Das Leben – ein Spiel der Vergeblichkeit: Max Beckmanns Welttheater im Potsdamer Museum Barberini

Leicht bekleidete Tänzerinnen verrenken sich lasziv. Grobschlächtige Zuhälter schleppen betrunkene Animierdamen aus dem Saal. Melancholische Nachtschwärmer blicken in den Abgrund der Nacht.

Max Beckmann: "Schauspieler". Triptychon 1941/42. Harvard Art Museums/Fogg Museum, Cambridge, MA, Schenkung Louis Orswell. (© VG Bild-Kunst, Bonn 2018 - Foto: Imaging Department © President and Fellows of Harvard College)

Max Beckmann: „Schauspieler“. Triptychon, 1941/42. Harvard Art Museums/Fogg Museum, Cambridge, MA, Schenkung Louis Orswell. (© VG Bild-Kunst, Bonn 2018 – Foto: Imaging Department © President and Fellows of Harvard College)

Und weiter, immer weiter: Feist grinsende Schausteller, Karnevalskostüme, pittoreske Masken. Königliche Mimen rammen sich ein Messer in die mit Theaterblut verschmierte Brust. Seiltänzer balancieren durch die Zirkuskuppel. Schauspielerinnen schminken sich die grell gepuderten Gesichter, werfen sich in Szene.

Ob Varieté oder Tingeltangel, Bühne oder Zirkus: Die ganze Welt ist ein großes Theater, das Leben ein Spiel, laut und bunt und doch zugleich von tiefer Traurigkeit. Der Künstler, der das alles beobachtet, mit grobem Pinsel auf der Leinwand und mit schnellem Strich im Skizzenbuch festhält und sich immer wieder selbst in die Szenerie hinein malt, schaut mürrisch auf die hektische Vergeblichkeit der Menschen, sich im Rollenspiel neu zu erfinden und das von Krieg und Katastrophen bedrohte Leben zu genießen: Vorhang auf zum „Welttheater“ des Max Beckmann.

Der Künstler als Regisseur und Kulissenschieber 

Der Künstler als Verfasser seines Dramas, als sein eigener Theaterdirektor, Regisseur und Kulissenschieber, der sich in wechselnder Kostümierung unter die Schauspieler mischt: Max Beckmann, geboren 1884 in Leipzig und 1950 am Rande des Central Park in New York an einem Herzinfarkt verstorben, hat unzählige Werke über das Rollenspiel als Modell menschlicher Grunderfahrung geschaffen.

Max Beckmann: Fastnacht (Carnival), 1920. Tate, London, Ankauf mit Unterstützung des Art Fund und der Friends of the Tate Gallery & Mercedes Benz (U. K.) Ltd. 1981 (© VG Bild-Kunst, Bonn 2018, Foto: Tate Images, London)

Max Beckmann: Fastnacht (Carnival), 1920. Tate, London, Ankauf mit Unterstützung des Art Fund und der Friends of the Tate Gallery & Mercedes Benz (U. K.) Ltd. 1981 (© VG Bild-Kunst, Bonn 2018, Foto: Tate Images, London)

Die Ausstellung „Welttheater“ umkreist und untersucht jetzt im Potsdamer Museum Barberini dieses zentrale Thema im Schaffen des Künstlers mit 112 Werken. Es ist eine Schau mit Leihgaben aus aller Welt. Museen aus London und New York, Dresden und Düsseldorf sowie viele ungenannte Privatsammler haben kostbare Werke beigesteuert.

Das „Selbstbildnis“ (von 1930), auf dem Beckmann sich als Saxophon-Spieler stilisiert, ist genauso dabei wie sein mystisch verklärtes Triptychon „Schauspieler“ (von 1941/42) und seine „Argonauten“ (1950), die er nur wenige Tage vor seinem plötzlichen Tod vollendete und auf dem musizierende Pin-up Girls und nackte Jünglinge unter den Augen des malenden Voyeurs zwischen griechischer Sagenwelt und moderner Lustbarkeit pendeln.

Der Mensch als Narr im Chaos

Für Beckmann, der vor den Nazis nach Amsterdam flüchtete und später in Amerika eine neue Heimat fand, war das Leben ein Balanceakt und Seiltanz; der Mensch ein Narr und Clown, der sich vergeblich gegen die Verrücktheit und Sinnlosigkeit der Welt stemmt; die Kunst der irrlichternde Versuch, im bizarren Rollenspiel gegen Schicksalhaftigkeit und Ausgeliefertsein aufzubegehren.

