Die große Parallelaktion: Wenn Rewe und Edeka mit Pandabärchen locken

Immer nur hochkulturelle Themen? Ach nein. Dieser Text befasst sich en passant mit einem Doppel-Phänomen der Bestsellerauflagen, die alle grauen Schatten weit hinter sich lassen dürften.

Es geht um die seltsame Parallelaktion der beiden großen deutschen Lebensmittelketten. Sowohl Rewe als auch Edeka offerieren für gewisse Einkaufsbeträge jeweils ein paar Tütchen oder Briefchen mit Tierbildern, die man in Sammelalben einkleben soll. Sagen Sie jetzt nichts. Besonders kleinere Kinder kann man damit allemal ködern. Und die Kundschaft von morgen fragt bald in kurzen Abständen quengelnd nach, wo denn der Nachschub bleibe.

Welche Kette diesmal zuerst an der Reihe war, vermag ich nicht zu sagen, zur knallharten Recherche habe ich in solchem Falle keine Lust. Sie haben wohl ungefähr gleichzeitig begonnen. Ansonsten könnte man mutmaßen, dass ein womöglich enttäuschter Manager von der einen zur anderen Firma gewechselt ist und dem neuen Arbeitgeber gesteckt hat, was die Konkurrenz plant. Dann hätten die anderen die (im Grunde uralte) Idee windeseilig abgekupfert und nur noch notdürftig variiert. Aber wahrscheinlich war es ganz anders und wir müssen nicht schon wieder von Plagiaten reden, sondern nur von einem dummen zeitlichen Zusammentreffen. Bei den Konferenzen in den Konzernzentralen hätte ich trotzdem gern mal gelauscht.

Mit Tieren um die Welt: Sammelalben und Bildertütchen von Edeka und Rewe. (Foto: Bernd Berke)

Mit Tieren um die Welt: Sammelalben und Bildertütchen von Edeka und Rewe. (Foto: Bernd Berke)

Die Ähnlichkeit der Aktionen ist wahrhaftig verblüffend. Beide Sammelalben haben dasselbe Format und etwa gleiches Volumen, beide gibt es zum Lockvogelpreis. Auch die Titelbilder ähneln einander, wobei wobei dem Pandabären offenbar per se ein Konzern übergreifender Stammplatz gebührt. Er ist und bleibt der Niedlichkeits-Champion, dicht gefolgt vom klimatisch bedrohten Eisbären.

In beiden Alben werden die Sammelbilder nach Kontinenten sortiert. Beide sind nach dem Prinzip einer abenteuerlichen Weltreise aufgebaut. Beide geben sich natürlich ökologisch. Das Edeka-Buch firmiert gleich als WWF-Album (World Wide Fund for Nature), auch das andere gibt sich mit Umwelt-Infokästen naturnah und verheißt mit einem Aufkleber, dass jeder, der das Büchlein erwirbt, die SOS-Kinderdörfer mit 50 Eurocent unterstütze. Man ist allseits so unumschränkt gut. Und just dieses Wohlgefühl soll sich auf die Marken übertragen.

Rewe setzt noch ein paar optische Lockungen drauf, verkitscht freilich auch seinen Bilderfundus (neben Tieren vereinzelt auch berühmte Gebäude und spektakuläre Naturformationen) hie und da: Zum einen gibt es diverse Glitzerbilder (z. B. Pinguin inmitten von blinkenden Silbersternchen), zum anderen 3D-Sticker. Die übliche Papp- und Plastikbrille liegt bei. Auch zapft man die jüngsten Smartphone-Besitzer oder deren Eltern an, indem eine App angeboten wird, die zu Begleitfilmchen führt. App steht hier auch für Appellcharakter.

Nur ein flüchtiger Eindruck, durch nichts zu beweisen: Rewe-Mitarbeiter scheinen Anweisung zu haben, die Tütchen etwas unbürokratischer herauszurücken und nicht allzu genau auf die Einkaufsbeträge zu schauen. Dafür sind die Edeka-Bildchen leichter und ohne lästigen Fummelkram abzulösen.

