Gastautor Heinrich Peuckmann über einen mehr oder minder bekannten Fußballspieler aus Essen:
Es gibt Fragen, die muss der richtige Fußballfan einfach beantworten können. Zum Beispiel diese: Wer war der dritte Torwart in der Weltmeistermannschaft von 1954? Ex-Bundeskanzler Schröder soll sie manchmal stellen, wie ich hörte. Und da kommt dann erstaunlicher Weise mancher Fan ins Schleudern.
Ich stelle die Frage so ähnlich, aber etwas anders. Bei Lesungen in Essen, wenn ich einen Text zum Thema Fußball lese, frage ich die Zuhörer, welche beiden Spieler aus ihrer Stadt zum Weltmeisterteam 1954 gehört haben.
Klar, auf Helmut Rahn kommt jeder. Aber gab es da noch einen zweiten? Doch, den gab es, auch wenn er kurz vor dem Turnier vom Essener Traditionsverein Sportfreunde Katernberg zum FK Pirmasens wechselte. Heinz Kubsch war das und er ist auch der ominöse dritte Torwart in der Weltmeisterauswahl von 1954.
Dramatischer Vorfall bei einer Bootstour
Aber eigentlich ist Heinz Kubsch die falsche Antwort auf die Frage nach dem dritten Torwart. Kubsch war nämlich nicht als dritter, sondern als zweiter Torwart vorgesehen. Aber er und der andere Ersatztorwart Heini Kwiatkowski aus Dortmund rauchten gerne. Und weil Herberger das nicht leiden konnte, ruderten die beiden auf den Spiezer See hinaus, der direkt vor dem WM-Quartier der deutschen Mannschaft lag, pafften dort und kamen suchtgestärkt zurück. Aber als sie irgendwann nach einer ihrer Extratouren anlandeten, geschah das Unglück. Das Boot kenterte und offenbarte die zweite Überraschung. WM-Torhüter Heini Kwiatkowski konnte nämlich nicht schwimmen, und so musste Heinz Kubsch den wild um sein Leben strampelnden Kwiatkowski unter Aufbietung aller Kräfte aus dem Wasser ziehen. Dabei hat er sich die Schulter verrenkt. Herberger soll getobt haben.
Frage an die Ehefrau: „Hätte er den nicht halten müssen?“
So kam es, dass in dem Vorrundenspiel gegen Ungarn, das Herberger von vornherein verloren gab und mit einer B-Mannschaft bestritt, Heini Kwiatkowski im Tor stand und nicht Heinz Kubsch. Es war übrigens Kwiatkowskis erstes Länderspiel. Er erzählte mir später, dass seine Frau stolz in die nächste Kneipe gegangen sei, um dort die Fernsehübertragung zu sehen. „Mein Mann spielt heute in der Nationalmannschaft.“ Aber bei jedem Treffer, den Heini kassierte, drehten sich alle Kneipenbesucher zu ihr um und sahen sie vorwurfsvoll an. „Hätte er den nicht halten müssen?“
Nach dem sechsten Treffer ist Heinis Frau wutentbrannt nach Hause gegangen und hat sich so die beiden letzten Tore der Ungarn erspart. Mit 3:8 ist das Spiel verloren gegangen, und es ist gut, dass es bei diesen 8 Toren geblieben ist und es nicht mehr wurden, denn Heini hatte gar keinen Platz mehr am Torpfosten für weitere Striche, um so die Übersicht über den Spielstand zu behalten.
Seine Nationalmannschaftskarriere verlief sowieso etwas unglücklich. Viermal hat er gespielt und dabei sage und schreibe 18 Tore kassiert. Dabei wurde eines dieser Spiele sogar noch mit 3:0 gewonnen.
Aber immerhin, er hatte einen Einsatz bei dem Turnier 1954, das die Deutschen schließlich gewannen. Heini hat also aktiv teilgenommen an dem Gewinn der Weltmeisterschaft, wenn sein Anteil auch hauptsächlich darin bestanden hat, Stammtorwart Toni Turek zu schonen. Heini hat damit genau jenen Einsatz gehabt, der eigentlich für Heinz Kubsch vorgesehen war, wenn der nicht, ja wenn der nicht die gute Tat begangen hätte, seinem Konkurrenten und Freund im Paffen vor dem Ertrinken zu retten. Die Welt ist eben ungerecht.