Verstaubt: Das Theater Dortmund startet mit Verdis „Maskenball“ in die neue Spielzeit

Der Page Oscar (Tamara Weimerich) auf dem Maskenball, auf dem die Attentäter zuschlagen (Foto: Thomas M. Jauk/Theater Dortmund)

Der Page Oscar (Tamara Weimerich) auf dem Maskenball, auf dem die Attentäter zuschlagen (Foto: Thomas M. Jauk/Theater Dortmund)

Der Schuss fällt irgendwo aus dem Dunkel. Tödlich von der Kugel eines Verschwörers getroffen, bricht der lebens- und liebesfrohe König Gustav III von Schweden zusammen. Als Riccardo, Gouverneur von Boston, begegnet uns der Herrscher in der Oper „Ein Maskenball“ von Giuseppe Verdi wieder. Der hatte seine liebe Not, das Werk durch die Zensur der österreichischen Besatzer zu bringen, und musste deshalb einem Wechsel des Schauplatzes zustimmen.

Bei Katharina Thoma, Hausregisseurin am Theater Dortmund, erfährt der Regent nun eine weitere Verwandlung: Vor uns liegt Österreichs 1914 in Sarajevo ermordeter Thronfolger Franz Ferdinand. Gleichsam mit Gewalt und auf den letzten Metern biegt Katharina Thomas Version in diese Schlusskurve ein. Der Pagenjunge Oscar erhält Stahlhelm und Uniform, der Chor hält weiße Kreuze in die Höhe, Menetekel des drohenden Massensterbens bei Verdun.

Zwar bringt die Regie bereits im ersten Bild eine Landkarte aus der Zeit nach der Jahrhundertwende ins Spiel. Aber das menschliche Drama zwischen dem etwas zu sinnenfrohen Regenten und seinem treuen Freund Renato, der sich um seine Frau Amelia betrogen wähnt und deshalb zu den Verschwörern überläuft, ist vom historischen Rahmen unabhängig.

Die Koproduktion mit Londons Royal Opera House Covent Garden, von der Dortmunder Theaterleitung voller Stolz als Beweis für das angeblich gewachsene Renommee des Hauses verkündet, gebiert erhebliche Zwänge. Die aus London angereiste Bühnenbildnerin Soutra Gilmoure wuchtet düstere, teils neo-romanische Fassaden auf die Bühne, die erdrückend und stilistisch nicht immer einheitlich wirken. Die etwas altbackene Pracht der Kostüme von Irina Bartels lässt Anpassungen an den britischen Geschmack vermuten.

Welche Möglichkeiten bleiben da der Regie? Katharina Thoma leuchtet das Dreiecksdrama mit psychologisch sicherem Gespür aus und zeigt in den besten Momenten, wie schmal der Grat sein kann zwischen heiterer Maskerade und tödlichem Ernst. Indes bringt die Festlegung auf die Jahre vor 1914 keine Deutungshoheit oder neue Perspektiven, sondern führt nur dazu, die Produktion oft recht staubig aussehen zu lassen.

Die Magierin Ulrica (Anja Jung) liest den Tod aus der Hand von Riccardo (Stefano La Colla. Foto: Thomas M. Jauk/Theater Dortmund)

Die Magierin Ulrica (Anja Jung) liest den Tod aus der Hand von Riccardo (Stefano La Colla. Foto: Thomas M. Jauk/Theater Dortmund)

Musikalisch bietet dieser „Maskenball“ Solides, ohne wahre Pracht oder Eleganz zu entfalten. Susanne Braunsteffer leiht der Amelia einen kraftvollen Sopran mit Leidenstönen. Mag ihr Porträt einer innerlich zerrissenen Frau auch nicht immer subtile Facetten erfassen, formt sie die Partie doch souverän durch. Stefano La Colla hat als Riccardo weit mehr zu kämpfen. Sein Tenor, der Schmelz durch Forcieren erreicht und schon zu Beginn einige Unausgewogenheiten anklingen lässt, wird zum Finale hin immer angestrengter und steifer. Neben diesen Gästen trumpft Ensemblemitglied Sangmin Lee als sonorer, zunehmend von Gram und Rachegelüsten erschütterter Renato auf. Der Page Oscar (Tamara Weimerich) und die Magierin Ulrica (Anja Jung) bleiben auch stimmlich eher am Rande des Geschehens.

Nach einer Startsaison, in der Dortmunds Generalmusikdirektor Gabriel Feltz häufig einer Liebe für krachende Lautstärken nachgab, sind die Dortmunder Philharmoniker im „Maskenball“ endlich wieder dynamisch differenzierter zu hören. Da gibt es federnde, im Schlussbild auch schäumend-vitale Klänge, atemlos Düsteres, wenn auch wenig psychologische Ausleuchtung. Statt vom Orchester, wird diese von der Lichtregie übernommen (Olaf Winter). Als starkes Plus sind Chor und Extrachor des Theaters zu nennen, die diesem Maskenball auch stimmlich viel quirligen Elan geben.

Wurde auf dem Deckblatt des Programmhefts womöglich ein Wort vergessen? Acht große Lettern behaupten darauf markig: „Oper lebt“. Nach diesem Abend ist nicht auszuschließen, dass damit Opas Oper gemeint war. Vielleicht ist dies der Grund, warum das erstaunlich jugendlich wirkende Produktionsteam neben viel Beifall einige wütende Buhrufe kassierte.

(Termine, Karten und Informationen: http://www.theaterdo.de/detail/event/ein-maskenball-un-ballo-in-maschera/)

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