Doch bevor ich jetzt Stiftung Warentest im Kleinstformat spiele und mich in einer Rezension von Petitessen verliere, stelle ich lieber fest: Es gibt sicher wesentlich Wichtigeres als diese Alben, die gleichwohl das Naturbild vieler Kinder mitprägen. Auch hinter derlei unscheinbaren Dingen lauern ideologische Muster. Mal ganz abgesehen vom kommerziellen Kalkül. Diese Natur ist nicht rundweg natürlich.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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6 Antworten zu Die große Parallelaktion: Wenn Rewe und Edeka mit Pandabärchen locken

  1. Michaela sagt:

    War gerade bei Edeka einkaufen. Direkt hinter mir ein kleiner Junge, vielleicht 6 oder 7 Jahre alt. Und ich dachte noch: „Diesmal nimmst du die Bilder, und dann schenkst sie dem Kleinen, dann freut er sich vielleicht.“ Von wegen – es gab keine für mich, und er musste sie kaufen (er hatte extra dafür angestanden, wie ich dann merkte)! Was für eine widerliche Kinderabzocke!

  2. Michaela sagt:

    Jawoll – das Kind hatte mir kurz vorher eine völlig entnervte Mutter im Stadtgarten in die Arme gedrückt, bevor sie sich seitwärts in die Büsche schlug. Da sie nicht wiederkam und das kleine Herzchen sich ununterbrochen und recht lautstark nach dem Verzehr von Schokolade verzehrte, glaubte ich Abhilfe schaffen zu können, wenn ich mich im nächsten Edekaladen nach jemandem umschaute, der leichtgläubig genug wäre, „nur mal eben“ auf das Kind aufzupassen, während ich „unbedingt zur Toilette“ müsste. Grober Fehler! Erstens wichen mir alle Menschen weiträumig aus, zweitens zerrte mich das kleine Ungeheuer auch ohne Schokolade alsbald zur Kasse, weil dort weit Besseres seiner harrte – der Rest ist bekannt.

  3. Bernd Berke sagt:

    Jetzt wird’s mir klar: Das warst Du, die an der Kasse hinter uns gestanden hat!

  4. Michaela sagt:

    „Nur ein flüchtiger Eindruck, durch nichts zu beweisen: Rewe-Mitarbeiter scheinen Anweisung zu haben, die Tütchen etwas unbürokratischer herauszurücken und nicht allzu genau auf die Einkaufsbeträge zu schauen. Dafür sind die Edeka-Bildchen leichter und ohne lästigen Fummelkram abzulösen.“ –
    Da spricht offensichtlich der eifrige Sammler ;))

    Mir geht das ziemlich auf den Zeiger, wenn ich ständig an der Kasse drauf angesprochen werde. Gut, dass ich keine kleinen Kinder mehr habe, dann wäre das Ganze wohl noch nerviger.(„… und man die Bilderbriefchen nunmehr für je 25 Cent kaufen muss.“ : „Nein, mein Schatz, es gibt keine Bilder mehr.“ „Doch, wohl, hat die Frau gesagt!“ „Aber man muss jetzt Geld dafür bezahlen, das ist mir zu teuer [zu scheiße-blöd, will man eigentlich sagen].“ „Aber nur 25 Cent!“ „25 Cent ist zu teuer.“ „25 Cent ist gar nicht teuer!“ „Doch, 25 Cent ist zuviel.“ „Gar nicht!“ „Doch!“ „Gar nicht!“ „Doch!“ „Gar …!“ „…!“ „…!“ …)

  5. Bernd Berke sagt:

    @Christina: So gibt es Expertinnen für alles auf dem Planeten…

    Übrigens habe ich heute an der Edeka-Kasse erfahren, dass die Aktion beendet sei und man die Bilderbriefchen nunmehr für je 25 Cent kaufen muss.

  6. Christina Lüdeke sagt:

    Die Geschichte des Sammelbilds als Lock-Objekt beim Kaufmann reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück. Danach kamen Bildchen, die einzelnen Artikeln beigegeben wurden – sei es Zigaretten oder Schuhcreme. Sogar ideologischen Zwecken diente das Sammelbild bisweilen.

    Mehr dazu und mehr Sammelbildchen zum Gucken gibt’s in einer Bildergalerie bei Planet Wissen (die ganz zufällig ich mal verfasst habe):
    http://www.wdr.de/Fotostrecken/planet-wissen/kultur_medien/sammelbilder.jsp?hi=Kultur/Medien

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