Keine Ruhepause für Wolfgang Kleffmann nach der Rückkehr von den Bayreuther Festspielen: Einen Tag nach der letzten Vorstellung von Wagners „Meistersingern“ war er bereits morgens auf dem Weg zur Probe im Aalto-Theater.
Nach Wagner steht nun Verdi an: Der Chor des Essener Opernhauses bereitet sich auf die Wiederaufnahme von „Rigoletto“ am 12. September vor, in einer „semikonzertanten“, von Sascha Krohn eingerichteten Form. Tianyi Lu, aus Shanghai stammend und in Neuseeland groß geworden, steht als Gastdirigentin am Pult. Sie ist die Gewinnerin des internationalen Sir Georg Solti Dirigentenwettbewerbs 2020. Die Titelrolle singt der isländische Bariton Ólafur Sigurdarson, als Rigolettos Tochter Gilda ist Tamara Banješević in ihrem Rollendebüt zu erleben. Im Chor der Höflinge, die willig jede Bosheit ihres Herrn, des Herzogs von Mantua (Carlos Cardoso), mitmachen, singt Wolfgang Kleffmann im Tenor.
Für die Festspiele hat der Sänger gerne auf Urlaub verzichtet: Bayreuth hat ihn gepackt, seit 2005 singt er dort im Chor. „Wagner erschüttert, wenn man dafür empfänglich ist“, bekennt er. Auch wenn es pathetisch klingt: Wagner hat das Leben von Wolfgang Kleffmann verändert. Ein Besuch der „Walküre“ entfachte die Wagner-Begeisterung. Nach zehn Jahren Praxis als Zahnarzt in Eschweiler begann er mit 33 Jahren noch ein Gesangsstudium, das er in Maastricht abschloss. Sein Ziel von vornherein: Singen im Chor. Der Wunsch erfüllte sich 2003, als er seine erste Stelle im Chor des Aalto bekam. Da blieb es nicht bei der Liebe nur zu Wagner. Die Opern Giacomo Puccinis oder ein Werk wie Giuseppe Verdis „Don Carlos“ sprechen den Sänger ebenso an.
Singen in Gemeinschaft
Das Singen in Gemeinschaft hat ihn schon als Jugendlicher interessiert. Kleffmann erinnert sich an ein prägendes Erlebnis, das wieder mit Wagner zu tun hat: „Ich hörte eine alte Platte meines Vaters, so eine Sammlung berühmter Chöre. Beim Pilgerchor aus dem ‚Tannhäuser‘ musste ich weinen.“ Was lag also näher als der Versuch, als professioneller Sänger beim Bayreuther Festspielchor zu landen? „Beim Vorsingen habe ich gedacht, ich hätte alles in den Sand gesetzt“, erinnert er sich. „Ich bin mit Tränen in den Augen nach Hause gefahren“. Aber zu seiner Überraschung kam die Zusage: 2005 durfte er anfangen. Der Traum hat sich erfüllt.
Seither ist er mit nur einer Unterbrechung jedes Jahr dabei. Schmerzlich war der Ausfall im letzten Jahr, durch Corona bedingt. Kleffmann ärgert sich: „Weder Chor noch Orchester haben eine Ausgleichszahlung erhalten, weil unsere Verträge, die seit März fertig ausgehandelt waren, noch nicht unterzeichnet waren.“ Er findet das für die Ensembles als „Rückgrat der Festspiele“ schlichtweg beleidigend. „Viele Kollegen sind durch den Ausfall ihrer Einkünfte unglaublich unter Druck geraten“.
Als der Chor geteilt werden musste
Bei den Festspielen 2021 stand der Chor vor einer nie dagewesenen Situation: Die knapp 140 Sängerinnen und Sänger wurden geteilt: Die Hälfte sang im Chorsaal, die andere Hälfte spielte stumm auf der Bühne. „Wir sitzen in einer Art Telefonzelle aus durchsichtigem Material und singen. Der Ton wird direkt ins Festspielhaus übertragen. Das funktioniert hervorragend, und ich bin gar nicht unglücklich. Denn es tut gut, sich einmal ausschließlich auf die musikalische Arbeit zu konzentrieren.“
Im Rückblick auf 16 Jahre Bayreuth erinnert sich Kleffmann an manche unvergessliche Zeit, so die Arbeit mit Christoph Schlingensief, ein „unheimlich sympathischer Typ“. An den „Parsifal“ Stefan Herheims, einen Höhepunkt seines Sängerlebens. Oder an den „Tannhäuser“ von Tobias Kratzer: „Ein Regisseur, bei dem alles durchdacht ist.“ Musikalisch ist für ihn die Zusammenarbeit mit Christian Thielemann ein Erlebnis, aber er schätzt auch Semyon Bychkov: „Er führt mit den Händen, hochmusikalisch.“
Inspirierend ist für Kleffmann auch, an der Seite berühmter Sängerkollegen wie Georg Zeppenfeld zu stehen: „Ein so bescheidener Mensch und ein Sänger, bei dem alles stimmt.“ Oder Tenöre wie Piotr Beczała und Klaus Florian Vogt als „Lohengrin“ zu erleben. So nimmt Wolfgang Kleffmann, der bald wieder seine Fußball-Jugendmannschaft in Bredeney trainiert, aus Bayreuth willkommene Impulse für die tägliche Arbeit am Aalto-Theater mit. Und hofft, im nächsten Jahr wieder dabei zu sein, wenn sich der Vorhang für die neue „Ring“-Inszenierung von Valentin Schwarz hebt.