Timothy Leary als Star eines Treffens im Hochsauerland – Kritik am westlichen Denksystem

Von Bernd Berke

Dortmund/Willingen. Timothy Leary, in den 60er Jahren durch sein Eintreten für die Droge LSD weltweit bekannt gewordener US-Professor, weilt derzeit im Sauerland! Anlaß ist ein Kongreß in Willingen bei Brilon, der sich damit befaßt, Geist, Seele und Leib durch Körperübungen in Einklang zu bringen.

Seit dem letzten Wochenende vertiefen sich Jm Hotel ..Sauerland-Stern“ etwa 170 Teilnehmer (Gebühr: rund 600 DM, ohne Hotelkosten) ins Thema. Einer von ihnen ist der Dortmunder Schauspieler Ruedi Gerber (25), bekannt durch sein Programm „Spiwit of Spwingtime“. Er hofft, in dem abgeschiedenen Hotel neue Anregungen für Darstellungformen jenseits des Stadttheaterbetriebs zu bekommen.

Timothy Leary regte ihn allerdings eher auf als an. Ruedi Gerber: „Er hat nur unverbindlich gequasselt“. Beeindruckt zeigt sich Gerber hingegen von der Eröffnungsfeier des Treffens, die etwas anders verlief als herkömmliche Festivitäten. Unter Leitung der 62jährigen amerikanischen Tänzerin Anna Halprin (früher beim San Franciscan Dancer’s Workshop) geriet die Veranstaltung zu einer Art Happening der Körper- und Selbsterfahrung. Hotelleitung und Gäste, die mit dem Kongreß nichts zu tun haben, sollen dem Vernehmen nach entgeistert gewesen sein, als die Teilnehmer des Treffens mit Ästen aus dem sauerländischen Forst im großen Hotelsaal anrückten.

All das hat einen ernsten Hintergrund. Die Teilnehmer sind durchaus seriöse Leute, Ärzte, Psychologen, Sozialarbeiter von 25 Jahren an aufwärts. Alle gemeinsam vertreten die Auffassung, daß die westliche Vorstellung von Wissenschaft, die ausschließlich das Denken beansprucht, überholt ist. Daher beschäftigen sie sich in Willingen etwa mit Fragen des Körperausdrucks und vorwissenschaftlieher Heilkunst.

Ruedi Gerber: „Auch auf der Bühne geht es um menschliche Beziehungen, besonders beim improvisierten Spielen, das ich bevorzuge. Diese Beziehungen haben viel mit dem Körper zu tun“ . Gerber plant schon sein nächstes Projekt. Da er in Willingen einen engen Mitarbeiter des bekannten englischen Psychiaters Ronald D. Laing traf, will er Laing für eine szenische Umsetzung von dessen Gedichten (Titel: „Liebst Du mich?“) nach Dortmund holen.

Der Veranstalter des Willinger Treffens, (ein „Europäisches Forum für Humanwissenschaften“ mit Sitz in Stuttgart) kündigt ein weiteres Meeting an. 1983 sollen in München so illustre Leute wie die Regisseure Federico Fellini und Werner Schroeter sowie die Schriftstellerin Doris Lessing erscheinen.

image_pdfPDF öffnen / Open PDFimage_printDrucken / Print
Visited 8 times, 1 visit(s) today

Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
Dieser Beitrag wurde unter Gesellschaft, Krankheit & Gesundheit, Leibesübungen, Psychologie, Theater, Utopien abgelegt und mit , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.