Wenn Junggesellen die Sau raus lassen

Ein fast normaler Samstag in der Düsseldorfer Altstadt. Viele Menschen sind unterwegs oder sitzen an den Kneipentischen in der Abendsonne, und fast ebenso viele laufen gruppenweise in seltsamen Uniformen herum – bedruckte T-Shirts mit mehr oder weniger peinlichen Sprüchen. Abschied vom Junggesellen-Leben wird da gefeiert – oder auch vom Junggesellinnen-Leben.

Vor dem "Uerige" geht es nicht immer si gesittet zu. (Foto: Pöpsel)

Vor dem „Uerige“ geht es nicht immer so gesittet zu.          (Foto:Hans H.  Pöpsel)

Schon im Hauptbahnhof beginnt dieses Treiben. Gefühlt jede zweite Menschentraube im Tunnel unter den Gleisen ist in die Landeshauptstadt gedüst, um mit ihrem besten Kumpel oder der treuesten Freundin vor deren Gang zum Traualtar noch einmal die Sau rauszulassen.

Die Braut kennzeichnet meist ein angedeuteter Schleier, am liebsten in Rosa, und mancher Bräutigam wandert in Frauenkleidern durch die Altstadt. Dort müssen dämliche Aufgaben erfüllt werden, zum Beispiel einer fremden Frau den BH abzuschwatzen. Oder ähnlich geistreiche Spiele warten auf Erledigung, und das wird im Laufe des Abends immer schwieriger, weil das Alt in den Adern das Blut ersetzt. Der eine oder andere bricht daraufhin alles wieder aus, und am Morgen danach fragt er sich noch einmal nach dem Sinn der Ehe.

Diese schnell zunehmenden Feierabende sind meines Erachtens ein weiteres Zeichen für einen Wandel im Geschlechterverhalten: Heiraten wird nicht mehr so sehr als lebenslanges Treueversprechen empfunden, sondern als ein weiteres Event im ansonsten trostlosen Büroalltag. Manche Bald-Eheleute beschäftigen sich ein ganzes Jahr mit dem kleinsten Detail ihrer Hochzeitsfeier, damit sie ganz gewiss ein vorzeigbares Erinnerungsstück erhalten. Das „Ja“ im Standesamt scheint da zu einem Nebenanspekt zu werden.

Nun ja, es wird immer noch etwa jede dritte Ehe nach einigen Jahren geschieden, und eine solche Scheidung wird inzwischen gelegentlich auch schon zu einem Event, denn die ersten Scheidungsfeier-Grüppchen wurden in der Altstadt bereits gesichtet.

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Über Hans Hermann Pöpsel

Historiker und Germanist. Pensionierter Redakteur
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