückend empfundenen intellektuellen Erstarrung hin zu neuen Ufern der Erkenntnis und der geistigen Entwicklung.

1894, als der gläubige Katholik Jules Massenet seine Oper „Thaїs“ in Paris zur Uraufführung brachte, waren Sigmund Freuds „Traumdeutung“ und seine Studien zur Sexualtheorie noch nicht erschienen. Doch das … Weiterlesen

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Radikaler Neuenfels-Abend in Frankfurt: „Oedipe“ von Georges Enescu

Mythos und Politik, Tragisches und Heiteres. In der Frankfurter Oper spielen derzeit Stoffe aus der Antike eine beachtliche Rolle: Ezio und Oedipus, Daphne und Dido, dazwischen Ariadne und bald Danae und Orpheus. Ein weit gefasstes Spektrum, aus dem Georges Enescus „Oedipe“ herausleuchtet. Eine Oper, die seit ihrer Uraufführung 1936 eine ewige Anwartschaft aufs Repertoire einzulösen versucht. 2006 schien in Bielefeld Nicolas Broadhurst mit einer vielschichtigen Inszenierung einen Anstoß zu gelingen: vergeblich. Jetzt hat sich Frankfurt wieder auf den Solitär des rumänischen Komponisten besonnen und kein Geringerer als Hans Neuenfels gibt den Ausgräber.

Den eigensinnigen Altmeister des Regietheaters interessiert die Radikalität des Mythos. Er will ihn weder aktualisieren noch in antiker Form belassen. Er will ihn „an uns heranziehen“. Und wie … Weiterlesen

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