Schriftsteller des PEN zur Asylpolitik: Gegen ein engherziges Europa

Gastautor Heinrich Peuckmann, selbst Mitglied im PEN-Zentrum Deutschland, über die Haltung der internationalen Schriftstellervereinigung zur Asyl- und Flüchtlingspolitik:

Neben der Pflege von Sprache und Dichtung gehört die Verteidigung des freien Wortes zu den wichtigsten Aufgaben des PEN. In der Praxis bedeutet dies vor allem die Verteidigung der von Verfolgung, Gefängnis oder Todesstrafe bedrohten Schriftsteller, Journalisten und zunehmend Blogger in aller Welt.

Eine riesige Aufgabe, immerhin sind es über 800 Autoren, die weltweit verfolgt werden, trotzdem meldet sich der deutsche PEN auch zu anderen drängenden Problemen der Gegenwart zu Wort. Große Beachtung fand seine Initiative „Schutz in Europa“, die von über tausend Schriftstellern in ganz Europa unterschrieben wurde, und in der ein gemeinsames, menschenwürdiges Asylrecht in Europa verlangt wird.

Logo des PEN-Zentrums Deutschland

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Auch den deutschen PEN haben die Bilder von den Ertrinkenden im Mittelmeer erschüttert und vor allem die Tatenlosigkeit, mit der dies von europäischen Regierungen weitgehend kommentarlos hingenommen wurde. „Krieg, Verfolgung, Hunger und widrige Lebensumstände zwingen Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen“, schreibt der PEN und fährt fort:

„Wir fordern die europäischen Staaten auf, ein gemeinsames, menschenwürdiges Asylrecht zu schaffen, das nicht durch staatlichen Egoismus geprägt ist, sondern vom Geist der Solidarität und Verantwortung … Wir Schriftsteller Europas erwarten von den Mitgliedsstaaten und den Institutionen der Europäischen Union, dass sie ihren humanitären Verpflichtungen nachkommen und es als vordringliche gemeinsame Aufgabe verstehen, Menschen zu schützen und ihnen Zukunftsperspektiven zu ermöglichen.“

Die Übergabe dieser Erklärung durch eine Delegation des PEN-Präsidiums beim Innenministerium war ein eher bemühter, distanzierter Vorgang, weil Staatssekretär Schröder der Meinung war, dass von deutscher Seite aus alles Denkbare getan werde.

Einen Tag später aber bei der Übergabe in Brüssel an den Präsidenten des Europaparlaments, Martin Schulz, wurden die Vertreter des PEN mit offenen Armen empfangen. Diesmal wurden sie vom internationalen und englischen PEN unterstützt. John Ralston Saul, Präsident des internationalen PEN, beantwortete die Frage, warum sich ausgerechnet eine Literaturorganisation um das Thema Asyl und Flüchtlinge kümmere mit dem Hinweis auf die PEN-Charta. Dort steht, dass Literatur keine Grenzen kenne und was für die Literatur gelte, müsse auch für Menschen in Not gelten.

Dies alles geschah Monate vor dem großen Ansturm der Flüchtlinge über die Balkanroute, vor allem aus Syrien. Die Folgen dieses neuen Ansturms, den manche, nicht nur der PEN, wenn auch nicht in dieser Dramatik vorausgesehen haben, sind bekannt. Die nationalen Egoismen wurden noch offensichtlicher, teilweise machte man sich nicht einmal die Mühe, sie verschämt zu kaschieren.

In dieser Situation gab der deutsche PEN-Präsident Josef Haslinger dem Deutschlandradio ein Interview, in dem er im Geiste der Erklärung die mangelnde Solidarität der europäischen Länder scharf kritisierte. „Wir sind Augenzeugen des Zerfalls von Europa“, erklärte Haslinger und fügte hinzu, dass das Europa ohne Grenzen ein Traum gewesen sei, freilich einer aus einer „Schönwetterperiode“. Im Augenblick der Krise würden all die großen Erklärungen und Verträge plötzlich nicht mehr zählen, sie würden schlicht und einfach außer Kraft gesetzt.

Positive Worte fand Haslinger durchaus für die (bisherige) deutsche Politik. Bundeskanzlerin Merkel habe dazu aufgefordert, die Menschenrechte und die Genfer Flüchtlingskonvention einzuhalten, dann aber von Staaten aus Südosteuropa im Stich gelassen wurde. Das gleiche gelte für potente Staaten wie Frankreich und Großbritannien. Wenn Deutschland derartig im Stich gelassen werde wie im Moment, wenn es zu keiner einvernehmlichen Lösung in dere Flüchtlingsfrage komme, würde Deutschland in eine enorme Krise hineingetrieben, befürchtete Haslinger.

Ein engeres, besser gesagt engherziges Europa droht. Und wo für Menschen Grenzen und Zäune errichtet werden, wird das bald auch, so ist zu befürchten, für den Austausch des freien Wortes gelten. Deshalb ist der Kampf für ein humanes Asylrecht und Menschlichkeit im Umgang mit Flüchtlingen für den PEN nichts anderes als die Kehrseite seines Kampfes um das freie Wort.

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