Theatermacher im nächtlichen Medienkäfig

Von Bernd Berke

Selbst hartgesottene Bühnenfans – andere dürften kaum ausgeharrt haben – verspürten da wohl eine gewisse Mattigkeit: Die erstmals anberaumte ARD-„Theaternacht“, jene Diskussion von Regisseuren, Darstellern und Kritikern zum Saisonauftakt, zog sich bis nachts gegen 1.40 Uhr hin.

Die Beteiligten (u.a. Hans Neuenfels, Arie Zinger, Heiner Müller, Eva Mattes, Ivan Nagel, Jürgen Flimm) saßen in einem Studio, das jedem Geschmack spottete – auf allerlei Gestühl vom Manager-Drehsessel bis zum „antiken“ Sofa, dazwischen eine Batterie von Monitoren. So viel zur ästhetischen Aufbereitung der Sendung, in der sich etwa die ausgeklügelten Bühnenbilder in den Filmeinspielungen (wichtige Szenen der letzten Theatersaison) wie Fremdkörper ausnahmen. Überhaupt wurde deutlich, daß die Theaterleute sich gleichsam in einem „Medienkäfig“ befanden, in dem ihre spontanere und direktere Art, mit der Wirklichkeit umzugehen, kaum Platz hat.

NDR-Redakteur Gerd Kairat und seine beiden Mit-Moderatoren, die Kritiker Hellmuth Karasek (geschmeidig-verbindlich) und Peter Iden (um Worte ringend und stets die Endzeit im düsteren Blick) hatten der Runde kein griffiges Thema vorgegeben. Da standen Stichworte wie Bedrohung (Tschernobyl), Liebe und Veränderung unvermittelt im Raum – und daraus sollte sich dann eine Diskussion entwickeln. Erstaunlich genug, daß tatsächlich eine in Gang kam, die sich jedoch gottlob auch wiederholt in anderen, konkreteren Bahnen bewegte.

Es wurden die Fragen angeschnitten, die eh die Theaterdiskussion bestimmen: Ob man die „heiße Ware“ der Gegenwartsdramatik veräußern oder sich an sperrigen Klassikern abarbeiten solle; ob man ganz einfach mit Lust spielen dürfe oder immer erst seine historische Position zu überdenken habe, usw.

„Gag“ am Rande: Eva Mattes sah sich genötigt, die Schauspieler gegen Heiner Müllers Vorwurf zu verteidigen, sie nähmen beim heutigen Theater „zu viel Raum“ ein. Vom „Spitzentrio“ des deutschsprachigen Theaters war Claus Peymann (grantig) nur per Monitor gegenwärtig, Peter Stein und Peter Zadek waren nicht erschienen: letzterer wohl mit gutem Grund, hätte er doch vermutlich wegen dringenden Verdachts auf Förderung des Boulevard-Trends auf der Anklagebank gesessen.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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