Was ein ambitionierter Setzer und Drucker mit Texten von Max Goldt anstellt

Wie auf jedes neue Buch von Max Goldt, so habe ich mich auch auf dieses gefreut. Doch ach, die Vorfreude wurde hernach ein wenig geschmälert.

Die herrlich schrägen Texte des Meisters sind in die Hände eines leidenschaftlich traditionsversessenen Setzers, Druckers und Typographen gefallen. Mit Goldts Einverständnis, ja gewiss doch.

Bisher hat sich der Drucker Martin Z. Schröder in seiner Berliner Werkstatt seit 1998 nur für Kleinverlage über Goldts Kolumnen hergemacht – und dabei recht achtbare Auflagen erzielt. Jetzt sehen wir die dabei entstandenen Seiten als Edition bei Rowohlt Berlin im Faksimile, also gleichsam aus zweiter Hand. Der Band heißt „Chefinnen in bodenlangen Jeansröcken“. Ein typischer Goldt-Titel im Geiste des höheren Nonsens, der freilich immer wieder unversehens ins erhaben Sinnhafte beidreht.

Chefinnen-in-bodenlangen-Jeansrocken-9783871347924_xxlNatürlich ist es aller Ehren wert, wenn einer die herkömmlichen Druck- und Satztechniken mitsamt den alten Apparaturen und Maschinen liebevoll pflegt, wenn er im Dienste der Bibliophilie weder Kosten noch Mühen scheut und hergebrachte Fertigkeiten vor dem Untergang bewahrt. Bücher, die in diesem Sinne entstehen, sind nicht zuletzt Sammlerstücke.

Auch mag es ja sein, dass eine sorgsam ausgewählte Typographie der Textinterpretation nutzt, ja gleichsam selbst schon eine Interpretation darstellt. Zumal die historischen Stilzitate prägen auch den Inhalt. Es sind eben grundverschiedene Anmutungen, wenn ein und derselbe Text in einer alten Schrift der Aufklärung, in Fraktur oder etwa in einem Duktus der 1950er Jahre aufscheint. Was eigentlich gar nicht mehr zu beweisen war.

Doch leider tritt hier der typographische und gestalterische Zugriff häufig dermaßen in den Vordergrund, dass er sich die Texte schier untertan macht. Wunderbar zauselig-abstruse Stellen werden optisch so zugerichtet, dass auf einen Schelmen anderthalbe gesetzt werden. Hie und da steigert das nicht gerade die Subtilität, sondern mindert sie sogar. Es ist, als wollte der Drucker Schröder stets unserer Phantasie aufhelfen und uns auf den Kerngehalt der Textpassagen bringen oder gar stoßen. Man merkt die Absicht und man ist (zuweilen) verstimmt.

Im Hochgefühl seines Handwerkerstolzes führt Schröder dabei vor, was mit drucktechnischen Mitteln so alles möglich ist, sein Arsenal ist ziemlich gut gefüllt. „Ja, das alles, auf Ehr’, das kann ich und noch mehr“: Es ist mitunter ein wahrer Lettern-Fetischismus, der sich da ergeht.

Da stehen Schriften kopf oder erstrecken sich in alle Richtungen, da kann das Satzbild jederlei Form annehmen und sich auch schon mal als Spirale ringeln. Die Zeilen können sich verengen, weiten, springen oder sonstwie ins Tanzen geraten.

Kurzum: Jede Seite sieht hier anders aus als die vorherige. Im Einzelnen ist das ja hübsch anzusehen und nötigt auch gehörigen Respekt ab. Doch die geradezu zwanghafte Vielfalt lenkt auf Dauer von den Inhalten eher ab.

Möglich, dass dies alles ein ästhetisches Fest für Typo-Freaks ist. Doch Max Goldts inspirierte und inspirierende Texte, von denen hier bewusst nicht die nähere Rede ist, wirken in diesem sicherlich immens arbeitsreichen Verfahren vielfach nur noch wie bloßes Demonstrationsmaterial, wie bruchstückhafte Versuchsobjekte. Ich erlaube mir, das schade zu finden.

Max Goldt und Martin Z. Schröder: „Chefinnen in bodenlangen Jeansröcken“. Faksimile vierer typografischer Sammlerstücke. Inszeniert von Martin Z. Schröder. Rowohlt Berlin Verlag. 144 Seiten, ohne Paginierung. 25 Euro.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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1 Antwort zu Was ein ambitionierter Setzer und Drucker mit Texten von Max Goldt anstellt

  1. Michaela sagt:

    Das (Lese-) Vergnügen scheint nicht nur ein wenig geschmälert – schade, schade!

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