Zwischen Himmel und Hölle – Roland Rebers krudes Stück „Friedrich“ in Lünen

Von Bernd Berke

Lünen. Wie benimmt sich ein „Grüner“, falls er in den Himmel kommt? Er geht – Macht der Gewohnheit – in die Alternativabteilung und demonstriert für den Frieden. Welche Farbe hat das Licht, wenn’s erotisch wird? Rot!

Und wer sollte, Goethes „Faust“ allzu wörtlich nehmend, mal so richtig in „Auerbachs Keller“ aufräumen? Na, Götz George alias „Schimanski“ natürlich. So fix und fraglos klappen einige Schubladen auch in „Friedrich“, der neuen Produktion von Roland Rebers Theaterpathologischem Institut (TPI), wieder auf und zu.

Reber, dessen schauspielerische Mittel gar nicht zu verachten sind, möchte partout auch Autor sein. Als solcher hat er sich, wie zuletzt bei „Merlin“, erneut versucht. Die Struktur der losen Szenenfolge „Friedrich“ ist abermals proportionslos und ungefüge. Erst wird nach Vermögen kabarettelt, nachher will man unvermittelt in Bedeutsamkeit abheben, doch wo sind die Flügel? Es geht ein abrupter Riß mitten durch das Stück.

Die Auftaktszene spielt, wie nachträglich suggeriert wird, in einer Anstalt für psychisch Kranke. Mit überzogenem Zeitmaß wird das Irrsinnspotential der Personalfürwörter, besonders die Verwechselbarkeit von „er“ und „Er“ (jener Anrede aus feudaler Zeit) ausgereizt. Einige ganz passable Ideen hat Reber hier investiert, die Stimmungslage bewegt sich in einem Kraftfeld etwa zwischen Karl Valentin, lonesco und Ohnsorg-Theater.

Düpiert ist man freilich nicht, wenn die Anstaltsärztin (Jule Vollmer) diese Szene abbricht, wie denn überhaupt die Erwartungshaltung des Publikums nirgendwo wirklich angekratzt oder gar provoziert, sondern oft geradezu leichtfertig bedient wird.

Die folgenden Szenen führen ins Zwischenreich von Himmel und Hölle, deren jeweilige Türwächter trefflich mit den etwas angestaubten Klischees ihrer gegensätzlichen Reiche jonglieren. Doch mancher Scherz (so auch die kreuzbiederen Seitenhiebe gegen politische Parteien) wirkt hier – Verzeihung – ein bißchen platt oder gar pubertär. Es regiert das Naheliegende, Feinsinn ist fern. Auch Themen wie Selbstmord werden hier noch auf Juxebene abgehandelt, so daß man denken könnte, dies alles müsse uns gar nicht weiter bekümmern.

Durch alle Szenen geistert die Titelfigur „Friedrich“ (Friedrich Gaus), der in seinem ausgiebig bloßgestellten, verhuscht-tonlosen Autismus tatsächlich irritiert. „Friedrich“ wird von Reber, der in der Rolle des Autors die Bühne betritt, gegen das Restensemble verteidigt, weil Friedrich existentiell sonderbar sei und Verschrobenheit eben nicht nur spiele. Wer auf nichts aus ist, kann durch nichts und niemanden gedemütigt werden – diese Botschaft wäre auch verständlich, ohne daß man Friedrich zum quasi-christlichen Erdulder stilisiert und dann noch – es raschelt das Lexikonpapier – mit einem bescheidenen König (Friedrich V., 1596-1632) in eine Verbindung zwingt.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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