Westfälisches Literaturbüro plant Autoren-Zeitung und Messe der Kleinverlage – Seit einem Jahr Beratungsdienste in Unna

Von Bernd Berke

Unna. Zu einer festen Größe im Kulturleben ist das „Westfälische Literaturbüro“ geworden, das vor einem Jahr in Unna seine Arbeit aufnahm. Kaum hat man die Anfangszeit überstanden, reifen ehrgeizige Pläne: Von der Gründung einer Literaturzeitschrift für NRW ist die Rede, von einer Messe westfälischer Kleinverlage, die 1987 in Unna aus der Taufe gehoben werden soll. Die Rundschau sprach mit den „Literaturberatern“ des Büros, Franziska Groszer und Siegfried Mrozek.

Als die beiden vor Jahresfrist die unscheinbare Dachkammer in der Kreisbücherei bezogen, stapelten sich dort längst „mehrere tausend Blatt Manuskripte“ (Mrozek) von durchweg „namenlosen“ Autoren. Es bestand also großer Bedarf nach kundiger Beratung: „Wie gut sind meine Texte? Kann ich sie veröffentlichen?“ Solche und zahllose andere Fragen wurden gestellt,

Mrozek und Groszer, die wenig von „kurzlebigen Riesenspektakeln, dafür mehr von dauerhafter Kleinarbeit halten“ (Groszer), halfen mit Erfolg. Sie betätigten sich als „Vor-Lektoren“ für Texte aus privaten Schubladen, knüpften Kontakte zu Kultur-Institutionen, vermittelten Lesungen, wirkten an Lyrik-Treffen (z. B. in Hattingen und Wetter) und ähnlichen Veranstaltungen mit, regten die Bildung lokaler Schreibgruppen an – und spielten immer mal wieder „Seelentröster“. Auch bekanntere Autoren schauen bisweilen herein, wenn sie sich „festgeschrieben“ haben.

Kein Wunder, daß die Berater kaum noch zum Schreiben eigener Texte kommen – und ihre beiden halben Stellen reichen schon gar nicht hin, dies alles zu bewältigen. Überstunden sind die Regel.

Der jüngste Schriftsteller ist erst 14 Jahre alt

Die Klientel kommt aus allen Schichten: Sie reicht vom Schlosser, der in seiner Freizeit Kurzgeschichten verfaßt, über die Hausfrau, die sich an Romanen versucht, bis hin zu Studienräten und Anwälten mit lyrischer Ader. Siegfried Mrozek: „Es gibt Leute, die fast keine Schulbildung genossen haben und trotzdem in einer ganz einfachen Sprache phantastisch erzählen können – und es gibt Deutschlehrer, die keinen lesbaren Satz zu Papier bringen“.

Frauen gehören ebenso häufig zu den Ratsuchenden wie Männer. Die überwiegende Zahl der bisher betreuten 150 Autoren ist zwischen 25 und 40 Jahre alt. Der Jüngste war gerade 14, die Ältesten über 70.

Illusionen sind generell selten, „ansonsten ziehen wir ihnen gleich den Zahn“ (Mrozek). Zwar warf auch schon mal jemand seine Blätter mit der Bemerkung auf den Tisch, dies Meisterwerk habe gefälligst in einem renommierten Verlag zu erscheinen, und auch Meinungsverschiedenheiten über die Qualität von Texten ließen das Büro schon erzittern. Doch die allermeisten schätzen ihre Veröffentlichungs-Chancen sehr realistisch ein und vertragen Kritik. Natürlich werden auch hin und wieder Kitsch-Texte eingesandt. Deren Verfasser werden nicht zum Gespräch geladen, bekommen aber aufmunternde Briefe. Das Gros aber hat nach Auffassung der Berater zumindest literarische „Substanz“.

Finanziell fehlt es hinten und vorn

Nicht nur „Einzelkämpfer“ werden beraten, auch Kommunen gehören zur Kundschaft – etwa dann, wenn (wirklich vorgekommen) kein Mensch in einer großen Stadtverwaltung so recht weiß, wie man eigentlich einen Literaturpreis ausschreibt und organisiert. Doch nur eine einzige westfälische Gemeinde, nämlich Selm, ist zahlendes Mitglied im eingetragenen Verein „Literatur-Büro“ (Vorsitzender: NRW-Umweltminister Klaus Matthiesen, „Vereinsblatt“ namens „Büroklammer“).

So mancher Stadtvertreter muß quasi „bekniet“ werden. Meist gilt, daß sich kommunale Kulturpolitiker lieber mit kostspieligen Auftritten berühmter Opernsänger schmücken als mit Literatur. Finanziell fehlt es, auch wenn NRW mit der Ausstattung seiner drei Literaturbüros (Unna, Gladbeck, Düsseldorf) bundesweit führend ist, „hinten und vorn“. Unna muß mit 75.000 DM pro Jahr auskommen, außerdem gibt es Zuschüsse und Sachleistungen der Stadt und des Kreises sowie (ganz selten) Spenden.

Künftig (erstmals am 18. September, 19.30 Uhr) veranstaltet das Büro jeden dritten Donnerstag im Monat ein Thementreffen in der Kreisbücherei Unna. Beim ersten Mal geht’s um Literatur für den Funk, im Oktober um Lyrik.

Hier die Adresse und die (neue) Telefonnummer: „Westfälisches Literaturbüro“, Am Markt 1, 4750 Unna, 02303/27 10 97. Übrigens: Das Büro steht jedermann offen, seine Dienste sind kostenlos.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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