Kühne Kunst-Pläne in einer alten Villa – Ahlen verdankt sein neues Museum einem Industriellen

Von Bernd Berke

Ahlen. Diese Geschichte könnte beinahe im kulturellen Schlaraffenland spielen: Da überläßt ein Industrieller dem Kunstverein „seiner“ Stadt eine dreistöckige, geräumige Gründerzeitvilla und sorgt auch noch für den kostspieligen Umbau zum Museum. Im westfälischen Ahlen ist die Geschichte, die in rigiden Spar-Zeiten märchenhaft klingt, wahr geworden.

„Kunstmuseum Ahlen“ nennt man das schmucke Haus an der Weststraße jetzt stolz. Der Unternehmer Theodor F. Leifeld hat den 1882 errichteten Bau dem Kunstverein Ahlen zur Verfügung gestellt – vorerst bis Ende 1996. Man will halt erst einmal sehen, wie sich die Sache anläßt. Doch vor dem Haus entsteht bereits ein kleiner Skulpturengarten. Und eigentlich denkt man auch schon an weiteren Ausbau.

Der Kunstverein, der mit aktuellen Werken weiterhin die Stadtgalerie „bespielt“, möchte in seinem neuen Domizil zunächst ein Museum mit ständiger Sammlung aus der klassischen Moderne einrichten – und dann vielleicht sogar noch eine kleine Kunsthalle für Wechselausstellungen daneben stellen. Wahrlich ehrgeizige Pläne in der „Provinz“. Dem Kunstverein (Vorsitz: Walter Rinke) kommt diese Aufbruchstimmung zugute. Binnen Jahresfrist ist die Zahl der Mitglieder von 80 auf 132 gestiegen.

Auch die Auftakt-Schau im neuen Hause läßt hoffen, daß der Ehrgeiz nicht bodenlos ist. Denn man hat eine kompakte, recht aufschlußreiche Präsentation zum Thema „Bauhaus“ zusammengetragen, mit einigen Originalwerken von Größen wie Klee, Schlemmer, Feininger, Moholy-Nagy und Kandinsky. Sie alle waren Lehrmeister am „Bauhaus“ (Weimar / Dessau / Berlin), das besonders in den 20er Jahren mit der Kunst auch eine umfassende Reform des Alltags anstrebte.

Zum Vergleich zeigt man in Ahlen auch Arbeiten von damaligen Bauhaus-Schülern. Es sind Belege für die Wirksamkeit einer Lehre, deren Verästelungen bis in die Nachkriegszeit reichen und sogar „unser aller Kunst-Unterricht in der Schule beeinflußt haben“, wie Ausstellungsleiter Burkhard Leismann meint. Auch westfälische Ausläufer der Bauhaus-Richtung (Fritz Winter, Fritz Levedag) werden dargestellt.

Das Spektrum der Ausstellung ist breit und reicht von Tafelbildern und Fotografie über Architektur-Modelle und Lampen-Entwürfe bis hin zu Sitzmöbeln – all das im nüchternen, auf praktische Funktion ausgerichteten Bauhaus-Geist. Zuweilen staunt man, wie kühn und weit „damals“ vorausgedacht wurde. Das Bauhaus setzte Wegmarken, auf die man sich erst heute wieder besinnt.

Die Ahlener warten zudem mit einer Überraschung auf. Sie konnten einige Stücke aus einer hochkarätigen Heidelberger Privatsammlung auswählen, die selbst in der Fachweit weithin unbekannt ist.

Kunst-Museum Ahlen (Weststraße 98 / Tel.: 02382/3511): „Das Bauhaus – Gestaltung für ein modernes Leben“. Ab 5. Dezember (Einlaß am Eröffnungstag: 14 Uhr) bis 6. Februar 1994. Di-Fr 15-18 Uhr, Do 15-20. Sa/So 11-18 Uhr). Eintritt 3 DM; ermäßigt 1 DM. Katalog 30 DM.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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