Zwei Tage Kulturschock in New York – der neue Film von Julie Delpy

Sommerlochzeit. Das Gros der Kulturschaffenden hat sich in die Sommerpause verabschiedet. Da man derzeit eh den Eindruck hat, der Sommer finde nur noch in Filmen statt – eine gute Zeit, mal wieder ins Kino zu gehen. Der Film, für den wir uns entschieden, spielt zwar in der Zeit um Halloween, ist aber dennoch eine sommerlich leichte wunderbare Abwechslung während des Monsuns: 2 Tage New York – die Fortsetzung von 2 Tage Paris, des Überraschungshits aus dem Kinosommer 2007.

Die Protagonisten sind älter geworden, aber nicht unbedingt reifer. Zumindest allerdings ein bisschen weniger sexbesessen. Der nervige Jack ist zum Glück Geschichte, von ihm ist nur noch am Rande die Rede. Hat er der Heldin Marion doch den schnuckeligen kleinen Sohn Lulu beschert. Marion (Julie Delpy) zankt sich nun mit Mingus (Chris Rock), einem um Klassen attraktiverem, schlagfertigerem und sympathischerem Mann als die Nervensäge Jack. Mingus hat die Tochter Willow mit in die französisch-amerikanische Patchwork-Familie gebracht, alle zusammen sorgen für ein liebevolles, aber geordnetes kreatives Chaos.

Fotografin Marion steht am Vorabend einer ihrer bis dato größten Vernissagen. Als konzeptionelle Beigabe und zur Beilegung ihrer finanziellen Engpässe plant sie als Höhepunkt den Verkauf ihrer Seele. Davon abgesehen, dass diese nur enttäuschende 5000 Dollar wert ist, muß Marion sich in diesen zwei Tagen wieder mit ihrer französischen Familie rumschlagen, die zahlreicher als erwartet angereist ist, um der Vernissage, den Halloween-Feierlichkeiten und der Familien-Intimität allgemein beizuwohnen.

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Julie Delpy allein ist schon Grund genug, ins Kino zu gehen. Ihre Rolle ist Lichtjahre weg von der ätherischen Sabeth aus „Homo Faber“. Delpys Marion ist eine gestandene Frau, kreativ, chaotisch, liebevoll. Ein Charakter, den man ihr unbesehen abnimmt und von dem man sofort glaubt, dass sie auch im wirklichen Leben diesen Reifeprozess durchlebt und sich genauso entwickelt hat. Wie in 2 Tage Paris zeichnete die Delpy nicht nur für die Produktion verantwortlich, sondern führte auch Regie. In der männlichen Hauptrolle glänzt diesmal der Komiker Chris Rock und er macht das großartig. Überzeugend schwankt er zwischen ernsthaft und komisch, überfordert und der Situation gewachsen. Wunderbar verschroben, eigenwillig und liebenswert wiederum Albert Delpy, auch im echten Leben der Vater der Hauptdarstellerin. Alexia Landeau als Rose, der stadtneurotischen Schwester Marions, Alex Nahon als der rücksichtslose Ex-Geliebte von Marion und nunmehr Geliebter von Rose sind die witzige Krönung des Ganzen. Natürlich fehlt auch der in einem Delpy Film obligatorische Glücksbringer-Auftritt von Daniel Brühl nicht. Nach dem militanten Veganer im ersten Teil verkörpert er diesmal einen unbeirrten Baumschützer, wenn er auch in Teil zwei das Fliegen nicht lernen darf.

Julie Delpy spielt mit den Klischees, von denen sie nicht ein einziges auslässt. „Der amerikanische Traum trifft die französische Revolution“, so hieß es in der Ankündigung und diese verspricht nicht zuviel. Zwei Tage Kulturschock reichen, um aller Leben gehörig zu verwirbeln. Nicht einmal die guten französischen Würste kriegt der Vater durch den Zoll und er muss lange warten, bis er ein auf dem Bürgersteig geparktes Auto findet, welches er aus hehrem Prinzip zerkratzen kann. Rose hüpft den lieben langen Tag ohne Höschen durch die Gegend und bringt nicht nur Mingus, den bis zu einer gewissen Grenze liberalen, aber im Herzen stockkonservativen Schwarzen, der sich von einem Pappkameraden in Gestalt Obamas beraten lässt, in die Bredouille. Es geht auch wieder um das freizügige Sexverständnis der Franzosen, die Prüderie der Amerikaner, aber wenigstens nicht so ausschließlich wie in 2 Tage Paris. Die Sprachschwierigkeiten sind dabei eher eine Hilfe als ein Hindernis. Denn mehr als einmal ist es nur gut, dass man aneinander vorbeiredet.

