Von Bernd Berke
Einerseits ist diese Ausstellung die schiere Medienhölle: Da dröhnt es aus ungezählten Lautsprechern, da gibt es ein wahnsinniges Bildergewitter auf hunderten von TV-Geräten, da flirren irrwitzige Großprojektionen über die Wände. Hier kann man wirklich einmal testen, wie lange man dem elektronischen Terror standhält.
Andererseits findet man sich in Zonen der Ruhe und der Meditation wieder, die von den selben Medien erzeugt werden: Eine Buddha-Figur „betrachtet“ göttlich-geruhsam ihr eigenes Erscheinungsbild; eine Kamera nimmt ein Ei auf, dessen perfekte Form synchron auf verschieden große Bildschirme übertragen wird. In einem abgedunkelten Raum erstreckt sich sodann ein Garten mit echtem Grün, dessen „Blüten“ freilich aus lauter Video-Farbbildern bestehen.
All dies sind Werke von Nam June Paik, dem großen Anreger der Video- und Fernseh-Kunst. Der Koreaner, heute in New York lebend, aber seit jeher auch der Düsseldorfer Szene eng verbunden, setzt mit diesen Medien sozusagen Himmel und Hölle frei, man erfährt Qualen, aber auch Wohltaten der künstlichen Bildwelten. Die Installationen in der vollverkabelten Düsseldorfer Kunsthalle sind mal Huldigung, mal Fluch.
„This is a Heimspiel for me“
„This is a Heimspiel for me“, soll Paik auf Anglo-Deutsch über diese Ausstellung gesagt haben – Anspielung auf alte, glorreiche Zeiten der rheinischen Kunstszene in den 60er Jahren, auf damals noch provozierende Kunstaktionen, die Paik gelegentlich auch mit Joseph Beuys gemeinsam veranstaltete, dessen Werk jetzt gegenüber in der Kunstsammlung NRW gezeigt wird (die WR berichtete).
Es dominieren Bildschirm-Arbeiten, die auch Leute ins Museum locken könnten, die sonst wenig mit Kunst am Hut haben. Kennzeichnend für Paik ist unter anderem die gegenseitige Durchdringung von Natur und Elektronik, so in besagtem „Fernseh-Garten“, aber auch bei einem Werk wie „Video Fish“: Aquarien mit lebenden Zierfischen stehen vor laufenden TV-Geräten. Die Videos laufen gleichsam „unter Wasser“.
Fernsehen und der christliche Kreuzweg
Paik knüpft mit seinen Arbeiten nicht nur an Naturformen an, sondern auch an die Kunstgeschichte: Den wohl stärksten Eindruck der Ausstellung hinterlassen jene 13 gotischen Schreine, in die der Kunst-„Ketzer“ Paik Femsehapparate montiert hat. Hintergrund: Ursprünglich sollten sich 14 Schreine auf die Stationen des christlichen Kreuzweges beziehen. Station heißt auf Englisch bekanntlich „station“, dies Wort steht auch für Fernsehkanäle – und 13 Stations-Schreine wurden es dann, weil es friiher einmal in New York diese Zahl von Fernsehsendern gab. Siehe da: Die Geschichten hinter den flimmernden Bildern können ganz schön vertrackt sein.
Nam June Palk. Retrospektive. Kunsthalle Düsseldorf, Grabbeplatz. Bis 12. Januar 1992. Tägl. außer montags 10 -18 Uhr. Katalog 42 DM.