Funny van Dannen: Saugefährliche Katzenpisse

Denn siehe, hier kommt eine gute Nachricht: Funny van Dannen klampft wieder. Er versprüht abermals seinen skurrilen Charme – auf der neuen CD „Saharasand“. Alles andere wäre aber auch jammerschade gewesen.

Wie soll man das musikalische Tun und Trachten dieses Mannes jemandem beschreiben, der ihn noch nie gehört hat? Nun, er klingt meistens so, als schrammle und singe er unverzagt am immerwährenden Lagerfeuer. Manchmal hört er sich schier nach altvorderen Schlagerbarden wie – im Extremfalle – Martin Lauer („Taxi nach Texas“) an. Sag ich jetzt mal ganz ungeschützt. Aber irgendwie bringt Funny van Dannen (Jahrgang 1958) es fertig, selbst solche Vorlagen mit „Kult“-Verdacht zu veredeln. Ohne großen Aufwand, just mit einer (scheinbaren?) Naivität des frischen Zugriffs gesegnet. Auch der Titel „Saharasand“ könnte ja gut und gern aus späten 50er oder frühen 60er Jahren stammen, Freddy Quinn & Artgenossen grüßen aus der Ferne. Wie? Stimmt gar nicht? Na, dann nicht.

Dann eben die nächste steile Behauptung. Eine hörbare Basis und Quelle seiner Lieder sind so genannte Protestsongs seligen Angedenkens, deren Stimmlage er freilich meistens ins liebenswert Komische und Harmlose wendet. Er ist so gar kein aggressiver Mensch und mag eigentlich niemanden verletzten. Und so schießt er denn sogar auf die gierigsten Banker und Börsianer lediglich mit einer „Katzenpissepistole“. So heißt der Auftakt-Song seines neuen Albums, das 21 Titeln enthält und auch in bluesnahe Spielarten ausgreift.

Just aus der Friedfertigkeit des Urhebers bezieht gleich der zweite Song seine gelinde Komik. Funny van Dannen versichert uns da, er wolle auch einmal „saugefährlich klingen“. Ausgeschlossen! Nimmermehr! Er doch nicht! Nicht einmal richtig grimmig kann er werden. Aber das weiß er natürlich selbst am besten. Und er weiß auch, wie sich ein Mann tröstet, der seiner Freundin ein „Simpsonsplakat“ schenken möchte und besuchsweise feststellen muss: „Sie war nackt und sie war nicht allein.“ Wie es danach weitergeht, wird hier natürlich nicht verraten.

Sagen wir’s mal siebtelkritisch so, klagend auf hohem Niveau (reimt sich): Die Platte ist derart aus einem Guss, dass man sie nicht unbedingt in einem Rutsch durchhören, sondern eher dosiert genießen sollte. Monotonie? Nein, das wäre das verkehrte Wort. Schließlich sind erneut ein paar „Ohrwürmer“ dabei, freilich keiner vom genialischen Kaliber der „Infrastruktur“ auf dem Album „Nebelmaschine“. Auch hat sich der Künstler für meinen Geschmack etwas zu weit aufs glitschige Terrain der Wirtschaftskrise locken lassen. Es ist nicht sein Hauptmetier.

Mehrere Nummern der neuen CD handeln von der Unübersichtlichkeit unserer wirren Zeitläufte. Der menschliche Instinkt drohe daran zuschanden zu gehen, heißt es einmal sinngemäß. Hochtrabend ausgedrückt: Funny van Dannen sehnt sich nach Komplexitäts-Reduktion. Sprich: Er hätte die Dinge gern näher, fassbarer, einfacher. Wer könnte ihm solche Wonnen der Simplizität nicht nachfühlen?

Und also summt man immer mal wieder selbstvergessen mit. Schön wäre es, wenn… das gelingende Leben so einfach zu haben wäre. Noch schöner, wenn es zum vollen, runden Glück eines gemeinsam feiernden Freundeskreises nur noch einer solchen Unter-dem-Pflaster-der-Strand-Wandlung bedürfte: „Wenn die Straße ein Fluss wäre und die Autos Schiffe…“

Tatsächlich wiegen sich gerade die besten Lieder im Gefühl einer ungeahnten Leichtigkeit – am Rande sanft schwirrenden Irrsinns. Etwa die Legende vom Mann, dem überall (un)willkürlich das Wort „Sozialismus“ entfährt. Ganz einfach so. Egal, ob beim Zahnarzt, im Supermarkt oder selbst beim Orgasmus. Wie das die Mitwelt irritiert! Oder die Ballade vom Paar, das aus dem Museum kommt und kurzerhand beschließt, dass ihm die ganze gesehene Richtung nicht passt: „Scheiß-Jugendstil“ tönt es mit wünschenswerter Klarheit im Refrain. Und schon hebt sich merklich die Stimmung in der sonst wahrscheinlich etwas öden Zweierkiste – auf Kosten einer ganzen Kunstrichtung.

Funny van Dannen hat halt immer wieder diese leicht schrägen Einfälle, so auch diesen: In eine Disco zu gehen, wo Pflanzen tanzen. Man denke nur und spinne die Idee ein wenig weiter… Und wenn das Leben ein Würfelspiel wäre? Dann lautet die schlichte Frage eben: „Wie viele Augen wirfst du?“ Ach, ist das herrlich, wenn die Sinnsuche dermaßen deliriert und trudelt.

Trotz aller (letztlich nebensächlichen) Sorgen und Zerknirschungen ist Funny van Dannen zwar keine „Stimmungskanone“ (Gott bewahre!), jedoch auf sehr spezielle und originelle Weise gelegentlich ein Gute-Laune-Sänger. Wogegen ja nun mal prinzipiell nichts einzuwenden wäre. Wer das teils munter gepfiffene Lied von der „Magnolie“ hört, weiß gleich Bescheid. Da hellt sich etwas wundersam auf. Fast so schön wie einst bei „Singin’ in the Rain“…

CD „Saharasand“. JKP / Warner Music. Ca. 16,99 €.

P. S.: Ab 23. September geht Funny van Dannen auf Tournee. Jetzt möchte ich ihn endlich mal live sehen. Schon um einen Eindruck zu bekommen, wie seine Fans denn so aussehen. Es müssen doch wohl ziemlich sympathische Leute sein.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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