Mit seinen witzig-chaotischen Szenen führt der Film die romantischen Komödien Hollywoods vor und dreht sie gekonnt ins Surreale. Die Franzosen kennen keine political correctness und darauf Rücksicht zu nehmen, ist das Letzte, was ihnen in den Sinn käme. Sie benehmen sich überall daneben, das aber mit viel Charme. Manchmal überdrehen sich die Szenen ins Hysterische, das kann zugegebenermaßen nerven. Alles in allem ist es aber gerade das Überdrehte, Wahnwitzige, welches diese Großstadtkomödie so liebenswert macht. Neben der unvergleichlichen Julie Delpy natürlich. Versteht sich.

Der Film ist gut fotografiert, wie in jedem ordentlichen Großstadtfilm zeigt sich New York von seiner besten Seite. Direkt zu Beginn präsentiert Julie Delpy eine witzige Montage der meistfotografierten Sehenswürdigkeiten der Stadt, alle getarnt als Schnappschüsse von Marion und ihrer Familie.

Gleichwohl scheint mein Verständnis von einer federleichten Sommerkomödie ein anderes zu sein als das etlicher Zuschauer, die den Kinosaal fluchtartig verließen und mit dem Humor dieses Films wohl nicht allzu viel anfangen konnten. Vielleicht hatten sie sich auch von Chris Rock eher Comedy im Stile eines Mario Barth versprochen. Schließlich war Barth derjenige, der Chris Rock dareinst den Rekord „Live Comedian mit den meisten Zuschauern“ abjagte.

Fazit: Wer 2 Tage Paris mochte, wird 2 Tage New York lieben. Selten genug – diese Fortsetzung ist eindeutig auch ein Fortschritt.

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8 Antworten zu Zwei Tage Kulturschock in New York – der neue Film von Julie Delpy

  1. Bernd Berke sagt:

    Da ist was dran.

  2. Michaalb sagt:

    Überraschungsmoment? Na, die Idee des „Kulturschocks“ gibt’s ja nun auch schon länger (z. B. „Es begann in Neapel“ von 1960). Das Aufeinanderprallen unterschiedlich kulturell oder sozial geprägter Individuen ist doch eigentlich eine äußerst beliebte Grundkonstellation von Komödien.

  3. Britta Langhoff sagt:

    Da musste ich doch gerade direkt mal in den Stern linsen. Die Meinungen gehen ja wohl hauptsächlich darüber auseinander, welcher Teil nun besser ist.
    Ich hab mir Teil eins vor Wochen auf DVD noch einmal gegönnt, hab ihn also noch recht frisch in Erinnerung und ich finde ehrlich, dass Teil 2 besser ist, schon alleine weil er nicht so monothematisch daherkommt.
    Aber vielleicht fehlt manchem bei Teil zwei auch das Überraschungsmoment der grundsätzlichen Idee des Kulturschocks.

  4. Bernd Berke sagt:

    Tja, das ist bei Rezensionen halt immer die Frage.

  5. Michaalb sagt:

    Der Rezi-Fuzzi im STERN behauptet aber was anderes. Wem soll ich denn jetzt glauben? 😉

  6. Britta Langhoff sagt:

    So eine anstrengende Familie schaue ich mir auch lieber nur im Kino an.
    Aber ehrlich: Wenn Dir danach ist, auf gutem Niveau laut lachen zu können – dann ist das Dein Film. ( Euch gefällt der sowieso, da bin ich mir sicher )

  7. Schauzeit sagt:

    Ein feiner Tipp, liebe Britta. Ich habe mich schon gut eingegrinst, auch wenn ich ganz froh bin, eine weniger anstrengende Familie zu haben. (Bin allerdings auch kein Amerikaner 😀 )

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