Exotik als schöne Kulisse, fern der Wirklichkeit: „Rembrandts Orient“ im Potsdamer Museum Barberini

Rembrandt Harmensz van Rijn: „David übergibt Goliaths Haupt dem König Saul“, 1627, Öl auf Eichenholz, 27,4 x 39,7 cm (© Kunstmuseum Basel, Vermächtnis Max Geldner, Basel)

Das Gesicht des alten Mannes ist weiß, der Bart gut getrimmt, die Augen leuchten voller Stolz. Wahrscheinlich sieht er selten die Sonne und atmet kaum je frische Luft, sondern treibt sich geschäftig in den Handelskontoren Amsterdams herum.

Gelegentlich schaut er im Atelier von Rembrandt vorbei, damit der Malerfürst ihn vortrefflich in Szene setzen kann, so wie er sich selbst gern sieht und in seinen Träumen gern wäre: ein orientalischer Despot oder fernöstlicher Mogul, dem die Untertanen zu Füßen liegen und die seinen herrlichen Turban und seinen kostbaren Seidenumhang bewundern.

Vielleicht ist der bärtige alte Mann tatsächlich einmal in den Orient und nach Fernost gereist, hat als Vertreter der Niederländischen Ostindien-Kompanie in Syrien oder Persien, Indien oder China Station gemacht und profitable Geschäfte eingefädelt, ein paar exotische Objekte und orientalische Teppiche, pazifische Muscheln oder japanische Schwerter mit nach Hause gebracht. Doch eines ist gewiss: Rembrandt Harmensz van Rijn (1606-1669) hat nie seine holländische Tiefebene verlassen, nie den Orient gesehen und nie unter mongolischem Himmel geschlafen.

Kolonialismus und Sklaverei völlig ausgeblendet

Ob Rembrandt den „Mann in orientalischem Kostüm“ oder die „Büste eines alten Mannes mit Turban“ malte, eine „Junge Inderin“ oder ein „Selbstbildnis in orientalischer Kleidung mit Pudel“ auf die Leinwand brachte: Was er auf seinen orientalisch anmutenden Bildern festhielt, ist pure Fantasie, einem eurozentristischen Weltbild geschuldet. Das Fremde ist nur Kulisse, das Kostüm nur ein Traum, das Exotische nur Projektion. Mit der Wirklichkeit hat das alles nichts zu tun.

Rembrandt Harmensz van Rijn: „Büste eines alten Mannes mit Turban“, um 1627/29, Öl auf Eichenholz, 26,7 x 20,3 cm (© The Kremer Collection)

Sklaverei und Gewalt, Ausbeutung, Kolonialismus, Handelskriege: Nichts davon ist zu sehen in der Ausstellung, die im Potsdamer Museum Barberini gezeigt wird und in ihrer Ausblendung des politisch-historischen Kontextes völlig aus der Zeit gefallen scheint. „Rembrandts Orient. Westöstliche Begegnung in der niederländischen Kunst des 17. Jahrhunderts“, lautet der Titel. Doch es begegnen sich hier nicht Kulturen auf Augenhöhe und die europäischen Wünsche treffen nicht auf orientalische Wirklichkeit. Stattdessen wird die Welt gesehen, wie sie nie war, die Realität verhüllt, die Ungleichheit verkleidet, die Macht verborgen.

Biblische Gestalten in Fantasie-Kostümen

Gezeigt werden 110 Exponate, darunter 33 Werke von Rembrandt, außerdem Gemälde von Ferdinand Bol, Jan Lievens, Jan Victors und vielen anderen. Perlen der niederländischen Malerei. Doch nirgendwo ein Hauch von Kritik oder Selbstbefragung. Die Künstler, die im Hafen von Amsterdam gelegentlich Menschen aus der Fremde erblickten, den Orient als Mode auffassten und sich in ihrem schicken Heim mit fernöstlichen Accessoires umgaben, verdienten gutes Geld damit, niederländische Kaufleute in orientalische Gewänder zu hüllen und sie darzustellen, als würden sie durch fernen Fantasie-Landschaften flanieren. Der Orient war eine geografische Fata-Morgana und erstreckte sich von Ägypten bis nach Japan.

Rembrandt Harmensz van Rijn: „Daniel und Kyros vor dem Götzenbild des Bel“, 1633, Öl auf Holz, 23,5 x 30,2 cm (© The Paul Getty Museum, Los Angeles)

Kein Problem bereitete es Rembrandt und seinen Schülern, biblische Motive („Die Steinigung des heiligen Stephanus“, „Das Festmahl der Ester“, „Juda und Tamar“) umzudeuten und die Beteiligten in orientalische Fantasie-Kostüme zu stecken. Oder, wie bei der „Taufe des Kämmerers“, die „schwarze Seele“ des demütig knienden dunkelhäutigen Mannes von einem „weißen Mann“ reinigen und bekehren zu lassen. Und auf dem „Markt von Batavia“ (wie ihn ein Kopist mit den Initialen J.F.F. sieht, der ein Bild von Andries Beckmann bearbeitet) tummelt sich buntes Volk unter Palmen. Fröhlich wird gehandelt, gewerkelt, getanzt. Unterdrückung der Einheimischen? Existiert nicht. Die Welt ist schön, die Geschichte ein Abenteuer.

Ab 22. Mai wieder geöffnet

„Rembrandts Orient“. Museum Barberini, Potsdam (wieder geöffnet ab Samstag, 22. Mai, Zeitfenster-Tickets ab 20. Mai erhältlich). Bis 27. Juni. Katalog (Prestel Verlag): im Museum 30 Euro, im Buchhandel 39 Euro.

Nähere Infos unter  0331/236 014 499 oder www.museum-barberini.de

info@museum-barberini.de

besucherservice@museum-barberini.de

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