Die nach Themenkreisen geordnete Ausstellung wirft Schlaglichter auf Maskerade und Rollenspiel und auf das Selbstverständnis eines Künstlers, der sich fasziniert unters fahrende Volk mischt, den Schauspielern hinter den Vorhang folgt und das gierig nach Lust und Liebe lechzende Publikum kritisch ins Visier nimmt. Auch wenn die monothematisch arg begrenzte Schau auf Dauer etwas ermüdend und eintönig wirkt und uns keinen wirklich neuen Beckmann präsentiert, zeigt sie doch einen bedeutenden Ausschnitt und liefert wichtige Interpretationsansätze für sein Gesamtwerk.

Max Beckmann: "Apachentanz", 1938. Kunsthalle Bremen - Der Kunstverein in Bremen (Foto: Lars Lohrisch / © VG Bild-Kunst, Bonn 2018)

Max Beckmann: „Apachentanz“, 1938. Kunsthalle Bremen – Der Kunstverein in Bremen (Foto: Lars Lohrisch / © VG Bild-Kunst, Bonn 2018)

Eventkultur durch SAP-Millionen

Seit das von SAP-Software-Multimillionär und Kunstmäzen Hasso Plattner gegründete und finanzierte Museum Barberini vor einem Jahr seine Pforten öffnete, ist auch Potsdam ein Ort der Eventkultur. Ob Plattner im prachtvoll wieder aufgebauten Barock-Palais seine eigene Sammlung der französischen Impressionisten („Die Kunst der Landschaft“) präsentiert, der vernachlässigten DDR-Kunst eine Plattform gibt („Hinter der Maske“) oder mit Hopper und Rothko „Amerikas Weg in die Moderne“ weiträumig abschreitet: Immer erweisen sich die Ausstellungen als Publikumsmagneten, müssen die Besucher manchmal viel Wartezeit mitbringen, um die zwar nicht besonders innovativen oder gewagten, gleichwohl schön arrangierten und auf den künstlerischen Mainstream zielenden Ausstellungen genießen zu können. Das gilt natürlich auch für das „Welttheater“ des Max Beckmann. Der Andrang ist beträchtlich.

Die mythologischen Irrfahrten des Klaus Fußmann

Wer etwas mehr Ruhe beim Betrachten von Bilder mag, dem sei die parallel zu Beckmann im Barberini gezeigte Schau „Menschen und Landschaften“ ans Herz gelegt. Sie gratuliert Klaus Fußmann zum 80. Geburtstag und gibt mit 39 Gemälden einen schönen Einblick in sein zwar umfangreiches, aber eher selten gezeigtes Schaffen. Aus seinem kargen Atelier schaut er in die Ferne und sieht seltsam unförmige Gestalten: ein moderner Ikarus fällt brennend vom Himmel, ein düsterer Bauer gräbt sich durch den fetten Acker. Die oft großflächigen, manchmal auch mit wulstigen, fast schleimigen Farbhügeln versehenen Bilder gleichen märchenhaften Zeitsprüngen und mythologischen Irrfahrten. Außen und Innen verbinden sich zu einem durchlässigen Raum in einer rätselhaften Landschaf. Der Mensch: ganz nah und doch so fern.

„Max Beckmann. Welttheater“. Bis 10. Juni 2018 im Museum Barberini, Humboldtstraße 5-6, 14467 Potsdam. Geöffnet Mo & Mi-So: 10-19 Uhr, Di geschlossen. Eintritt: 14 Euro, ermäßigt 10 Euro, Kinder und Jugendliche unter 18 frei. Online-Zeitfenster-Tickets unter www.museum-barberini.com. Katalog im Prestel Verlag (Museumsshop 30 Euro, Buchhandel 39,90 Euro).

Ebenfalls im Museum Barberini: „Klaus Fußmann: Menschen und Landschaften“. 39 Gemälde, bis 3. Juni. Künstlerbuch zur Ausstellung in der Edition Peerlings, 20 Euro.

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1 Antwort zu Das Leben – ein Spiel der Vergeblichkeit: Max Beckmanns Welttheater im Potsdamer Museum Barberini

  1. Horst Delkus sagt:

    Tolle Ausstellung. War letzte Woche dort.

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