Mode bis zum Tode: Jelineks „Das Licht im Kasten“ und Houellebecqs „Unterwerfung“ in Düsseldorf

Düsseldorf und Mode – das passt wunderbar zusammen. Den Stücktext dazu liefert die Schriftstellerin Elfriede Jelinek. Auch in Michel Houellebecqs „Unterwerfung“ ändern sich die Kleidervorschriften: Miniröcke sind plötzlich out, lange züchtige Gewänder dagegen angesagt. Zwei Inszenierungen am Düsseldorfer Schauspielhaus beschäftigen sich mit dem Geist der Zeit.

Szene aus „Unterwerfung“ (Foto: David Baltzer)

Zynische, abgründige und hoffnungslose Zukunftsszenarien sind die Spezialität des französischen Autors Michel Houellebecq. In seinem Roman „Elementarteilchen“ geht es um die Gentechnik und darum, welche Auswirkungen die Möglichkeit zur gesteuerten Reproduktion auf die menschliche Gesellschaft haben könnte.

In dem Buch „Unterwerfung“ imaginiert Houellebecq ein Frankreich im Jahre 2022, in dem nach bürgerkriegsähnlichen Zuständen zwischen Anhängern des rechten und linken Lagers schließlich ein muslimischer Staatspräsident an die Macht kommt. Eine unheimliche Aktualität erhielt der Roman dadurch, dass er zeitgleich mit dem Attentat auf die französische Satire-Zeitschrift „Charlie Hebdo“ im Januar 2015 herauskam. Wurde das Werk von der Realität eingeholt?

In Hamburg, Berlin und Düsseldorf (Regie: Malte C. Lachmann) steht „Unterwerfung“ als Bühnenstück im Moment auf dem Spielplan und doch hat man in Zeiten von Trump, Putin und Co. schon fast den Eindruck, es sei bereits wieder obsolet geworden: Wo gerade Mauerbau statt Gründung einer Muslim-Universität ansteht.

„Liberté, Egalité, Fraternité“ – die Kernbotschaft Frankreichs bestimmt das Bühnenbild (Ursula Gaisböck). Wenn auch als Möbeldesign, denn der Wissenschaftler François (Christian Erdmann) nutzt die hölzernen Buchstaben gerne als Sitzgelegenheit. Mit seinem Glauben an die Werte der Demokratie ist es allerdings nicht mehr so weit her: Lieber pflegt er seine Depressionen und leidet an der Leere seiner Beziehungen. Christentum oder Islam – auch das ist ihm letztlich wurscht, Hauptsache, er hat sein Auskommen und die Frauen sind nett zu ihm.

Wie Houellebecq die Ausgehöhltheit der westlichen Werte dem Machtanspruch religiöser Fundamentalisten gegenüberstellt, das zeugt von abgründiger Ironie – die allerdings im Roman deutlicher zutage tritt als auf der Bühne. Hier wirken manche Thesen merkwürdig platt, vor allem die frauenfeindlichen Sprüche sind gut für Lacher im Publikum. Dass Francois sich selbst damit ebenso bloßstellt und die Frauen in ihm ohnehin nur ein Würstchen sehen, kann man so leicht vergessen.

Szene aus „Das Licht im Kasten (Straße? Stadt? Nicht mit mir!)“. (Foto: Sebastian Hoppe)

Weiblichkeit und der (teilweise masochistische) Blick der Frauen auf sich selbst sind die Themen von Elfriede Jelinek: In „Das Licht im Kasten (Straße? Stadt? Nicht mit mir!)“, inszeniert von Jan Philipp Gloger, bildet die Mode den Fixpunkt, an dem sich die Frauen auf der Bühne zu orientieren suchen. Doch finden sie sich dabei? In den immer gleichen und doch immer neuen Kleidern? Die irgendwie an den Models immer besser aussehen als an einem selbst? Und wer steckt überhaupt in diesen Kleidern? Eine Person? Oder doch nur ein Nichts?

Die Jelineksche Textfläche plätschert über einen hinweg, mit Ironie, Nonsens, Leichtigkeit und Tiefgründigkeit. Mitunter wird es auch philosophisch, zum Beispiel wenn Kant und Heidegger Tennis spielen. Oder politisch, wenn die Umstände der Textilherstellung in der dritten Welt angeprangert werden.

Absolut grandios aber ist das Bühnenbild (Marie Roth): Ein kleiner Wald in dem Manuela Alphons, Tabea Bettin, Judith Bohle, Claudia Hübbecker, Karin Pfammatter, Lou Strenger, Julia Berns bzw. Tanja Vasiliadou herumstolpern, auf plüschige Hasen und große Füchse treffen, um sich dann nach den Shopping-Raubzügen in einem stilvollen Bungalow zu versammeln und ihre Beute anzuprobieren, ein Gläschen Weißwein zu trinken und – weiter zu shoppen: im Internet nämlich!

Der schwerbeladene Paketbote klingelt gleich mehrmals und bringt wieder den neuen alten Rock. Rot ist der und sieht an jeder anders aus, aber auch gleich. Der Regie gelingt das Kunststück, das Textmonstrum zu strukturieren und äußerst spielerisch und unterhaltsam zu dramatisieren. Das ist nicht zuletzt der Verdienst der großartigen Schauspielerinnen aller Altersstufen, die Mode bis zum Tode lustvoll durchexerzieren.

Karten und Termine: www.dhaus.de

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