Von Bernd Berke
Recklinghausen. Mit Farbwerten experimentiert der eine, der andere mit Perspektiven, der dritte mit dem Wechselspiel von Abstraktion und Gegenstand. Jeder der acht Künstler, die unter dem Allerwelts-Titel „Malerei ’90“ in der Kunsthalle Recklinghausen versammelt sind, verfolgt seine Richtung, doch haben sie eines gemeinsam: Sie befragen einmal mehr die malerischen Mittel auf Aussagekraft und Tauglichkeit.
Zwischen 30 und 40 Jahre alt, sind sie samt und sonders bereits gestandene, wenn auch nicht berühmte Vertreter ihres Faches. Praktisch alle Arbeiten stammen aus neuester Atelier-Produktion, waren also noch nicht öffentlich zu sehen. Hingegen haben alle früher schon einmal in der Kunsthalle ausgestellt. Deren Leiter, Ferdinand Ullrich, präsentiert also einige seiner Vorlieben gebündelt. Das kommt einem Bekenntnis und wohl auch einer Absichtserklämng für die Zukunft gleich.
Die Auswahl hat unbestreitbare Qualitäten, jeder Künstler ist auf unverwechselbarem Wege. Der Recklinghäuser Martin Bartel irritiert mit großflächig-schwarzen Rauten-Mustern. Erst bei genauestem Hinsehen ahnt man, daß unter dem lichtverschlingenden Schwarz ein Farbgrund liegen muß. Gert Brenner (Köln) zeigt u. a. ein großes „Breitwand“-Blumenbild, in Duktus und Farbwahl von fernher an Van Gogh erinnernd. Daneben lassen ausschnitthafte Kleinformate die Auflösung solcher Blumenmotive zu rein malerischen Vorgängen wie spontaner Pinselführung und autonomer Farben-Spur erkennen. Bei Giso Westing (Hannover) läuft der Prozeß umgekehrt. Er erfindet abstrakte Figurationen, die wie Gegenstände wirken, freilich wie fremde, noch nie gesehene.
Ganz anders Jörg Eberhard (Düsseldorf). Er befaßt sich in seinen Stadt-Bildern mit perspektivischen Verzerrungen und greift dabei auch auf die heute ungewohnte mittelalterliche Sehweise zurück, die er in moderne, geometrisch orientierte Malerei überführt. Eigenständiger Ansatz auch bei Hartmut Neumann (Köln): Das flammende Dunkel seiner Wildnis „Berggeschwür“ etwa könnte die furchtbare Gegenwehr einer zerstörten Natur meinen. Zwischen fast altmeisterlich ausgeführten Partien verlaufen Farbrinnsale wie Verletzungen. Ein fröhlich-dschungelhaftes Chaos vermitteln hingegen die Arbeiten von Bernhard Sprute (Bad Oeynhausen), sie rufen die Vorstellung eines paradiesischen Urzustands wach.
Technisch in der Tradition eines Yves Klein stehend, „springen“ die Bilder Peter Reuters (Münster) den Betrachter geradezu angriffslustig an. Diese Kraft entsteht, weil Reuter – wie seinerzeit Klein – keine Bindemittel verwendet, sondern unvermindert leuchtende Farb-Pigmente aufträgt. In der Wirkung aggressiv, sind diese Bilder als Material doch höchst empfindlich. Das Pigmentpulver bröckelt rasch. A. K. Schulze (Münster) setzt mit seinen Minimal-Bildem auch einen komischen Akzent, zum Beispiel so: Große dunkle Fläche, darin zwei winzige helle Quadrate. Bildtitel: „Hasi“. Die Quadrate als vorstehende Hasenzähnchen.
„Malerei ’90“. Kunsthalle Recklinghausen (am Hauptbahnhof). Bis 1. Januar 1991.