Er konnte viel mehr als diese Albernheiten im Wirtschaftswunder – zum Tod von Bill Ramsey

Label von Bill Ramseys Single „Pigalle“ (Polydor NH 24428) aus dem Jahr 1961. (© Deutsche Grammophon / Quelle: www.rocknroll-schallplatten-forum.de)

Ich mach’s kurz, es gibt gar nicht so viel zu sagen: Es stimmt mich traurig, dass Bill Ramsey mit 90 Jahren gestorben ist. Seine Stimme hat ein paar Tonlagen meiner Kindheit und meiner Generation mitgeprägt – bevor die Beatles und all die anderen kamen.

Zu den weit verbreiteten Weisheiten über den 1931 in Cincinnati/Ohio geborenen US-Amerikaner, der sich nach seiner Soldatenzeit dauerhaft in Deutschland niederließ, gehört es, dass er musikalisch viel mehr vermochte, als er in seinen Schlagern zeigen durfte. Eigentlich war er ein Jazz-, Swing- und Blues-Könner von Graden – ähnlich wie etwa Paul Kuhn, mit dem er öfter gemeinsam aufgetreten ist. Doch derlei Fähigkeiten waren in der Adenauerzeit nicht so sehr gefragt.

Bill Ramsey im August 2005. (© Wikimedia / Sven Teschke – Link zur Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/de/deed.en)

Es musste vielmehr entlastend komisch sein; komisch nach dem biederen Verständnis der Wirtschaftwunderzeit. Und bitte recht pfiffig, aber nicht so anspruchsvoll oder gar schwermütig. Um der lieben Einkünfte Willen trug Ramsey in den späten 1950ern und frühen 60ern vorzugsweise jene etwas anzüglich-albernen Titel vor, die – ob nun gewollt oder ungewollt – ein paar Zeitgeist-Spuren jener Jahre auf den Begriff brachten: allen voran „Pigalle“ („…daaaas ist die größte Mausefalle mit-ten in Pa-ris“ – 1960) oder „Zuckerpuppe (aus der Bauchtanzgruppe)“, welch Letztere schenkelklopftauglich nicht aus dem Orient, sondern aus dem weniger geheimnisumwitterten Wuppertal stammte. Auch erfuhren wir durch ihn, dass die Mimi ohne Krimi nie ins Bett ging. Ach ja. Der Titel ist sicherlich schon zweihunderttausend Mal gelaufen, wenn es um Krimilektüre ging.

Seine Schlager-Popularität zog es nach sich, das er dutzendfach in „Opas Kino“ mitmischte: Besagte Mimi war auch eine Filmfigur, Ramsey spielte ihren genervten Gatten. „Die Abenteuer des Grafen Bobby“ kamen gleichfalls nicht ohne die freundlich-rundliche Präsenz dieses sympathischen Menschen aus.

Aber es gab eben auch den anderen Bill Ramsey, der an der Hamburger Hochschule für Musik dozierte und TV- oder Radio-Sendungen moderierte, die sich ernsthaft mit populärer Musik befassten. Noch im hohen Alter, bis 2019, hatte er eine Musiksendung beim Hessischen Rundfunk. Es war ihm wohl sehr daran gelegen, dem Publikum zum besseren Verständnis zu verhelfen. Ein bleibendes Verdienst.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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