Max Goldt: Zimbo, Zimbo und nochmals Zimbo

Skandal ! Betrug ! Ich habe „Ein Buch namens Zimbo“ gelesen – und nirgendwo auch nur die leiseste Äußerung darüber gefunden, was es mit diesem „Zimbo“ denn auf sich hat. Oder sollte ich ausgerechnet jene zwei bis drei Zeilen auf Seite xyz übersprungen haben, in denen mir Auskunft zuteil geworden wäre? Wohl kaum. Es wäre fahrlässig, in diesem kanari-knallgelben Buch überhaupt etwas auszulassen.

Ist aber auch schnurzegal. Denn es handelt sich ja um ein Werk von Max Goldt, der die Leser schon mal ganz gern nett nasführt. Doch im Grunde treibt er beileibe nicht nur Schabernack, sondern gibt vielfach ein vernünftiges Maß der tagtäglichen Dinge. Man unterschätze das nicht in einer Zeit, in der so vieles verrutscht ist. Wir könnten einen neu geeichten „common sense“ allemal gebrauchen. Der unaufgeregte Gebrauch des Verstandes kann – paradox genug – aufregend und überdies erzkomisch sein. Hier spürt jemand haarfein auf, was vorgeht im Lande und was anders werden sollte. Nun gut. Jetzt aber Schluss mit der öligen Jury-Prosa.

Was haben wir vor uns: Sprachlich bestens gefeilte Kolumnen? Unterhaltsame, ja höchst vergnügliche Ratgeberliteratur zur Lebenshilfe im besten Wortsinne? Alltagsphilosophie der dezent gehobenen Sorte? Mal dies, mal jenes. Aber darin erschöpft es sich nicht.

Selbst wenn man seit vielen Jahren Bücher von Max Goldt liest, staunt man immer wieder, welche Haltungen er im Einzelnen zu den Zeitläuften einnimmt. Er kann da sehr eigen sein. In einem Umfeld, das allerlei Schrankenlosigkeiten zelebriert, wagt er es beispielsweise, auch Verbote als mögliche Kulturleistungen zu preisen. Hohe Zeit für solche Gedanken!

Nur ganz selten beschleicht einen das Gefühl, dass Goldt auch schon mal willkürlich gewagte Gegenpositionen zum Gängigen einnimmt, um just ihre Tragweite zu erproben. Warum auch nicht, wenn dabei so viel herauskommt, was anderen im Leben nicht einfiele?

Dem politisch korrekten Herumgeeiere ist Goldt jedenfalls abhold, ohne deshalb freiheitliche Positionen preiszugeben. Irgendwann, so spottet er, werde in Zeitungen nur noch stehen, Gewalt sei von „Geschöpfen“ verübt worden – ohne Nennung der Herkunft, des Alters, der Religion und des Geschlechtes. Es könnte ja „diskriminierend“ sein…

Max Goldt erweist sich abermals als Meister der Abschweifung. Herrlich zu sehen, welche rasanten Kurven seine Texte bisweilen nehmen, um in tollkühnen Volten bzw. Loopings zum Ursprungsthema zurückzukehren – oder vollends artistisch abzuheben.

Das Themenspektrum ist mal wieder denkbar breit. Da geht’s z. B. um vermeintlich allgegenwärtige Klagen über Sodbrennen, um Vor- und Nachteile von Umhängetaschen oder um die nach seiner Ansicht unsinnige Wendung „kreatives Chaos“. Wahre Künstler seien keineswegs Chaoten, sie entwirrten vielmehr das Durcheinander, befindet Goldt. Ferner erfahren wir, wie erhellend ein Pakistani und ein Texaner deutsche Marotten (Hunde-Manie und Polit-Debatten-Rituale) beschreiben, wie sich Worte mit bloßer Tralala-Bedeutung anfühlen und wie das „Berliner Plusquamperfekt“ klingt. Und köstlich ist’s zu lesen, wie sich Rechthaber und Besserwisser der inzwischen allzu vielen „Irrtümer“-Lexika bedienen, um mal wieder zu triumphieren.

Manche Formulierungen Goldts sind so trefflich und kostbar, dass man sie am liebsten in Seidenpapier einschlagen und verschenken möchte. „Dieser eisige Beauty-Apparatschik“ – wer könnte damit wohl gemeint sein? Doch nicht etwa Heidi Klum? Nun ja, eventuell doch.

Goldts Kunstfertigkeit ist mittlerweile hoch dekoriert worden, auch mit dem Kleist-Preis. Des Autors Dankrede dafür steht gleichfalls in diesem Buch. Kategorien wie „Alltag“ und „Satire“ lehnt er zur Selbstbeschreibung ab, auch sei er gar kein Kolumnist. Ja, was zum Teufel ist er denn dann? Am Ende vielleicht ein „Zimbo“?

Max Goldt: „Ein Buch namens Zimbo“ (Untertitel: „Sie werden kaum ertragen, was Ihnen mitgeteilt wird“). Rowohlt Berlin Verlag, 198 Seiten, 17,90 Euro.

P. S.: Kürzlich ebenfalls bei Rowohlt Berlin erschienen und ideal auch für Goldt-Leser geeignet ist der prachtvolle Sammelband „Titanic – Das endgültige Satirebuch – Das Erstbeste aus 30 Jahren“ (416 Seiten, 25 Euro) mit zahllosen satirischen, parodistischen etc. Frechheiten sowie gepflegtem Nonsens im Gefolge der „Neuen Frankfurter Schule“ seit 1979. Prädikat: Gehört pfeilgrad in jede Hausapotheke.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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