„In Pittsburgh roch es wie in Oberhausen“ – Wim Wenders‘ Fotografien in Düsseldorf

Foto: Wim Wenders/Courtesy Blain Southern

„Dust Road in West Australia“ (1988) (Foto: Wim Wenders/Courtesy Blain Southern)

Weit sind diese Landschaften, leer und von einem überdimensionalen Himmel überspannt: Die Handschrift des Filmemachers Wim Wenders drückt sich kongenial auch in seinen großformatigen Fotografien aus. Noch bis Mitte August ist die Ausstellung „4 REAL & TRUE 2“ des gebürtigen Düsseldorfers Wenders im Museum Kunstpalast in der NRW-Landeshauptstadt zu sehen.

Interessanterweise beobachtet Wenders „Menschenleere“ nicht nur in Weltgegenden wie dem Mittleren Westen der USA oder der australischen Wüste, die naturgemäß dünn oder gar nicht besiedelt sind. Er schafft diesen Eindruck auch in Fotos aus Japan oder Israel, in denen durchaus menschliche Ansiedlungen zu sehen sind, doch auch hier von Ferne, aus der Distanz.

Manchmal schlägt die Naturbetrachtung sogar ins Idyll um und nimmt Caspar David Friedrichsche Züge im Medium der Fotografie an. Die Landschaft selbst scheint zu sagen „Seht her, wie schön ich bin.“ Ganz ohne den Hinweis eines menschlichen Vermittlers, der dem Betrachter die Naturwunder erst erklären muss. Und so wirft man als Museumsbesucher einen ganz neuen und unverbrauchten Blick auf die Elblandschaft im Sommer oder die Morgendämmerung über dem See Genezareth.

Doch wohnt allen Bildern ebenso das narrative Element des Filmemachers inne, denn nahezu zu jedem gibt es eine Geschichte. „Der Weg nach Emmaus“ zeigt einen Pfad durch eine Gebirgslandschaft, sonst nichts. Trotzdem ist die Fotografie aufgeladen mit biblischer Geschichte, im Kopf des Betrachters laufen die Szenen der Begegnung von Jesus und seinen Jüngern ab, obwohl von ihnen auf dem Foto gar nichts zu sehen ist.

Ähnlich verhält es sich mit Wenders‘ Bildern von Ground Zero in New York: Die Sonne bricht durch die Wolken und beleuchtet zerstörte Hochhäuser und Krater im Boden; als Betrachter erinnert man sich sogleich an 9-11 und verknüpft die Ruinen unweigerlich mit der Tragödie der Terroranschläge. Absolut unheimlich sind Wenders‘ Bilder aus Fukushima nach der Reaktorkatastrophe, denn sie zeigen die unsichtbare radioaktive Strahlung als wellenförmige Linie auf der Fotografie. Wenders hat diese „Zerstörung“ der Fotos erst nach seiner Rückkehr aus Japan entdeckt.

In Armenien hat Wenders ein verlassenes und halb kaputtes Riesenrad fotografiert, das auf einem freien Feld steht. Hier erzählt erst der Gegenschuss die ganze Story: An der gegenüberliegenden Wand zeigt sein Foto eine verlassene russische Kaserne; mit den Soldaten ist auch ihr Vergnügungspark obsolet geworden.

Eine Entdeckung mit lokalem Bezug waren für mich die Wenders-Fotos aus einem Eisenbahntunnel in Wuppertal: Sie zeigen bunte Graffiti-Männchen – gemalt von den Zwillingen Os Gemeos aus Sao Paulo – deren leuchtende Gesichter in der Schwärze des Tunnel kontrastreich aufscheinen und irgendwie rührend wirken, als habe man die kleinen Gespenster bei ihrem geheimen Treiben im Dunkeln überrascht.

Und auch an das Ruhrgebiet denkt Wenders: In Schwarz-Weiß hat er eine (etwas trostlose) Straßenecke in Pennsylvania fotografiert, der Text dazu lautet: „In Pittsburgh roch es genauso wie in Oberhausen im Ruhrgebiet, wo ich aufgewachsen bin.“

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