Springer, die WAZ und der ganz große Deal

Ich bin so stolz, ein Ruhri zu sein. Jetzt noch ein bisschen stolzer als bisher schon. Denn wir haben jetzt bald das „führende nationale Medienhaus“, falls das Kartellamt nicht doch noch etwas gegen den gigantischen Deal zwischen Springer und WAZ/Funke-Mediengruppe einzuwenden hat.

Woher die WAZ-Leute auf einmal blanke 920 Millionen Euro hernehmen, wo sie doch angeblich so sehr unter den Verlusten geächzt haben, die beispielsweise die Westfälische Rundschau verursacht haben soll? Diesen Batzen kann man doch nicht mit der Einsparung von ein paar Hundert Journalisten und sonstigen Mitarbeitern verdient haben, oder? Und wurde da nicht gemunkelt, dass die Banken angeblich Druck auf Petra Grotkamp ausüben, die Mehrheitseignerin der WAZ-Gruppe, die für ihre zusätzlich erworbenen Anteile einen namhaften Kredit aufgenommen hat?

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Hört sich irgendwie verzweifelt und doch schlau an, was Springer macht: Printmarken an die offenbar auf schiere Größe versessene WAZ-Gruppe verkaufen, so lange es überhaupt noch ordentlich Geld bringt. Das riecht nach Schlussverkauf und so gar nicht nach Zukunft.

Kaum auszudenken, dass etwa „Hör Zu“, „Hamburger Abendblatt“, „Berliner Morgenpost“ und ein ganzes Paket von Programm- und Frauenzeitschriften künftig von Essen aus gemanagt werden. Ob Axel „Cäsar“ Springer sich nun im Grabe umdreht? Eine kuriose Pointe, Jahrzehnte nach den heftigen Anti-Springer-Demonstrationen um 1968. „Enteignet Springer“, riefen sie damals bei der Apo. Wahrlich, es waren andere Zeiten.

Welch eine Vorstellung zudem, dass die Essener bald weite Teile der Republik mit ihrer speziellen Vorstellung von Qualitätsjournalismus beglücken werden. Welch eine Aussicht für die Redaktionen der betroffenen Blätter, die künftig wohl erfahren, wie Personalpolitik nach Essener Art betrieben wird. Sparsam. Ganz sparsam. Höchst sparsam.

Soll man jetzt noch gespannt sein, wie das alles weiter geht?

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Ausführliche Berichte und Analysen: http://www.sueddeutsche.de/medien/zeitungen-und-zeitschriften-an-funke-gruppe-springer-verkauft-sein-erbe-1.1731053

http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/axel-springer-verlag-verkauft-printprodukte-analyse-der-strategie-a-913107.html

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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4 Antworten zu Springer, die WAZ und der ganz große Deal

  1. ingo sagt:

    hat er recht, der Herr Röper – Redaktionsbezogen und auch, wenn es um Verwaltung ginge; die ganzen schmutzigen möglichkeiten hatte springer zuerst probiert und die essener adepten habe sich das schon vor jahren gerne zeigen lassen

  2. Bernd Berke sagt:

    Wer bei der Funke/WAZ-Mediengruppe eigentlich das Sagen habe, fragt der Medeindienst turi. Nach Transparenz klingt das jedenfalls nicht:
    http://www.turi2.de/2013/07/26/heute2-regiert-reich-funke-family-16267844/

  3. Rudi Bernhardt sagt:

    Früher galt es als fest verbürgt, dass das Duo Grotkamp/Schumann den Springern meilenweit voraus war, weil sie schon längst Entscheidungen gefällt hatten, die sich die Springer erst mal von der Zentrale genehmigen lassen mussten. Heute geht das offenbar anders. Springer hält diverse Medien für zukünftig zu dünnblütig und verkauft sie daher an Funkes, als eine Art institutioneller Abwickler, damit der Geist von Axel nicht über die heutigen Vorspringer kommt, wenn sie die Hörzu schreddern.

  4. Bernd Berke sagt:

    Der Dortmunder Medienforscher Horst Röper glaubt, dass die WAZ-Gruppe bei den Neuerwerbungen kaum noch Spielraum für Einsparungen finden wird:

    http://www.swr.de/landesschau-aktuell/deutschland-welt/-/id=1884346/nid=1884346/did=11802186/grejt7/

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