Alle Medien reden derzeit über die Dortmunder Nordstadt – ist sie ein vitaler Schmelztiegel oder eine No-Go-Area?

1982 war ich in den USA, begleitet von einer hochschwangeren Sozialarbeiterin, die sich in den Kopf gesetzt hatte, die Bronx zu besichtigen. Unser Vermieter fragte sie, ob sie lebensmüde sei und brachte sie davon ab. Das weltberühmte Stadtviertel von New York ist bis heute berüchtigt und Teil des Stadtmarketings.  Auf dem Weg dahin ist die Dortmunder Nordstadt – oder besser: ein Teil der Dortmunder Nordstadt.

Nordstadt-Impression: Bürgerfest am Borsigplatz. (Foto: Rolf Dennemann)

Nordstadt-Impression: Bürgerfest am Borsigplatz. (Foto: Rolf Dennemann)

So könnte man meinen, wenn man all die Artikel in Zeitungen und Magazinen, die Filmdokus und Berichte liest und sieht, jeweils mit den empörten Reaktionen und Kommentaren aus der Anwohnerschaft. „Man schreibt immer über die dunklen Seiten. Dabei ist es hier auch schön. Die günstigen Mieten etc…“

Wo ist es am schlimmsten?

Ja, ja, Schönheit ist Ansichtssache. All die Berichte leben von dieser Situation, vom Schlagwort von der „No-Go-Area“. Dahinter reihen sich andere Stadtviertel und Straßenzüge in Duisburg, Essen, Gelsenkirchen ein. Wo ist es am Schlimmsten? Wär‘ das nicht was für eine RTL-Serie Die 25 miesesten Ecken Deutschlands?

Und seit über 30 Jahren lesen und wissen wir vom Strukturwandel im Ruhrgebiet. Es kann auf den Nerv gehen, denn der Wandel dauert bis zum Sankt Nimmerleinstag und bis dahin wird Kosmetik betrieben. Die Fassaden glänzen, die Grünflächen werden grüner, die Kinderspielplätze mit hohen Sicherheitszäunen in Beruhigungsfarben umbaut, An- und Verkauf florieren, die „Maßnahme“ und die sozialen Einrichtungen sind Hauptarbeitgeber, die Touristengruppen zahlreicher und die Dunkelziffern im Dunkeln größer.

Gelassene Hinnahme der Zustände

Was bleibt, ist die Hinnahme der Zustände, ob böse oder gut, mit Gelassenheit. Andere laufen die Straßen auf und ab, vorbei an rumänisch-bulgarischen Versammlungen von Männern, um den Grund für die eigene Angst zu messen. „Schmelztiegel“ – nennen das einige – „Melting Pot“, um gleich international zu sein. Da kommt so manches zusammen, was nicht gewollt war, aber weitgehend funktioniert. Die Wahrheit ist vielfältig.

Es gibt übrigens weniger Wohnungseinbrüche in der Gegend als in den „Do-Go-Areas“. Es ist der Kiez, den man will. Aber wie wird ein Kiez zu einem Kiez? Da wirbt mitten im sozialen Tohuwabohu ein Café mit einer Biergarteneröffnung mit „Pflanzen- und Tauschbörse, Grillerei, Waffeln, Musik, Hängematten und Urban Gardening, Kuchen etc.“. Na also, geht doch.

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