Von Bernd Berke
Köln. Von Zierat und Zitaten, die unter dem Markenzeichen „Postmoderne“ laufen, haben viele allmählich genug. In den letzten Jahren hat Architektur mit oft funktionslosen Türmchen, Erkern und allerlei „Zuckerbäcker“-Schmuckwerk die Städte erobert; sie hat, wie Kölns Kunstvereins-Leiter Wulf Herzogenrath gestern despektierlich sagte, „auch vor der Kreissparkasse Oer-Erkenschwick“ nicht haltgemacht. Da kommt Sehnsucht nach einfacheren, funktionsgerechteren Formen auf.
Hohe Zeit also für eine Rückbesinnung auf das „Bauhaus“ (Weimar/Dessau 1919-1933). Grundsatz der von Walter Gropius gegründeten Kunst-„Schule“ bahnbrechenden Typs (an der u.a. Klee, Schlemmer, Kandinsky und Moholy-Nagy lehrten) war, Funktion und handwerkliche Qualität zu Leitgedanken der Kunst zu machen. Doch pure Funktion kann „kalt“ wirken, und so kam es zu dem Gerücht, vor allem das Bauhaus sei an gesichtlosen Hochhaus-Schachteln der 60er und 70er Jahre schuld.
Wulf Herzogenrath lastet aber diese Sünden den „Enkeln“ an, die vom „Bauhaus“ nur die Phase 1925-28 wahrgenommen hätten. In Wahrheit sei „Bauhaus“ kein festgelegter Stil, sondern eine Idee mit vielfältigen Ausprägungen. Das soll die Ausstellung „Bauhaus-Utopien“ im Kölner Kunstverein belegen (Josef-Haubrich-Hof; morgen bis 4. September, Katalog 54 DM).
Die Zusammenstellung der 252 Exponate berücksichtigt „nur“ Arbeiten auf Papier. Mit gutem Grund: Diese Stücke sind oftmals Skizzen, stehen also der ursprünglich-spontanen Idee näher als detaillierte Ausführungen und sind inniger mit dem Begriff einer produktiv „tagträumenden“ Utopie verknüpft.
Auch schon ökologische Ansätze
Die Bauhaus-Utopien, das zeigt die Auswahl, reichen tatsachlich weit über das Klischee von endlos variierten Rechteck- und Würfelformen hinaus, sie erschöpfen sich auch nicht in den bekannten Stahlrohrsesseln. Was man heute sicher schärfer sieht als noch vor einigen Jahren: Es gibt sogar ökologische Bezüge, Planspiele mit Sonnenenergie etwa oder mit dem, was man heute „Baubiologie“ nennt.
Sehr entschieden bricht vor allem der Bauhaus-Lehrer Paul Klee, ohnehin kaum in ein Klischee zu pressen, aus dem Vorurteils-Raster aus. Sein „Apparat für magnetische Behandlung der Pflanzen“ (1921) zielt beispielsweise eher auf einen kosmischen Zusammenhang als auf dürre Funktion. Gleichzeitig stellte Klee aber auch quasi-mathematische Formanalysen an.
Neben den Bauhaus-Arbeiten Klees, bilden jene von Oskar Schlemmer einen weiteren Schwerpunkt. Da ist es mitunter schon schwer zu entscheiden, ob die „abgezirkelten“, in architektonische Zusammenhänge gestellten Menschenfiguren wirklich den Raum dominieren oder ob sie in ihn eingepaßt sind. Wird hier Maß am Menschen genommen oder Maß für den Mensehen?
Anderes läuft dem, was die Ausstellung eigentlich beweisen will, vollends zuwider. Zu nennen wären da z. B. ein kubisches Stadt-Bild von Laszlo Moholy-Nagy, eine den Mensehen gänzlich „erschlagende“, riesige .„Reklamekugel“ von Herbert Bayer oder der Utopie-Alptraum einer Hochhausstadt von Ludwig Hilberseimer. Hier ahnt man, daß die Vorurteile gegen das Bauhaus nicht samt und sonders falsch sein können. Die Wahrheit scheint einmal mehr in der Differenzierung zu liegen: Man kann das Bauhaus nicht in Bausch und Bogen für spätere Sünden „haftbar machen“, sollte aber auch mit Entlastungs-Argumenten nicht übers Ziel hinausschießen. Freilich: Für einen „Freispruch“ finden sich auch jede Menge Belege. Besonders überzeugend sind die von bloßer Funktionalität losgelösten Theaterbau- und Bühnenbildentwürfe.